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Alt 01.06.2006, 17:34   #1
LifeIsLike
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 4


Standard Gefühllose Welten II- Warum der Mensch seine Kreativität verliert

Gefühllose Welten II. - Warum der Mensch seine Kreativität verliert

Verzweifelt saß ich an meinem Schreibtisch und starrte das weiße, vor mir liegende Blatt an. Nichts war auf diesem zu sehen. Weder ein zaghafter Versuch einer Bleistiftskizze, noch ein Pinselstrich. Ich hatte den gesamten Nachmittag starrend hier gesessen und mir über mein nächstes Kunstwerk Gedanken gemacht, doch kam ich zu keinem Ergebnis.
Meine Hände, die ich gegen mein Kinn gestützt hatte, begangen zu zittern. Doch konnte ich nicht sagen warum. Sie bewegten sich in schnellen Bewegungen hin und her und jeder einzelne Versuch von mir sie aufzuhalten scheiterte.
Trübsinnig schloss ich meine Augen. Warum konnte ich nicht mehr malen? Ich stellte mir diese Frage nun schon zum hundertsten Mal, doch immer noch hoffte ich eine Antwort zu finden.
Jedoch schien es so auf Anhieb keine zu geben. Mir blieb nichts Anderes übrig, als solange zu suchen, bis ich sie erkannte.
Vor meinem inneren Auge baute sich ein Schema auf, dass schon mein Professor an der Universität gerne benutzt hatte.
„Wenn ihr irgendwann einmal vor eurem Schreibtisch sitzt und nicht mehr weiter wisst. Wenn ihr schon stundenlang auf ein weißes Blatt starrt, müsst ihr euch dieses Schema vor Augen führen. Es wird euch helfen den richtigen Weg zu finden!“, hatte der greise Mann immer gepredigt. Ich war damals nicht gerade seine beste Schülerin gewesen, doch mochte ich den Mann schon immer. Er hatte mir geholfen, als meine Ausarbeitung eines Berges nicht detailliert genug war und gab mir viele zusätzliche Tipps.
Vielleicht hatten mir gerade diese Tipps dazu verholfen nun schon seit über einem halben Jahr malen zu können, ohne eine Krise gehabt zu haben. Doch waren sie nun wie aus meinem Gedächtnis verschwunden und einzig und allein fünf Stichpunkte waren mir ein Begriff.
Wir Studenten und der Professor hatten sie damals im ersten Semester ausgearbeitet. Sie sollten uns helfen bei Problemen, Ideen, die wir nicht verarbeiten konnten und Krisen, so wie ich sie jetzt hatte.
Der erste dieser fünf Punkte war ganz simpel. Er lautete „Ausgeschlafen?“ und ihm wollte ich eigentlich keine große Bedeutung schenken. Doch als ich die Stimme des Mannes in meinem Kopf hören konnte, die in einem ernsten Ton predigte, wie wichtig es für einen Künstler sei, ausgeschlafen zu sein, wurde mir klar, dass ich es nicht war.
Aber ich hatte keine andere Wahl. Mein Arbeitgeber wartete schon länger als eine Woche auf dieses Kunststück und wenn ich mich nun hinlegen würde um zu schlafen, bekäme ich es niemals fertig.
Der zweite Punkt hörte sich schon viel interessanter an. „Ist deine Arbeitsatmosphäre gut?“
Aufmerksam ließ ich meinen Blick durch das dunkle Zimmer schweifen. Nein, meine Arbeitsatmosphäre war weniger als gut. Sie war eher sehr miserabel um ehrlich zu sein.
Das geschlossene Fenster war mit einem zugezogenen Vorhang behangen. Das Sonnenlicht hatte gar keine Chancen hier herein zu kommen. Die verqualmte Luft machte mir deutlich wie wichtig es nach zwei Schachteln Zigaretten war die Fenster zu öffnen und das rote Licht meiner Schreibtischlampe strahlte mir ins Gesicht.
Ich stand kurz entschlossen auf und zog die Vorhänge meines Fensters zurück. Das Tageslicht begann in mein kleines Arbeitszimmer zu fluten. Mein Blick richtete sich nach draußen. Die Vögel sangen mit lauten Gezwitscher und erfreuten mich für einen kurzen Moment. Doch als mein Blick dann auf die vielen Autos auf der Straße fielen, überkam mich wieder die Traurigkeit. Warum mussten diese arbeitswürigen Menschen, die Welt verschmutzen, weil sie unbedingt schneller an ihr Ziel kommen wollten? Die Welt, sie war so unglaublich schön, zeigte so viele besondere Seiten, die man festhalten konnte, die ich festhalten wollte.
Mit einer Handbewegung öffnete ich das Fenster. Frische Luft, so wie es mein Zimmer lange nicht mehr gesehen hatte, strömte hinein und ich konnte nicht anders als einmal tief durchzuatmen. Ja, es gab für mich eigentlich keine andere Wahl. Ich wollte diese schönen Seiten der Welt festhalten. Meine Bilder sollten dazu dienen der nächsten und übernächsten Generation zu zeigen, wie die Welt damals gewesen war.
Ich setzte mich wieder an meinen Schreibtisch. Es fiel mir nun um einiges leichter auf das leere Blatt zu blicken. Es war für mich nicht mehr weiß, sondern eine wunderbare, idyllische Naturszene zeichnete sich darauf ab.
Mit der linken Hand ergriff ich meinen Stift. Langsam und mit geschlossenen Augen zeichnete ich die verschiedenen Linien nach. Ich wusste genau wo welcher Stich hin musste.
Als ich den letzten Part eines Baumes gezeichnet hatte und mein Werk fast vollständig war, öffnete ich meine Augen wieder.
Doch was auf dem Papier gezeichnet war, hatte ich nicht gesehen. Es waren nicht die Blumen und Bäume, die auf einer weiten Wiese stehen und an denen sich ein Fluss entlang zog.
Nein, alles was ich gemalt hatte, spielte sich in einer Großstadt ab. Die Bäume waren da, doch standen sie nicht auf der Wiese, sondern mitten auf einer breiten Straße. Der Himmel war nicht blau und kein einziger Strahl der Sonne schien diese Natur jemals erreicht zu haben.
Zwischen alledem fuhren Autos in schnellen Tempo und verqualmten die Luft.
Es war einfach nur schrecklich. Wie hatte ich es schaffen können so eine schöne Vorstellung in ein solches Ebenbild der Welt zu zeichnen? Meine Absicht war es doch gewesen die schönen Seiten der Welt zu zeigen und allein diese Seiten.
Doch als ich zufällig meinen Blick erneut aus dem Fenster schweifen ließ, erkannte ich, dass das, was ich gemalt hatte, die Realität war.
Draußen in der Welt waren Natur und Wirtschaft gemeinsam. Keines von den beiden war allein. Zusammen bildeten sie einen wichtigen und großen Bestandteil der Welt.

Was diese junge Kunststudentin an einem ihrer Krisentage erfahren hat, ist ein heikles Thema.
Die Welt, geboren vor mehreren Millionen Jahren, bestand damals nur aus Natur. Langsam hatten sich die Lebewesen entwickelt, bis zum Menschen. Doch nun, wo diese in ihrer höchsten Form waren, entwickelten sie etwas Neues. Autos, Atomkraftwerke, Flugzeuge, all das haben die Menschen erfunden, doch mussten sie dafür einen hohen Preis zahlen.
Das Schöne, aus was die Menschen entstanden waren, wurde nun durch diese selbst vernichtet. Langsam aber stetig. Und wenn die Menschheit nicht langsam etwas dagegen tut, werden wir mit der Natur gehen und nie wieder kommen.
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