Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 01.03.2007, 17:10   #1
Smaointe
 
Dabei seit: 02/2007
Beiträge: 61


Standard Janet

Okay, das ist fies.

Janet

Der Gärtner wusste von all dem nichts.
Es war sieben Uhr morgens als er das nackte Mädchen neben dem Tor im Schnee fand. Er war auf dem Weg in die Stadt, um für sich und seine Frau einzukaufen, vierundfünfzig Jahre alt und bekam einen Schrecken, denn das Mädchen war tot.
Ratlos trat er näher und sah auf sie hinab. Er kannte sie, es war ein Dienstmädchen der Lady, Janet genannt. Wenn er sich richtig erinnerte, dann war sie siebzehn Jahre alt gewesen. Zu jung, um zu sterben. Er sah sich um und ging dann rasch zum Haus zurück, um es seiner Frau zu berichten.

Richard stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite, lehnte an einem Torpfosten und rauchte, während er dem Gärtner zusah. Richard McGullory, achtundzwanzig Jahre alt und der Liebhaber der Lady. Zumindest war er das bis gestern Abend gewesen. Er knirschte mit den Zähnen und spuckte in den Schnee.
Normalerweise war er nicht so leicht aufzuregen. Die Frauen liebten ihn und sie waren sein Metier. Er hatte mehr Zeit im Bett mit ihnen als bei romantischen Dinners verbracht und er wusste, wie er sie so lange quälte, bis sie ihm gaben, was er wollte. Aber die Lady war launisch, eigen und streitlustig, und gestern Abend war ihm dann der Kragen geplatzt. Er hatte sie angeschrieen, mit der Bettdecke nach ihr geworfen und drei chinesische Vasen zertrümmert. Er war wirklich wütend gewesen.
Sie übrigens auch. Sie hatte ihn aus ihrem Bett geworfen, sich die Perlenkette, die er ihr geschenkt hatte, vom Hals gerissen und sich hysterisch schluchzend in der Toilette eingeschlossen. Kein Klopfen und Rufen hatte sie hinauslocken können. Er war zurück in ihr Schlafzimmer gegangen, hatte die Scherben zusammengekehrt und die Perlen aufgelesen und alles in den Müllschlucker geworfen. Dann war er gegangen.
Richard warf die halb aufgerauchte Zigarette fort und zündete sich eine neue an. Draußen war er Janet begegnet. Janet mochte ihn (alle Frauen mochten ihn) und sofort war ihm in seinem Racherausch eine Idee gekommen. Er konnte Jennifer einschüchtern. Es war leicht gewesen. Fast ein bisschen zu leicht. Inzwischen glaubte er fest daran, dass Janet an Geistesverwirrung litt. Nachdem er ihr „versehentlich“ die Halsschlagader mit seiner Armbanduhr aufgeschlitzt hatte, war er zurück in Richtung Haus verschwunden, um „einen Arzt und Hilfe“ zu holen. Ihr hatte er gesagt, dass sie warten solle, bis er zurückkäme. Unangenehm war nur gewesen, dass er durch die Gärten nach Hause gehen musste. An einem Zaun hatte er sich seine Hose aufgerissen, eine ziemlich teure Hose, die er erst vor einem Monat gekauft hatte. Ein Grund mehr, um auf Lady Jennifer wütend zu sein. Warum war sie eigentlich eine Lady? Sie war doch bloß reich.
Richard warf die Zigarette fort, schob die Hände in die Hosentaschen und schüttelte sich. Er wusste nicht, warum der Gärtner dort so lange herumstand. Im Grunde mochte er Janet, aber sie hätte sowieso kein Geld gehabt, um ihn zu bezahlen. Jennifer schon. Er würde ihr eine Rechnung schicken, aber keine Visitenkarte. Für ihn war es vorbei, da konnte sie nichts mehr dran ändern.
Endlich. Der Gärtner drehte sich um und stapfte schwerfällig zum Haus zurück. Richard klopfte sich ein bisschen Zigarettenasche von seinem blütenweißen Jackett, dann warf er absichtlich einen hochmütigen Blick in Richtung des Schlafzimmerfensters.
Jennifer, Jennifer, in deinem weißen Haus, dachte er, Pass auf dich auf, mich siehst du nie wieder.
Dann drehte er sich um und ging zurück zu seinem Auto.

Richard, Richard, du Satansbrut, du Hure, dachte sie, während sie oben hinter der Gardine stand und die Finger in den hellblauen Stoff krallte, geh du nur, mir entkommst du nicht.
Sie war wütend. Ihre Fingernägel waren eingerissen und das hasste sie. Sie hatte alles gesehen. Sie hatte ihn noch mehr verabscheut. Weil das Blut aus Janets Wunde nicht ausreichte, hatte sie sich selber in die Hand schneiden müssen. Der Verband störte und irritierte sie. Janets Kleider hatte sie vor dem Kücheneingang verstreut. Der Geruch des Blutes klebte immer noch an ihren Fingern und sie schauderte, wenn sie daran dachte, wie kalt die Schenkel des Mädchens gewesen waren, nachdem sie beinahe vier Stunden dort draußen im Schnee gelegen hatte. Sie hatte nicht einmal ihre Diener um Hilfe bitten können.
Aber nun hatte sie die Schlinge um Richards Hals gelegt. Der Mörder eines Dienstmädchens mochte entkommen, aber kein Vergewaltiger.

Wie gesagt – der Gärtner wusste von all dem nichts.
Smaointe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.03.2007, 18:35   #2
weiblich Ex Darkskin
abgemeldet
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 901


Standard RE: Janet

Zitat:
Original von Smaointe
und drei chinesische Vasen zertrümmert.
Nee, also sowas macht man ja nun wirklich nicht 8o

Liebe Smaointe,

deine Geschichte hat alles: Spannung, Mord und Totschlag, Sex, Intrigen - was will man mehr?
Auch die Sprache gefällt und macht Lust auf mehr.
Was mich irritiert, das beide Namen mit J beginnen. Ich weiss nicht warum, es ist nicht falsch, es hat mich nur irgendwie irritiert.
Warum weiss ich nicht. Aber der Gärtner weiss ja auch nichts

Mir hat dein Text sehr gut gefallen, grosses Kompliment von mir )

http://home.vrweb.de/corazon/images/s11.jpg
Ex Darkskin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.03.2007, 21:32   #3
Smaointe
 
Dabei seit: 02/2007
Beiträge: 61


Danke )
Ich habe immer das Gefühl "Waaaaah, grottenschlecht & viel zu konstruiert" (letzteres stammt aus dem Mund meiner Deutschlehrerin), da freue ich mich über diesen positiven Kommentar ) )

Ich weiß, "Janet" und "Jennifer", das nervt mich selbst auch irgendwie, aber als in Musik saß, fiel mir für die Lady nichts besseres ein ... vielleicht änder ich es nochmal.

"Der Gärtner" war nur so ein Jux von meinem Cousin, aber er hat mein Leben im Nachhinein geprägt ...

SmAoInTe

ps: Ach ja, die Vasen, das tut mir schrecklich leid.
Smaointe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2007, 10:53   #4
Martinerf
 
Dabei seit: 02/2007
Beiträge: 10


Standard RE: Janet

Ich glaub dass bin ich dir schuldig für deine kekse ;D

Also fang ich mal an

Also, deine Geschichte ist richtig gut geschreibselt und sie hat spannung und Mord was schonmal das wichtigste ist
Nein ehrlich deine Schreibweiser hat ebenfalls etwas was mir besonders auffällt aber possitiv versteht sich

Wenn ich schulnoten geben würde 6+ xD nein 1

MfG
Martinerf
Martinerf ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2007, 15:41   #5
Smaointe
 
Dabei seit: 02/2007
Beiträge: 61


Danke ... die 6+ nehme ich natürlich gerne ...

Aber ich feue mich, dass es schon der zweiten Person gefällt!

[Wink mit dem Zaunspfahl - ich will Kritik!]

Smaointe
Smaointe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2007, 17:12   #6
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo Smaointe,

Kritik kann ich Dir gerne geben.
Vorallem sind mir ein paar sprachliche Dinge aufgefallen.

Zitat:
Es war sieben Uhr morgens als er das nackte Mädchen neben dem Tor im Schnee fand und er war auf dem Weg in die Stadt, um für sich und seine Frau einzukaufen.
Die logische Verknüpfung mit "und" verstehe ich hier nicht, hat meines Erachtens keinen Sinn. Würde stattdessen einen Punkt setzen oder ganz anders formulieren: "Er war gerade auf dem Weg in die Stadt, als er das nackte Mädchen fand..." Der darauffolgende Satz fängt dann leider auch mit "Er war" an.

Zitat:
Er war vierundfünfzig Jahre alt und bekam einen Schrecken.
Auch hier: Was hat sein Alter damit zu tun, dass er einen Schrecken bekam? Gar nichts. Also warum das "und"?

Zitat:
auf der Toilette eingeschlossen
Ganz sicher meinst Du "in der Toilette".

Zitat:
Inzwischen glaubte er fest daran, dass Janet an Geistesverwirrung litt.
Warum?

Der Inhalt ist gar nicht so einfach, er erschließt sich nicht beim ersten Lesen. Fast die ganze Geschichte besteht nur aus Rückblicken und hat darum das Problem, dass sich die Verwendung von "hatte" und "war" im Plusquamperfekt schwer vermeiden lassen. Aber auch in den Teilen der Geschichte, die im Präteritum stehen, kommt das "war" viel zu häufig vor. Die Einrahmung durch den Gärtner ist irgendwie lustig.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2007, 20:56   #7
Smaointe
 
Dabei seit: 02/2007
Beiträge: 61


Juhuuuuuu! Einer hat was auszusetzen! Danke, Igel ...

Okay. Erstmal die Punkte, in denen ich dir zustimme: "in der Toilette", ja, sicher ... hab's geändert ...

Bei dem "und" stimme ich dir insofern zu, dass es nichts mit dem Vorhergehenden zu tun hat. Gerade deswegen ein "und". Da es zweimal hintereinander kommt, würde ich sagen, es ist nicht schwer zu verstehen, dass es gewollt ist - das "und" erfüllt hier nur den Zweck einer Aufzählung, nichts weiter.

Das mit dem "er war" kann ich schwer beurteilen, weil ich es noch nicht laut gelesen habe, aber wenn du unbedingt willst, ändere ich es. Mir fiel es eher weniger als störend auf.

Und das mit der Geistesverwirrung. Das ist sicher überhaupt nicht fair, aber Richard ist ja allgemein nicht fair. Ich denke, er gibt Janet an diesem Punkt die Schuld für ihren Tod, weil sie ja nicht "ihren gesunden Menschenverstand benutzt und selbst um Hilfe gerufen hat". (ICH teile diese Ansicht nicht!) Er denkt ja auch, dass sie daran "leidet", also scheint er noch gar nicht begriffen zu haben, dass sie wirklich tot ist. Wahrscheinlich hat er irgendwo in seinem egoistischen Selbst noch angenommen, dass sie ihm doch nicht so blind vertrauen würde, oder er hat es vielleicht sogar gehofft. Und nun verbietet ihm sein Egoismus, seine Schuldgefühle zuzulassen. Ist das plausibel ...?

Mir war nicht klar, dass die Geschichte so hart ist ... Ich meine jetzt, vom Verständnis her ... aber an die Rückblicke wirst du dich bei mir gewöhnen müssen, ich LIEBE es, die Dinge durch eine einfache Rückblende total auf den Kopf zu stellen und die Rollen neu zu verteilen ... Der Gärtner ist meine Lieblingsfigur

Vielen Dank für deine Kritik! Das liest man auch mal gerne!

Liebe Grüße, Smaointe
Smaointe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2007, 21:04   #8
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Das ist das erste Mal, dass sich jemand über meine Kritik so sehr freut.

Zitat:
Ist das plausibel ...?
Ja, das ist es. Aber vielleicht wäre es eine Anregung, das auch im Text deutlicher zu machen, da man normalerweise nicht den Autor für etwaige Fragen parat hat.

Ach, "hart" würde ich Deine Geschichte nicht nennen. Man muss sie nur zweimal lesen, finde ich. Das ist aber keineswegs ein Nachteil.

Ja, "er war" stört mich sehr. Aber was heißt "wenn Du es unbedingt willst". Ich will gar nichts unbedingt. Was Du mit meiner Kritik anfängst, ist ganz allein Dein Bier.

Liebe Grüße!
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.03.2007, 15:09   #9
Smaointe
 
Dabei seit: 02/2007
Beiträge: 61


Okay, ich denke mir was für das "er war" aus. Du hast recht, das mit der Geistesverwirrung sollte ich näher erklären ... aber ich will das dieses Jahr im Jahrbuch veröffentlichen und mir fiel nichts anderes mehr ein, als irgendwas gegen den guten Ruf und voller Unklarheiten zu schreiben, damit mich endlich mal jemand darauf anspricht ... arrgh. Unsere Schule, weißt du.

Wieso sollte ich mich nicht freuen? Es gibt doch wohl nichts nervigeres, als immer nur ein, zwei Sätze unter dem "Werk" zu sehen, oder gar nichts! Außerdem zeigt das ja, dass du dich mit meinem Text beschäftigt hast ) Und das will wohl jeder Autor ... nochmal dankeee!

Liebste Grüße von deiner Smaointe
Smaointe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.03.2007, 17:41   #10
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Zitat:
Wieso sollte ich mich nicht freuen? Es gibt doch wohl nichts nervigeres, als immer nur ein, zwei Sätze unter dem "Werk" zu sehen, oder gar nichts!
Sehe ich auch so! Aber leider legen die meisten Autoren mehr Wert auf Lobe als auf konstruktive Kritik.

Wir lesen uns.
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2007, 18:13   #11
Smaointe
 
Dabei seit: 02/2007
Beiträge: 61


So, ich hab's geändert, aber so richtig zufrieden bin ich nicht ... Helft mir mal ...
Smaointe ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Janet




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.