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Alt 24.09.2020, 19:13   #1
weiblich Matoe
 
Dabei seit: 09/2020
Beiträge: 4

Standard Ich habe Hunger

Es ist wieder diese Zeit, in der ich meine Gedanken mit in meine Träume nehme. Ich träume viel von Zärtlichkeiten mit anderen, aber selbst in meinen Träumen bin ich befangen. Lustig, wie ich selbst an diesem geheimsten aller Orte von meinem Gewissen eingeholt werde. Bitte versteh mich nicht falsch, ich will Dich nicht gegen andere eintauschen. Ich sehne mich nur nach Zärtlichkeit. So sehr als wäre es neuerdings verboten sich zu berühren und ich könnte es nur noch in meinen Träumen tun. Du bist weit weg und wirst es auch noch eine ganze Weile lang sein. Dabei ist Liebe mein Treibstoff. Zuneigungen jeder Art sind meine Vitamine. Komplimente sind Mineralien, Berührungen meine Spurenelemente.
Wie traurig, dass nicht einmal du es sein musst. Ist es überhaupt wichtig von wessen Liebe wir uns Ernähren? Hat es jemals Bedeutung?
Vielleicht bekommen Menschen deshalb Kinder. Sie fürchten tief in ihrem Inneren, dass ihr Partner sie irgendwann nicht mehr genug mit Zuwendung versorgen wird, dass sie in der Zukunft Liebeshunger leiden müssen. Die Rolle des Versorgers spielen danach die Kinder. Gezeugt mit einem Partner, dessen Liebe einem schmeckt, der gut kochen kann, damit man, wenn alles gut läuft, auch von den Kindern später Liebe bekommt, die zumindest ähnlich schmeckt. Sich gegenseitig zu lieben wird zu gemeinsam die Kinder lieben wird zu von den Kindern geliebt werden. Klingt deprimierend. Klingt aber auch natürlich.
Wenn ich mir vorstelle wie auslaugend ich es allein schon finde, dich aus der Entfernung zu lieben. Ich versuche aus allem was du mir gibst, aus jeder Nachricht, aus jedem Anruf so viel Zuneigung wie möglich zu saugen. Wenn es nicht genug ist, werde ich wütend. Wie ein Säugling, dessen Mutter ihm nicht genug Milch geben kann. Deine Portionen stillen meinen Hunger nicht. Schon lange nicht mehr. Ich bin ausgehungert, hangry.
Nach (zu) wenigen Wochen gewöhnt sich mein Magen an die Diät-Portionen, und zieht sich zusammen. Ich brauche nicht mehr so viel von Dir. Ich will auch gar nicht mehr so viel. Kein Appetit. Essen ist zu anstrengend für die geringe Sättigung. Es lohnt sich nicht. Außerdem schmeckt es nicht mehr so gut. Als würdest du mir etwas kochen, aber müsstest es per Post zu mir schicken, und wenn es da ist, ist das Fleisch trocken und der Salat welk. Dabei bist du ein guter Koch. Du weißt, wie gerne ich nasche, wenn Du bei mir bist.
Andere sind näher, schmecken frischer. Sie können berührt werden und bieten schnelle Befriedigung für meinen Hunger nach Zärtlichkeit. Fast Food.
Du bist der Salat, für den man viele teure und frische Zutaten zubereiten muss, nur um danach einen Haufen Geschirr abspülen zu müssen. Andere sind Burger mit Pommes vom Diner, wofür man nicht mal einen Teller aus dem Schrank holen muss. Man schmeißt danach einfach die Verpackung weg.
Allerdings wissen wir alle, welche Option auf lange Sicht gesünder ist.
Nicht, dass tatsächlich die Möglichkeit bestünde, mit einer meiner imaginären Versuchungen könnte tatsächlich etwas laufen. Oder, dass sie auch nur existierten. Das passiert alles nur in meinem Kopf. Das sind die Gedanken, die am Ende zu meinen Träumen werden.
Matoe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.09.2020, 19:13   #2
weiblich Matoe
 
Dabei seit: 09/2020
Beiträge: 4

Ich würde mich sehr über konstruktive Kritik freuen!
Matoe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.09.2020, 20:41   #3
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City, auf der richtigen Seite des Mains
Beiträge: 31.038

zQUOTE=Matoe;549195]Ich würde mich sehr über konstruktive Kritik freuen! [/QUOTE]

Gerne.

Zunächst: Der Text ist annehmbar geschrieben, flüssig und auf ein Ziel gerichtet. Es geht um Sehnsucht, dargestellt in der Metapher des Hungers.

Deshalb hätte ich den Anfang des Textes auf den Genuss des Essens abgestellt und ihn als Überleitung zur Zärtliichkeit aufgebaut. Anderes hättte ich wegen mangelnder Aussagekraft weggelassen.
Törtchen. Was sonst nach formidabler Speise? Törtchen auf Samtboden, bedeckt mit roten Früchten in Gelee, und obendrauf ein dicker Schlag von Sahne, der zärtlich zerfließt.

Ich sehne mich nach Zärtlichkeit. So sehr als wäre es verboten, sich zu berühren, als könnte ich es nur in meinen Träumen tun. Du bist weit weg und wirst es lange sein.
Nach diesem Einsteig hätte ich mich der Metapher der Hungrigen Stück für Stück angenähert.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
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Stichworte
fernbeziehung, sehnsucht, träume

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