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Alt 09.09.2010, 13:09   #1
weiblich Lux
 
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Standard Ferien mit Opa

Ferien mit Opa

1. Nudelsieb und Moderlieschen

Es ist ein heißer Tag im Spätsommer, die Abende duften schon nach Herbst, aber Mittags scheint die Sonne so kräftig, als wolle sie das nahende Ende der warmen Jahreszeit nicht wahrhaben.
Opa liegt dösend auf seiner Liege im Schatten unter dem alten Ahornbaum, die Zeitung, aufgeschlagen auf seinem Bauch, hebt und senkt sich friedlich im Rhythmus seiner Atemzüge.
Im Haus und im Garten scheinen alle Mittagsruhe zu halten, selbst die Libellen am kleinen Gartenteich gönnen sich ein Päuschen von ihrem sonst so ruhelosen Tanz. Die schwüle Luft duftet nach überreifen Äpfeln, nach frischem Rasenschritt und nach den Reibeplätzchen mit Kompott, die es bei Oma zu Mittag gab.
Leise pirscht sich eine kleine barfüßige Gestalt von hinten an Opa heran, duckt sich in den Schatten des Ahornbaums und pustet Opas weißen Harrschopf an.
Es ist Tine, die auch heute so gar nichts von ausgiebiger Mittagsruhe hält und voller Tatendrang auf Opas Gesellschaft hofft.
Aber Opa schnarcht einfach weiter, er hat noch nicht einmal gezuckt.
Tine runzelt ratlos die Augenbrauen. „Alte Schlafmütze“ flüstert sie ihm ins Ohr und kitzelt Opas Nase mit einem Gänseblümchen.
Opa verschluckt sich fast an einem besonders großen Schnarcher und setzt sich erschreckt in der knarrenden Liege auf: „Tja, ja, ja, ja, ja“, murmelt er, kneift die Augen zusammen und wuschelt Tines Haarschopf durcheinander. „Du kleiner Rabauke, was willst du?“
„Fische fangen“, antwortet Tine prompt. „Fische fangen und dann in unserem Gartenteich aussetzen. Bitte, bitte, bööötte“ quengelt sie, legt ihren Kopf auf Opas warmen, dicken Bauch und macht die besten bettelnden Hundeaugen, die sie kann.
Mit einer Hand sucht Opa seine Brille im Gras, mit der anderen tätschelt er Tines Wange. „Tja, ja, ja, ja, ja, dafür bräuchten wir natürlich ein Netz und einen langen Stock zum dran festbinden, überlegt Opa. Tine grinst. Sie weiß schon, dass sie gewonnen hat.

Opa und Tine stehen im alten Kartoffelkeller von Opas Haus.
„Der ist hinüber“, seufzt Opa und hält den alten Anglerkäscher gegen das gelbe Licht der Kellerlampe. Im Netz sind viele große Löcher zu sehen. Traurig stampft Tine mit den Füßen auf. „Menno! Ich wollte doch so gerne Fische fangen gehen“
„Na, na, na, Tinchen“, beruhigt Opa das ungeduldige Enkelkind, ich werd mal oben nachsehen, was sich sonst noch eignen könnte. Du bleibst hier, du alter Schwarzfuß Indianer. Die Küche ist frisch geputzt, die Oma schimpft sonst.
Tine blickt auf ihre Füße und die Spuren, die sie Keller hinterlassen haben.
„Na gut, aber beeil dich“, schmollt sie und hüpft zurück durch den Keller hinaus in den Garten.

Der Weg vor Opas Haus ist warm von der Sonne. Tine kratzt das Moos aus den Fugen zwischen den Steinplatten und sieht den krabbelnden Ameisenstraßen bei ihrem Tagewerk zu.
Wo Opa nur bleibt?
Endlich hört sie das Stapfen von Opas Schuhen auf der Treppe. Opa versteckt etwas in einem Beutel hinter seinem Rücken und lacht verschmitzt: „Auf geht’s! Wir fahren zu Onkel Fritz’s Fischweiher! Er hat es plötzlich sehr eilig.

Im Auto darf Tine vorne sitzen und kommt sich dabei schon sehr groß vor. Endlich kann sie auch einen Blick in den geheimnisvollen Beutel erhaschen. Darin befindet sich ein Nudelsieb aus Plastik.
Der Weg zum Wanderparkplatz im Wald dauert nicht lange. Aus dem Autoradio dröhnt eine Kassette mit Schlagern aus den guten alten Zeiten. Tine kann sie alle auswendig mitsingen, Opa brummelt leise im Takt.

Mit einer langen Bohnenstange und einem Eimer bewaffnet steigen Opa und Tine aus dem Auto aus.
Hier im Wald ist es etwas kühler und der Weg hinunter zu Onkel Fritz Fischteich ist in ein grün-braunes Licht getaucht. Farn und Blaubeersträucher säumen die Ränder.
Die Luft duftet nach Tannennadeln, nach feuchter Erde und vermoderten Pilzen.
Tine hat sich das Nudelsieb auf den Kopf gesetzt und hüft voller Vorfreude den immer steiler werdenden Pfad hinab.
„Komm schon Opa, schneller!“
„Tja, ja, ja, ja, ja... ein alter Mann ist ein D-Zug“ keucht Opa, den der steile Abstieg ganz schön aus der Puste bringt.
Tine schämt sich ein bisschen und läuft zurück zu ihrem Großvater: „Hier, stütz dich auf mich, Opa, ich bin stark genug, ich halte das schon aus.
Opa nimmt dankbar das Angebot an und legt seine große Hand auf die schmale Schulter von Tine. Ganz schön schwer liegt sie da und Tine kann spüren, wie viel Kraft Opa in jeden seiner Schritte legen muss und wie anstrengend der Abstieg für ihn ist. Aber sie ist auch stolz dass sie schon stark genug ist, um den Großvater zu stützen.

Als sie am Fischweiher von Onkel Fritz ankommen, sind beide ganz schön aus der Puste. Während Opa sich auf einer alten Bank niederlässt und erst mal verschnaufen muss, läuft Tine um den Weiher herum um die beste Stelle zum Fische fangen zu ergründen. „Hier Opa, hier! Ganz viele kleine Fische!“
„Still“, raunt Opa ihr zu. Beim Angeln muss man ganz leise sein, sonst verschreckt man die Fische.“
Vorsichtig und so leise wie möglich watet Tine das sumpfigen Ufer entlang, zurück zu Opa. „Die haben weiße Bäuche, die kleinen Fischis“, flüstert sie kichernd. Opa erklärt ihr, dass das kleine Weißfische sind und dass man sie auch Moderlieschen nennt, weil sie in kleinen sumpfigen Tümpeln vorkommen. „Die eigenen sich sehr gut für unseren Gartenteich“, meint er.
Tine findet den Namen Moderlieschen lustig, leise summend füllt sie den Eimer mit Teichwasser und leg ein paar Wasserpflanzen mit hinein. „Die Fischis sollen sich wohl fühlen“.
Während dessen hat Opa das Nudelsieb mit einem Stück Draht an der alten Bohnenstange befestigt. Jetzt kann das Fische fangen los gehen!

Der Nachmittag verstreicht und jetzt wirt die auch die Luft unten am Weiher immer schwüler und dicker. Tine zieht die Nudelsieb-Fangvorrichtung immer wieder durchs seichte Uferwasser, aber außer ein paar Mückenlarven verfängt sich nichts darin. Aber die sind auch sehr hübsch anzuschauen, findet Tine, und verstaut sie zunächst in ein paar mitgebrachten Einmachgläsern gefüllt mich Wasser.
Plötzlich ist da doch was Größeres im Sieb! „Boah ein Monster“, ruft Tine und hält Opa den Fang unter die Nase. „Tja, ja, ja, ja, ja, lächelt der, das ist die Larve eines Gelbrandkäfers, ein geschickter Jäger im Tümpel“ erklärt er.
Die braun-orange Larve ist geschwungen wie ein Saxophon und hat riesige Beißwerkzeuge am Kiefer.
Tine findet, dass sie spannend ausschaut und möchte sie mit nach Hause nehmen und in den Gartenteich setzen.
Opa meint: “Besser nicht, die frisst uns den ganzen Gartenteich leer, der schmeckt so ziemlich alles, auch Kaulquappen.
Entsetzt lässt Tine das kleine Monster wieder frei. Sie mag die kleinen Kaulquappen, aus denen später kleine Frösche werden.

„So langsam müssen wir aufbrechen“, mahnt Opa und macht mit dem Zeigerfinger seine „Aufgepasst-Geste“. „Die Oma wartet mit dem Abendbrot, wir essen immer um Punkt Sechs!“ Tine ist gar nicht begeistert: „Och Menno, ich habe gar keine Moderlieschen gefangen. Können wir nicht noch ein bisschen bleiben?“
Opa beruhig sie:“ Der Sommer ist doch noch nicht vorbei, wir kommen ein anderes Mal wieder, heute war kein gutes Fischfang-Wetter“.
„Na gut“ dafür hatten wir ja einen schönen Tag am Weiher, lenkt Tine ein und versucht Opa mit beiden Armen zu umschließen. Sie bemerkt: „Dein Bauch ist ganz schön dick, Opa. Darf ich heute bei euch zu Abend essen?“ Bestimmt gibt’s wieder kalte Kotletts und Hausmacher-Leberwurst mit Schwarzbrot.
„Wenn deine Mutter nichts dagegen hat, kannst du bei uns zu Abend essen, schmunzelt Opa.

Der Weg zurück zum Parkplatz scheint weiter zu sein als der Abstieg am frühen Nachmittag. Opa muss oft eine kleine Pause einlegen um Luft zu holen.
„Tja, ja, ja, ja, ja... keucht er, ich bin doch alt geworden. Tine legt seinen Arm um ihre Schulter und spricht ihm Mut zu: „Dafür hast du doch mich“.
„Ja, dafür habe ich dich, sag Opa mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich glaube, ich kann schon wieder weiter gehen.

Als sie den Parkplatz erreichen sind beide erschöpft. Opa schließt den Wagen auf und verstaut die mitgebrachten Sachen im Kofferraum während Tine auf den Beifahrersitz klettert. Das Auto ist aufgeheizt von der Sonne und riecht nach altem staubigen Polster und nach Opa. Die Fahr nach Hause döst Tine vor sich hin und träumt von Moderlieschen und Gelbrandkäfern.

Zu Hause angekommen wird Opa plötzlich wieder geschäftig. „Wir müssen erst noch in die Waschküche“, meint er zu seiner Enkelin.
Dort packt er das Nudelsieb aus und wäscht es gründlich unter dem Wasserhahn aus.
Er schaut sich verstohlen um. „Oma ist noch im Garten, lauf zu ihr und erzähl von unseren Angelausflug aber sag nichts von dem Nudelsieb.
Tine ist verdutzt. „Warum denn nicht, Opa, was ist mit dem Sieb?“
„Weil es das aus dem Küchenschrank ist“, zwinkert Opa ihr zu. „Es ist noch in Gebrauch. Aber jetzt ist es ja wieder sauber, ich meine, sie muss nicht alles wissen, oder?“
Wie verschwörerisch nickt Tine: „Nein, sie muss nicht alles wissen. Das ist unser Geheimnis, Opa!“

Beim Abendessen gibt es kaltes Kotelett und Leberwurst auf Schwarzbrot. Tine lässt es sich schmecken und ist fast mehr, als in den Bauch hinein passt.
Opa steckt ihr immer wieder ein Stück Wurst zu, so dass Oma es nicht mitbekommt. Sie ist immer sehr sparsam mit den Lebensmitteln.
Ab und zu werfen sich Opa und Tine verschmitze Blicke zu.
„Was ihr nur wieder angestellt habt“, lacht Oma, „ich will es gar nicht wissen“
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Alt 09.09.2010, 21:54   #2
Thing
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Halli Hallo, Lux -

eine sehr nette Geschichte, ansprechend erzählt, ganz ohne Schnickschnack und Firlefanz.

LG

Thing
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Alt 09.09.2010, 21:58   #3
weiblich Lux
 
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Hey Thing,

schön, dass es dir gefällt! Keine Kritik oder Verbesserungswünsche? Brauch ich nämlich, falls nötig. Ist nur eine von einigen Geschichten, die vielleicht mal ein kleines Kinderbüchlein füllen sollen. Und das hier ist quasi die Rohform.

Liebe Grüße
Lux
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Alt 10.09.2010, 07:49   #4
Thing
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Halli Hallo, Lux!

Was bringt Dich auf den Gedanken, daß ich immer was zu mäkeln hätte?
Ich habe zwar, wenn ich mich recht erinnere, ein Tippfehlerchen erspäht, aber das fällt nicht ins Gewicht.


Thing
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Alt 10.09.2010, 08:29   #5
weiblich Ex-Sabi de Sombre
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deine kurzgeschichte, lux, ist charmant und kindgerecht erzählt.

lese noch einmal drüber, ich habe einige interpunktionsmängel gefunden.
gelegentlich fehlen buchstaben oder endungen, z.b:

der Opa ist kein D-Zug
Der Nachmittag ... wird (nicht wirt)
sagt Opa
die Fahrt

bei dem ausdruck "zu Abend essen", lux, kam ich ins grübeln. sprechen kleinere kinder schon so korrekt? "Darf ich heute bei euch Abendbrot essen", fänd ich passender.

die wörtliche rede vom opa und tine wurde von dir nicht durchweg eingehalten, auch da guck noch mal genauer hin.

dieses "tja, ja, ja, ja" vom opa finde ich sehr lustig, das ist ein liebevolles detail.

gern gelesen.

lg sabi
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Alt 10.09.2010, 09:12   #6
weiblich Lux
 
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Danke fürs Feedback, Sabi. Ich habe die Geschichte auf dem Laptop geschrieben und da tauchen leider einige Fehler auf.
Die Sache mit dem Abendbrot überlege ich auch noch mal.


Thing, nee, ich mein ja gar nicht, dass du immer was zu mäkeln hast, ich wollte bloß noch mal nachhaken, weil ich bei Geschichten immer sehr selbstkritisch bin und es mir wichtig war, wie andere Leute den Text empfinden.

LG
Lux
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Alt 11.09.2010, 07:38   #7
weiblich Ilka-Maria
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Liebe Lux,

da Du mich dazu aufgefordert hast, habe ich Deine Geschichte gelesen. Sie ist flüssig erzählt, hält die Aufmerksamkeit wach (sehr wichtig!), ist sprachlich schlicht und erfrischend, aber nicht banal. Soweit gut gemacht!

Was die Details angeht, hätte ich drei Kleinigkeiten anzumerken:

Zitat:
Es ist Tine, die auch heute so gar nichts von ausgiebiger Mittagsruhe hält und voller Tatendrang auf Opas Gesellschaft hofft.
Das klingt nicht elegant, und es bedarf nicht der Wendung "es ist ...", um eine Person in eine Geschichte einzuführen. Meines Erachtens wäre es besser zu schreiben: "Tine hält nämlich gar nichts von ausgiebiger Mittagsruhe ...".

"Fritz's" - oh weh! Was hat das englische Genitiv-"s" hier zu suchen? Eine Unsitte, die sich in Deutschland leider immer wohler fühlt. Entweder "Fritzens" oder einen anderen Namen wählen, z.B. Peters oder Gustavs.

Aus "kleinen" Kaulquappen werden "kleine Frösche" - eine Doppelung. Ließe sich vermeiden mit: "Fröschlein".

Liebe Grüße
Ilka-M.
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Alt 11.09.2010, 21:59   #8
weiblich Lux
 
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Hey Ilka-Maria, danke für das Feedback!
Oh weh... das mit dem Genitiv-S ist ja peinlich!
Ich werde deine Anmerkungen, so wie die anderen, umsetzen, vielen Dank dass du es gelesen hast.

LG
Lux
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Alt 18.10.2010, 16:27   #9
weiblich Lux
 
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Hallo zusammen,

ich danke euch nochmal fürs Feedback für Kindergeschichte Nummer Eins, ihr habt mir sehr geholfen! Die Änderungen habe ich in meine Datei eingearbeitet. Sollte Bedarf bestehen, stelle ich die korregierte Version gerne noch einmal hier ein. Auch für weiteres Feeback bin ich sehr dankbar.

Hier kommt Kindergeschichte Nummer Zwei und auch hier brauche ich dringend eure Anregungen, eure Hinweise, einfach euren Senf dazu.
Ich bedanke mich im Voraus und wünsche (hoffentlich) viel Spaß beim Lesen.

Liebe Grüße und einen schönen Abend wünscht
Eure Lux



2. Bratapfel und Kartoffelfeuer


Heute Morgen ist Tine früh aufgestanden.
Es ist Herbst geworden und im alten Baumhof sind die Äpfel reif. Die mehligen roten, viele kleine Saure mit dunklen Stellen, die trotzdem lecker schmecken und große, gelbe Äpfel.
Zusammen mit der kleinen Schwester Caro ist sie mit Opa auf großer Erntetour.
Alle Äpfel müssen aufgelesen und vom Baum gepflückt, in große, nach Keller riechende Hanfsäcke gepackt und später zu Kelterei gefahren werden. Dann wird daraus herrlich süßer Apfelsaft und Apfelmost, ein Vorrat für das ganze Jahr.
Im alten Baumhof angekommen, verteilt Opa die Aufgaben:
„Carol, du sammelst alle Äpfel vom Boden auf, die sind besonders reif und süß. Hier hast du einen Eimer.
Tine, du kletterst in die Bäume und rüttelst ordentlich an den Ästen, damit die restlichen reifen Äpfel auch herunter kommen.
Caro macht sich sofort auf die Suche nach den im hohen Gras versteckten Äpfeln. „Ist wie Ostereier suchen!“, ruft sie Opa zu.
Tine klettert in den alten knorrigen Apfelbaum. Die Rinde ist rau und furchig und ein wenig klamm vom Morgennebel, aber die dicken Äste bieten Halt wie eine große Leiter.
Die Wiese, auf denen die Apfelbäume stehen, ist ziemlich abschüssig, unten im Tal, nur einen Steinwurf entfernt, liegt der Gambachsweiher, umrandet von Bäumen, die das dunkelbraune Wasser mit den untersten Ästen berühren. Im Sommer kann man hier baden gehen, auch wenn die meisten lieber das Freibad in der Nähe besuchen, denn vom vielen Lehm im Wasser, kommt man manchmal schmutziger heraus, als mein hineingestiegen ist. Sogar von ihrem Hochsitz im Apfelbaum kann Tine die die welligen Kreise auf der sonst glatten Oberfläche des Gewässers erkennen. Bestimmt sind das die dicken Karpfen, die die eine oder andere Mücke erhaschen.
„Tja, ja, ja, ja, ja“, tönt es auf einmal von unten, „Träumerle, die Äpfel sollst du ernten, nicht Löcher in die Luft gucken“. Opa hält eine sehr lange Stange in den Händen. An einem Ende ist ein Leinensack befestigt und oben drauf sind Metallkronen.
„Was ist das den für ein komisches Ding?“, ruft Tine Opa zu. Der antwortet: „Ein Apfelpflücker, damit streift man auch die letzten Früchte von den obersten Ästen“.
Tine klettert jetzt höher ins Geäst des alten Baumes und beginnt kräftig zu rütteln und zu schütteln. Bald regnen viele goldgelbe Äpfel auf die Wiese, „plopp, plopp, plopp, plopp... Auuuaaa“
Was war das? Tine schaut verwundert nach unten. Caro reibt sich verärgert den Kopf. „Du hast mich getroffen, das war Absicht! Schon rinnen Tränen die kleinen Wangen hinab. Caro lässt sich laut schluchzend mitten ins Gras plumpsen.
Schon eilt Opa herbei: „Tja, ja, ja, na, na, so etwas kann schon einmal vorkommen, zeig mir mal die Stelle wo es weh tut.“ Er lächelt tröstend und streichelt Caros Kopf mit seinen großen Opa-Händen. Caro schluchzt nun etwas leiser.
Inzwischen ist Tine vom Baum geklettert und ist sehr besorgt. Das war doch keine Absicht!
„Lass mich pusten, ja? Ich hab dich gar nicht gesehen durch die vielen Äste.“, bittet Sie die kleine Schwester.
Da hat Opa hat eine tolle Idee:
So ihr beiden macht jetzt erst mal diesen Sack hier noch voll mit Äpfeln, und dann machen wir eine kleine Pause. Wenn ihr wollt, könnt ihr dann die Pferde vom Nachbarn besuchen. Die freuen sich ganz bestimmt über einen mitgebrachten Apfel. „Au jaaaa“, freuen sich die Schwestern. Caro schluckt die letzten Tränen hinunter und hat die Beule am Kopf schon fast wieder vergessen.
Schnell ist der Sack mit Äpfeln prall gefüllt. Jetzt geht’s zu den Pferden.

Auf der Wiese stehen ein Brauner und ein Rappe. Neugierig beugen sie ihre Hälse über den Zaun und prusten mit ihren warmen Nüstern.
Die Pferdenase sind ganz toll weich, findet Tine, während sie sanft darüber streichelt.
Der Braune ist ein bisschen frech und stupft Caro mit seinen großen Kopf an. Bestimmt hat er die Äpfel in den Taschen gerochen.
Verschreckt versteckt sich Caro hinter Ihrer großen Schwester. „Der will mich beißen!“ flüstert sie.
„Du brauchst keine Angst zu haben“ beruhigt sie Tine. Der will nur was Leckeres. Schau her.“ Tine zeigt Caro, wie man den Apfel auf die ganz flache Hand legt. „Siehst du, er nimmt den Apfel ganz vorsichtig nur mit den Lippen.“
Gemeinsam probieren sie es, Tine hält Caros Hand. „Hihihi, das kitzelt vielleicht!“ kichert Caro.
Bald sind alle mitgebrachten Äpfel verfüttert. Die beiden Pferde schmatzen genüsslich.
Auf der Obstwiese sieht man Opa winken. „Los, ihr Rabauken, weiter geht’s!“

Mittags kommt Papa mit dem Auto vorbei, um die vollen Säcke abzuholen und in die Kelterei zu bringen.
„Ihr seid aber fleißige Erntehelfer“ staunt er! Er hat auch belegte Brote, Mettwürste und süße Limonade mitgebracht. „Eine zünftige Vesper“, findet Opa.

Den ganzen Tag verbringen Opa, Caro und Tine im alten Baumhof. Als es Abend wird, kriechen Nebelschwaden herauf vom dunklen Wasser des Gambachsweiher, und es wird merklich kühler im Freien.
Opa hat eine tolle Idee: „Was haltet ihr von einem richtigen Lagerfeuer? Auf der Feuerstelle stapelt sich das Holz vom letzten Heckenschnitt, das können wir dafür hernehmen. Ich habe Kartoffeln mitgebracht, in der Glut gebacken schmecken die herrlich.“
„Oh-ja!“, die beiden Schwestern sind begeistert, „Und als Nachtisch gibt es Bratäpfel!“ entscheidet Tine.
Es dauert nicht lange und die Drei sitzen auf den vollen Apfelsäcken um ein hell loderndes Feuer. Opa legt Tine und Caro eine dicke Decke um die Schultern und wickelt dann die Kartoffeln in mitgebrachte Alufolien ein.
Hoch fliegen die glühenden Funken in den Abendhimmel, der sich langsam rot färbt und in den Apfelbäumen zwitschern die Abendvögel.
„Die Kartoffeln müssen mit einem Stock tief unten in die Glut geschoben werden“ erklärt Opa, „denn dort ist es am heißesten.“
Tine mahnt: “Vergiss die Äpfel nicht!“
Das Feuer knistert und knackt und den Erntehelfern wird es wunderbar warm, besonders an den ausgestreckten Füßen.
„Als ich so alt war wie ihr jetzt“, erzählt Opa, “ da mussten im Herbst alle bei der Ernte mithelfen, auch wir Kinder. Damals waren einige der Wiesen hier noch Äcker, auf denen wir Kartoffeln und Rüben angebaut haben. Auch einige der alten Apfelbäume gab es damals schon und als Kind bin ich darauf herum geklettert.
Abends, wenn das Tagewerk getan war, gab es dann immer ein großes Feuer, in dem die verdorrten Kartoffelsträucher verbrannt wurden. Alle haben sich um die Glut versammelt um sich zu wärmen und Kartoffeln zum Abendbrot zu rösten. Die Ernte war damals sehr harte Arbeit.“
Tine stellt sich vor, wie Opa in den Apfelbäumen herum klettert und muss kichern.
„Wir haben heute aber auch sehr hart gearbeitet", findet sie.
Opa lächelt. „Tja, ja, ja, ja, ja, das habt ihr wohl. Fleißige Erntehelfer haben sich ein zünftiges Abendbrot verdient. Ich glaube, die Kartoffeln sind auch schon gut, lasst uns mal nachschauen.“ Mit dem Stock und einem Handschuh bewaffnet wird das Abendessen vorsichtig aus der Glut geholt.
Duftend und goldgelb sind die Erdfrüchte in der Hitze des Feuers gebacken. Die Geschwister wollen sich mit Heißhunger auf die Leckerei stürzen, doch Opa warnt: „Vorsicht, die sind glühend heiß! Verbrennt euch nicht die Pfoten.“
Nachdem man die Kartoffeln mit kräftigem Pusten etwas abgekühlt hat, schmecken sie ganz herrlich und wärmen den Bauch noch von innen. Besonders lecker findet Tine die Bratäpfel, die im Feuer weich und zuckersüß geworden sind.
Satt und zufrieden kuscheln sich Tine und Caro in die Decke und lauschen den spannenden Geschichten von Früher, als Opa noch ein Kind und alles ganz anders heute war. Davon kann er besonders viele erzählen.
Als Caro laut gähnen muss mahnt Opa zum Aufbruch. Auch Tine reibt sich schläfrig die Augen. So ein Erntetag macht müde.
Auf der Heimfahrt in Opas rumpelnden Auto freut sie sich auf ihr warmes Bett. „Das war ein toller Tag, Opa! Das machen wir bald wieder, ja?“ “ Tja, ja, ja, ja, ja, nächstes Wochenende sind die restlichen Apfelbäume dran, da gibt’s noch genug für euch kleine Rabauken zu tun.“, beruhig Opa sie. Caro hat sich auf der Rückbank zusammen gerollt und träumt bereits, vielleicht von Pferden, Äpfeln und Kartoffelfeuern.
Lux ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.10.2010, 17:06   #10
männlich Kiros
 
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Bin grad bei meinen Eltern zu Besuch und lese deinen Text. Find ihn schön schlicht aber nicht fad geschrieben. Spricht mich inhaltlich natürlich nur begrenzt an, was nicht bedeutet es gefällt mir nicht.

Meine Meinung sollte dich sowieso nicht so stark interessieren - hab ich hier doch einen Kritiker der viel ernster genommen werden sollte!
Mein kleiner Bruder ( 9 Jahre) meinte: Ich find die Geschichte "cool"!...wann macht Mama mal wieder Apfelmus?!

Er hat beide Teile nicht nur gespannt gelesen sondern auch verinnerlicht und sich reinversetzt...zum einen hat er nach dem Lesen gefragt, was ein Rappe ist und zum anderen hat er mir erzählt, dass er sich vor ein paar wochen die Zunge verbrannt hat, als die Oma Apfelmus selber gekocht hat...

Also Kinder scheint die Geschichte sehr anzusprechen!
Kiros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.10.2010, 17:15   #11
weiblich Lux
 
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Hi Kiros,

vielen, vielen Dank für dein Feedback und noch viel größeren Dank für den kleinen Feldtest am lebenden Objekt!
Ich freue mich wirklich sehr, dass dein Bruder Gefallen an der Geschichte finden und sich sogar hineinversetzen konnte. Ehrlich, ich sitze hier mit nem richtig fetten Grinsen :-)
Also dank dem Lütten auch mal von mir und sorry an die Mutter, die jetzt wohl mühevoll Apfelmus kochen muss ;-)

Viele liebe Grüße
Lux
Lux ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.10.2010, 18:16   #12
männlich Kiros
 
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Bittesehr!

Sollte sie Apfelmus wirklich kochen wärs mir nicht ganz unrecht...mein Mitleid hält sich in Grenzen *fg*
Kiros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2010, 09:48   #13
Thing
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Liebe Lux,

noch bin ich nicht dran...

Aber ich an Deiner Stelle hätte die zweite Episode separat eingestellt.
Eventuell unter dem Titel

Ferien mit Opa II.

Vorerst liebe Grüße
von
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2010, 10:34   #14
weiblich Lux
 
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Hi Thing,

danke fürs Mühe machen.
Ja, vielleicht hätte ich das tun sollen, aber die Geschichten gehören ja zusammen, sollen vielleicht mal ein kleines Kinderbuch ergeben, wenn sie wirklich gut genug sind. (Weitere sind in Arbeit.)
Na ja, ändern kann ichs nicht mehr.

Ich warte dann mal gespannt.

Liebe Grüße von
Lux
Lux ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2010, 13:26   #15
männlich Kiros
 
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lux lux lux...und ich dachte ich kann schonmal den welltbekannten neunjährigen Kritiker vor den Monitor locken!
Kiros ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.10.2010, 13:33   #16
weiblich Lux
 
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Sorry.. ich sag Bescheid, wenn ich was Neues für ihn habe :-)
Lux ist offline   Mit Zitat antworten
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