Stillstand

[Lithiumfluorid]

Man sagt, hat eine Frau einen neuen Mann,
Der sie und ihr Leben ausfüllen kann,
So sieht man das auch ihren Haaren an,
Denn die sind auf einmal kurz.

Verliebte sind oft ein wenig daneben,
Denn eine neue Liebe ist wie ein neues Leben,
Und um dieser Liebe Ausdruck zu geben,
Geht man zum Friseur.

Denn der ist mehr als Dienstleistung,
Symbolisiert Veränderung,
Und provoziert Bewunderung,
Im Bekanntenkreis.

Der neue Schnitt ein Augenschmaus,
Friseur und Frau ernten Applaus,
"Du siehst ja so viel jünger aus,
Und irgendwie so neu".

Haarbanausen mögen höhn',
"Auch früher waren die Haare schön",
Man müsse sich erst dran gewöh'n,
An die Veränderung.

Doch will man selbst die Haare fönen,
Hört man vor dem Fön ein Dröhnen,
Kann es sein, dass "sich gewöhnen",
Eigentlich von gewöhnlich kommt?

Wenn Menschen zum Friseur hingehen,
Wollen sie 'was Neues sehen,
Wobei sie jedoch nicht verstehen,
Dass es nichts Neues gibt.

Man schneidet nur die Eiweißwellen,
Ab bis eben zu den Stellen,
Wo die längst verstorb'nen Zellen,
Früher schonmal war'n.

Keine Veränderung des Gegenwärtigen,
Zur Progression des Zukünftigen,
Sondern zur Bestätigung des Vergangenen,
Leistet der Friseur.

Und Menschen sind oft ein wenig daneben,
Wollen nicht wirklich ein neues Leben,
Wollen viel lieber viel Geld ausgeben,
Um die Vermeidung von Fortschritt zu sehen,
Und um öfter mal zum Friseur zu gehen,
Denn in dieser Welt kann ja nur bestehen,
Wer stehts beständig bleibt.

[solou]

Hallo

reime sind ja nicht so mein ding.
doch für mich ist dein gedicht sehr gelungen. es spricht wahres und du hast es humorvoll umgesetzt.

für mich passen deine zeilen auf vielerlei in unserer gesellschaft. ständig will jeder etwas neues,... nicht bereit an gegebenen umständen zu arbeiten. gerade in beziehungen,... daher auch die hohe scheidungsrate.

gefällt mir gut. allerdings glaube ich, dass du deine zeilen noch knapper gestalten könntest. manches wiederholt sich (die unzufriedenheit).

lg,
solou