Dichten

[Sternkind]

Ich bekam kürzlich einen Hinweis und möchte gern antworten. Der Inhalt lautete; kurzgefasst: "Dichten kommt von verdichten".

Diesen Hinweis auf Hemingways Werk "Gefährlicher Sommer" angewandt hätte folgendes Ergebnis:

"Ich reiste durch Spanien, den Matadoren hinterher und erfreute mich daran, wie Stier und Mensch sich zerrissen."

Nein, "dichten" kommt nicht von "verdichten"; es kommt von tihten oder dihton und bedeutet soviel wie niederschreiben, verfassen.

Die Kunst besteht darin, aus einem Satz eine ganze Welt zu erschaffen und aus der ganzen Welt einen einzigen Satz.

[Ilka-Maria]

Das Thema wurde kürzlich ausführlich in diesem Faden behandelt:
https://www.poetry.de/showthread.php...ten#post480261, #19 - 21.

Dies nur zur Info.

[Heinz]

Liebes Sternkind,
Ilka-Maria hat recht. Und ich gebe Dir recht.
Es wird soviel Blödsinn geschrieben, da kann es nicht schaden, wenn jemand wie Du eine wahre Bemerkung wiederholt.
Ich habe nichts gegen das Weglassen überflüssiger Worte, das Streichen von Füllwörtern, bin aber ein strikter Gegner der Forderung, der Dichter müsse verdichten.
Du hast mindestens einen Mitstreiter.
Liebe Grüße,
Heinz

[Ilka-Maria]

Zitat von Heinz

Ilka-Maria hat recht.

Nicht ganz.

Der Spruch "Dichten kommt von Verdichten" ist wohl als Oberlehrer-Merkspruch entstanden, um den Schülern beizubringen, worum es beim Dichten von Lyrik geht, nämlich nicht ausschweifig zu werden, sondern beim Wesentlichen zu bleiben. Wörtlich nehmen darf man ihn also nicht.

Richtig müsste es heißen: "Das Wesen der Lyrik ist, mit nicht mehr als den notwendigen Worten so viel über den Gegenstand des Gedichts auszusagen, dass der Leser ihn in seinem vollen Umfang und in seiner ganzen Tiefe empfinden kann."

Überflüssiges zu streichen gilt allerdings für jede Literaturgattung. Der Befehl der Lektoren "Kill your darlings" ist der große Schmerz fast aller Autoren.

LG
Ilka