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Alt 31.01.2013, 18:06   #1
männlich Rehti
 
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Standard Von der Verzweiflung des Schreibers gegenüber der Gegenwart

Wie alt man sich beim Schreiben bisweilen fühlt, ohne es zu sein!
Vielleicht fasst man einen Gedanken am Morgen vor der Arbeit, während man seine Gerätschaften einschaltet, und schon indem man 'Gerätschaften' und schon, indem man 'indem' und schon, indem man 'und schon' denkt, erahnt man den Einschlag des Vergangenen. Man könnte die Gerätschaften ja auch einfach benennen, - da hält man plötzlich ein Smartphone in der Hand, dort schaltet man sein Flatscreen-TV ein -, vielleicht erwartet es der Farrell auch, doch gleich wird man unsicher, ob man sich nicht mit Belanglosem befasst und man, das Belanglose benennend, sich nicht zu sehr der Aktualität anbiedert. Wie gerne mag man das Wort 'Tagwerk', um wieviel lieber würde man es für 'Arbeit' einsetzen, obgleich man weiß, dass man damit zurückfiele hinter die Zeit, sich zudeckte mit den obsoleten Schwüngen der Sprache.
Doch ist die Sprache nicht auch immer eine Ausstellung des Vermissten?
Wer müsste denn zum Beispiel die Chatprotokolle auswerten, ohne sie abzuschreiben, wenn nicht der sich mit dem Vergangenen Auseinandersetzende, wo es doch ein Trugschluß ist, die Gegenwart als beschreibbar zu bezeichnen?
Kaum ist ein Gedanke abgeschlossen, hat sich die Uhr verändert, und es bleibt alles anders. Vielleicht hat man Mittagspause und erfährt vom Tod eines Prominenten oder vom letzen Auftritt einer Prinzessin; wie gleich das dem Gleichen im Ungleichen zugerechnet wird. Hier entsteht, denkt man doch häufig, die Verpflichtung, zu filtern, also die Gegenwart über die Vergangenheit zu prüfen, und man stellt sich ebenso oft die Frage nach der Relevanz des Heutigen.
Doch will man belehren? - Nein, man will erzählen und fragt sich, wie das geht!
Kurz blitzt auf, dass das Erzählen im Gegenwärtigen vielleicht deshalb nicht funktioniert, weil das Gegenwärtige keine Erzählform kennt, sondern allenfalls rudimentäre Kommunikationsformen anbietet, dann aber wird einem deutlich, dass dies eine Ausrede ist, eine schein-elitäre Flucht in den Elfenbeinturm der Hermeneutik. Vielleicht verzweifelt man an dieser Stelle auch, vielleicht ärgert man sich nur über sich selbst, darüber, dass man kein heutiges, kein jetziges Wort zu Papier bringt, vielleicht auch darüber, dass man zu oft 'vielleicht' verwendet, um sich nicht festlegen zu müssen, doch dieses mag einem auch deutlich machen (mit ein wenig Glück), die Gegenwart als jedermanns Hürde im Schreiben zu begreifen, gegen und mit der es zu schreiben gilt.
Schon ist man zu Hause und beschäftigt sich vielleicht mit diesem Gedanken, nimmt sein Abendmahl ein, ist sich bewusst, dass es nicht mehr als 'Abendmahl' bezeichnet wird, bezeichnet es nur als solches, um sich innerlich aufzulehnen, findet das dann natürlich albern und hört damit auf. Dann kommt vielleicht der Ärger über die Verschwendung des Tages an die Reflexion, über die Probleme, die man sich selbst nur macht ... 'obgleich'? - Unsinn! ... 'zu Papier bringen`? - Immer dieses Rückständige! ....
Man hat noch nicht ein Wort geschrieben und das wird sich heute wohl auch nicht ändern, denkt man. Man schwört sich vielleicht, nie wieder derart albern um sich selbst zu kreisen, spätestens morgen anzufangen, einfach was aufzuschreiben, irgendetwas. Am nächsten Tag wacht man dann auf, hat das wieder vergessen und nennt das Schreibblockade .... vielleicht.
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