Wie ein Wind

[Doris]

Wie ein Wind

Zart und streichelnd, mild – ein Kind
Leicht und lau – der Frühlingswind
Kitzelt Knospen, schlafend noch,
flüstert leis: Erwachet doch!
Weht verspielt vom Strauch zum Baum
Streichelt sanft, ich spür ihn kaum.
Küsst die Wiese zart und lacht,
schickt den Winter zur gut´Nacht.

Heiß, begehrend, stolz – die Frau
Sommerwind weht durch die Au.
Küsst die Rosen, küsst so warm
Sinnlich blickend – ohne Scham.
Weht verlangend durch den Tag
Erhitzt die Haut, ich ihm erlag.
Brennt die Halme heiß wie Glut
Umarmt die Herzen und das Blut.

Wild und tobend, rauh – ein Mann
Herbstwind stürmt mit Macht heran
Unsensibel packt er Pflanzen
Lässt die welken Blüten tanzen.
Haut den Baum, schlägt wie er kann,
droht mit Kälte, brüllt mich an.
Klatscht an Wangen bös und grob
Blickt verächtlich: „It´s my job!“

Klar, entschlossen, eisig, hart
Winterwind, der Greis mit Bart
Weht so leer und unzufrieden,
keine Blumen sind geblieben.
Weht mit eisigem Entschluss
Gibt dem Herbst den Todeskuss.
Steht mehr umher als dass er weht.
Er weiß, für ihn ist es zu spät.



Doris Renner / 11 / 2001