Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Gedichte-Forum > Zeitgeschehen und Gesellschaft

Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 13.03.2012, 00:36   #1
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.117

Standard Der Ofen daheim

Er gibt Wärme,
wenn man Kohle hat.
Gegönnt dem alten Hund,
der soviel gebäret hat,
dieses ausgemergelte Vieh,
dessen Junge verscherbelt
für ein paar D-Mark,
dort und hie.
Wir brauchen das Geld.

Er gibt Wärme,
wenn die Asche geräumt,
und ein neuer Tag träut:
Erst Papier, dann Scheite,
das Zündholz, die Kohle,
manchmal Briketts -
ja so ist unser Ofen,
hier sind wir – hie!
Wir brauchen die Zukunft.

12. März 2012
in Erinnerung an die späten 50er
by Ilka-Maria
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 09:12   #2
Ex-zonkeye
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2011
Beiträge: 504

Schöne Zweideutigkeiten, hübsche Bilder. Leider sind ein paar Würmchen drin, die das Früchtchen hohl zu machen dräuen. Zonkeye schlägt Dir ein paar Korrekturen vor:

Er gibt Wärme,
wenn man Kohle hat.
Gegönnt dem alten Hund,
der soviel geworfen hat,
dieses ausgemergelte Vieh,
seine Jungen verscherbelt
für ein paar Mark,
dort und hie.
Wir brauchten das Geld.

Er gibt Wärme,
wenn die Asche geräumt,
und ein neuer Tag träut*:
Erst Papier, dann Scheite,
das Zündholz, Eierkohle,
manchmal Briketts -
ja, so ist unser Ofen.
Hier sind wir – hie!
Wir brauchen die Zukunft.

* unverständlich. Ist das altmodische "dräuen" (drohen) gemeint? Dann wär's nur ein Schreibfehler und müsste "dräut" heißen. Es ergäbe dann Sinn. Mit allem anderen kommt man nicht weiter.

Wenn du die letzte Zeile des ersten Verses in die Vergangenheit setztest, verlöre der Text zwar ein bisschen an Symmetrie, gewönne aber an Logik, denn die Mark ist für immer ausgegeben.

zonkeye
Ex-zonkeye ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 09:27   #3
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.117

Danke, ich fürchte nur, mit den meisten Deiner Verbesserungen liegst Du daneben. Ich schaue es mir später genauer an, muß jetzt zu meiner S-Bahn.

Bis denne.

*************

So, jetzt habe ich ein wenig Zeit:

Zitat:
der soviel geworfen hat,
Ich ziehe das "gebäret" vor, weil mir "geworfen" zu unpoetisch klingt. Rein sachlich ist Deine Korrektur natürlich richtig.

Zitat:
für ein paar Mark,
dort und hie.
Wir brauchten das Geld.
Auslegungssache. In der Zeit, die ich bei dem Gedicht im Auge hatte, sagte man in West-Deutschland "D-Mark", offiziell wurde nach der Wiedervereinigung und Währunsunion von 1990 der Begriff "Deutsche Mark" beibehalten.

Da die Strophe im Präsens geschrieben ist, bleibt es bei "brauchen", denn es ist offen, ob das Geld bereits ausgegeben oder ganz bzw. teilweise auf die hohe Kante für künftige Verpflichten gelegt worden ist. Ich hätte sogar schreiben können: "Wir werden das Geld noch brauchen."

Zweite Strophe: Es ist unerheblich, ob "Kohle" oder "Eierkohle", im allgemeinen Sprachgebrauch war beides üblich, denn man hatte im Privathaushalt in der Regel nur Eierkohle und Briketts.

Hinter dem "...ja" kann man ein Komma setzen, ich habe es bewußt vermieden, weil mir die Zäsur zu stark gewesen wäre. Von der Rechtschreibung her ist Deine Korrektur jedoch richtig.

Warum "Hier" groß schreiben, bei mir steht es hinter einem Komma. Ich nehme an, das ist ein rein stilistischer Einwand von Dir. Kann man akzeptieren.

Danke, daß Du Dir soviel Mühe gemacht hast, ich weiß das zu schätzen.

Beste Grüße
Ilka

P.S.: Ach ja, "dessen Junge" oder "dessen Jungen". Da bin ich mir nicht ganz sicher, ob man Tierjunge mit Menschenjungen gleichsetzen kann, für mich sind das eigentlich zwei unterschiedliche Begriffe. Aus dem Bauch heraus klingt die Zweitversion für mich jedenfalls reichlich ungelenk, denn Tierjunge sind ja nicht automatisch männliche Tiere. Vielleicht können hier andere User noch eine Meinung abgeben oder ihr Wissen einbringen?
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 12:15   #4
Ex-zonkeye
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2011
Beiträge: 504

Um Deinen Ängsten von vorn herein zu begegnen:

Noch immer ist "Gebären" ein Begriff, der dem Feld der menschlichen Reproduktion vorbehalten ist. Wer ihn dennoch unter das Vieh wirft, handelt nicht nur sprachfehlerhaft, sondern setzt sich mit peta-JüngerInnen an einen Tisch, und die Neutralität ist futsch: Aus einem möglicherweise literarischen Text wird ein Traktat.

"Gebärt" wäre hier aber auch grammatikalisch falsch. Das Partizip von "gebären" heißt nicht "gebärt" oder pseudo-althochdeutsch "gebäret", sondern "geboren".

Wenn Du die Jungen des Viehs in den Akkustaiv stellst, stolpert der Leser, weil er innehalten muss, um nach den Zuordnungen zu suchen, ohne allerdings Erfolg dabei zu haben - streng genommen steht da, dass das Junge des Viehs "da und hie" für ein paar Mark verscherbelt, wobei offen bleibt, was. Wenn Du die Würfe des Hundes in den Nominativ stelltest, würde die Nummer klar und läse sich flüssig. Über die krampfhafte Verdrehung von hie und da kann man streiten, muss man aber nicht.

Warum du die letzte Zeile des ersten Verses in die Vergangenheit setzen solltest, hat zonkeye Dir schon erklärt. Der Hund ist alt, seine Nachkommen verscherbelt.

Briketts sind nichts anderes als Kohle; es empfiehlt sich daher, statt "Kohle" einen spezifischeren Begriff zu gebrauchen. Das Komma ist der Grammatik geschuldet (Einschub), der Punkt nur eine Epfehlung.

Auf die Erklärung des "träut" ist zonkeye gespannt.

zonkeye
Ex-zonkeye ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 14:31   #5
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.117

Okay, ich nehme das mal so an, auch in den Punkten, die mich nicht völlig überzeugen; aber der Leser hat ja ein Recht darauf, ernst genommen zu werden. Die Erklärung für "träut" hattest Du Dir schon selbst gegeben (altmodisch, Schreibfehler), dazu habe ich nichts weiter anzumerken.

Mal sehen, ob sich noch jemand meldet, der eine Meinung zu dem Text hat.

Hilfreich waren Deine Ausführungen auf jeden Fall, denn ich hatte den Text spontan und ziemlich schnell runtergeschrieben, dazu völlig übermüdet, weil ich die Nacht davor kaum geschlafen hatte. Das soll keine Entschuldigung sein, sondern lediglich die Erkenntnis, daß man in solch einem Zustand noch einen Tag warten sollte, bis man etwas veröffentlicht. Mal sehen, ob ich das in Zukunft beherzigen werde.

Auf jeden Fall ist mir Deine intensive Auseinandersetzung mit meinem Text nebst kritischen Anmerkungen lieber als die schnelle Lobhudelei, die man im Forum leider zu oft findet.

Danke nochmals,
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 15:06   #6
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Halli Hallo, Ilka-Maria -

jetzt melde ich mich doch noch.
Als Beweis fürs Gelesenhaben.
Ich kann mit dem Gedicht nicht viel anfangen.
Erstens konnte man bei uns auf dem Land keinen Wurf junger Hunde verkaufen - die waren überreichlich"vorhanden".
Ins Haus durften sie auch nicht.

Eierkohle kannten wir leider nicht, die war viel zu teuer. Wir hatten die sog. Vorzugskohle (für Bedürftige):
Riesenstücke, die man selbst noch mit dem Beil zerkleiner mußte.
Die Briketts waren wie heute, wir holten die zerbrochenen Reststücke, die waren auch preiswerter.

Irgendwie will das Gedicht nicht an mich heran, obwohl es meine Jugendjahre behandelt.

LG
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 16:00   #7
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.117

Das war in einer Arbeiterstadt mit reichlich Industrie wohl anders. Ich kenne nur wohlgeformte Kohle und ganze Brikettstücke. Welpen ließen sich privat gut verkaufen, weil sie in den Zoogeschäften teurer waren (mit Stammbaum natürlich).

In meiner Heimatstadt gab es Arbeitsstellen genug. Als mein Großvater aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause fuhr, hatte er bereits einen Job in der Tasche, bevor er am Bahnhof aus dem Zug stieg - er war aufgrund eines Unterhaltungsgesprächs frischweg aus dem Abteil heraus engagiert worden.

An sich ist das Gedicht aber nur eine Momentaufnahme - weiter nichts. Da kann ich nicht erwarten, daß jeder etwas damit anfangen kann. Trotzdem wollte ich das natürlich genau wissen.

Liebe Grüße
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 16:31   #8
Ex-zonkeye
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2011
Beiträge: 504

Zonkeye kann den Text nicht nur an sich heranlassen, sondern auch etwas damit anfangen.

Sie sieht zwischen der brennenden Kohle und jener, die man beim Verscherbeln von Leben erlöst, einen Zusammenhang, der über die sprachliche Beziehung hinausreicht. Dass man einem Vieh Wärme gönnt und sich ihm gegenüber ein Gewissen macht, rührt (allerdings nur, wenn man es werfen lässt - sonst wirkt es, wie schon gesagt, penetrant).

Wenn man den Tag nicht "träuen" (was immer das sein soll), sondern drohen ließe, würde der Leser zudem in der Reihenfolge des Feuermachens jenen "Trott" erkennen, der einem zwar lästig, durch seine Selbstverständlichkeit aber ein bewährter Büchsenöffner für blecherne Alltagsgefäße ist: Wer Feuer macht, hat etwas vor und schaut nach vorn.

Im Vergleich zu der grausigen Pädagogik-Nummer von vorhin ist das hier eine richtig hübsche Sache. Zonkeye hält es für ermüdend, sich immer wieder auf's neue gegenseitig erklären zu wollen, dass persönliche Erlebnisse und Erfahrungen kongruieren oder divergieren. Ein Text ist entweder per se und in seiner Intention stimmig oder nicht. Dieser hier ist es, und zwar auf eine ganz besondere Weise.

Zonkeye
Ex-zonkeye ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 16:34   #9
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Thing merkt an, daß ihm Zonkeye gewaltig auf den Wecker geht.
Drum macht er Feuer, daß ihm warm wird.
Veilleicht würde ihm auch warm, wenn er endlich ein Gedicht von Zonkeye zu Gesicht bekäme?
Er hat allerdings nix vor.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 16:51   #10
Ex-zonkeye
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2011
Beiträge: 504

Zonkeye muss sich niemandem beweisen.

Sie ist ein schlichter Avatar, dem es mitunter Spass bereitet, in einem Forum zu spazieren. Wenn ihr draussen auf den Straßen von den Stubenhockern drinnen immer wieder Blumentöpfe herabgeworfen werden, läuft sie nicht weg. Sie treffen ja doch nicht.

Zonkeye
Ex-zonkeye ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 16:59   #11
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.117

Leute, nicht streiten, dem einen gibt der Text etwas, dem anderen nicht. Für mich war er wie ein Blick in ein altes Fotoalbum. Möglicherweise schreibe ich ihn noch ein wenig um.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 17:04   #12
männlich Ex-Ralfchen
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302

ich lese S1 eher so, obschon das thema was hergibt, fand ich manche wendungen zu emotionell um emotionell zu sein, Ilka.


Er sprüht Wärme,
wenn man Kohle hat.
Auch der alten Hündin,
die soviele Welpen warf,
diese magere Kanine,
deren Kinder wir verscherbelt,
für ein paar dringend Märker,
dort und hie.
Wir brauchten das Geld.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 17:13   #13
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.117

Du bist der erste in diesem Forum, Ralfchen, der mich für emotional hält.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 18:28   #14
männlich Ex-Ralfchen
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302

na ja was schrieb ich? du gibst vor emotionell zu sein, nur: dein kühles herz schimmert durch wie die eiswürfel in nem wodka-meyers-cocktail - hm?

heute würdest du die welpen ertränken, süsse, oder?
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 18:35   #15
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.117

Ich kann nicht einmal eine Spinne töten, die sich in meine Wohnung verlaufen hat - die wird eingefangen und an die Luft befördert. Das hat aber nicht mit Emotionen zu tun, sondern mit Respekt vor dem Recht auf Leben.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.03.2012, 18:45   #16
männlich Ex-Ralfchen
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302

ich glaub ich spinne.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Der Ofen daheim



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Daheim marlenja Sprüche und Kurzgedanken 1 23.01.2012 14:45
Ein Tag Daheim Tintenfleck Geschichten, Märchen und Legenden 0 11.08.2008 11:24
Daheim Ex Albatros Sonstiges Gedichte und Experimentelles 0 01.04.2008 15:41
Bei Rappers daheim Franke Sonstiges Gedichte und Experimentelles 8 28.01.2008 19:09


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.