Nach dem Sterben

[Ex-Ralfchen]

Nach dem Sterben

….Es dringt aus mir, wärmt meine Haut und umspült mich. Meine Mum streichelt mich und blickt mich in High Definition an. Sie singt den kleinen Menschen in den Schlaf. Winzig meine Kinderstimme.

„Gute Nacht Mammi.“

Ich verschwimme blickwärts. Es salzt mir über die Lippen.

„Es ist zu spät Mum.“

Eine Trägheit nimmt in mir Platz, wie der Arsch einer geilen Mieze in Übergröße. Sanftes Fleisch duftet auf meinem Gesicht. Weiße Mamorwände umwölben mich und drücken steinern auf meine Lider.

„Keine Lieder mehr Mutter. Ich werde nie ein Sänger.“

„Ach Baby, du wirfst dein Talent in den Abfall.“

Ich falle ab. Der Raum wird kleiner über mir. Was sagt man vom Totwerden? Du gehst in Richtung Licht, dass am Ende der Strecke neont. Mal ehrlich: Nein. Es ist Dunkelsein, das mich umschmiegt und mich die wenigen Zeiteinheiten auf einer Grauskala - gerade noch -erkennen lässt. darunter lese ich diese verschwimmenden Glyphen aus einer fremden, wahrscheinlich zeitlosen Epoche, in der Herzen pochten.

Du warst.


***


Hier kam ich ans Ende. Meine Hand glitt vom Keyboard und ich sank zurück auf den sicherheitshalber vorbereiteten Berg von Polstern.

So - das ist also das Sterben im Rahmenwerk eines sorgfältig geplanten Suizides? Na ja nicht ganz, denn wenn man sich mordet passiert schon einiges spontan. Man kann das Zittern, das einen wimmernd berauscht, nicht unterdrücken und muss sich schon ordentlich zurecht-ruckeln um die Sache durchzuziehen. Mensch es gäbe so viele Methoden sich abzumelden. Warum hatte gerade ich eine derart fuse Misch-Masch-Sterbung durchgezogen? Und ich sage euch per Garantierung: Pentobarbital ist besser und schneller. Zumindestens schneller. Wie es erfolgreich verblichene Sterber berichten….hhhhhhhh!

Nun gut zur Sache im weiteren Ablauf, der im eigentlichen sinne auch ein Umlauf oder Verlauf sein könnte. Angeblich hat man 13 Minuten lang noch die Fähigkeit kratzende Gedanken im schneller und langsamer blutleer werdendem Gehirn rumzirkulieren zu lassen. Dann sind die Synapsen stromleer. Irgendwie komme ich mir eine wenig vor wie der rosarote Duracell-Klopfer aus dem Spot, der hastend ans Batterie-Ende spurtet…hahahahaha.

Okay! Aber welche Gedanken haben Primetime? Gute Frage wenn man nur 13 minuten – was weiß ich und wer anderer? Zeit hat – was für eine Zahl! Ob das stimmt und was danach kommt ist nun die Frage, die sich nur Neurologen aber kaum jemals Poeten gestellt haben. Ich erinnere mich noch kurz an den assistierten Suizid von meiner geliebten Frau Lucy. Am 12-12-12: vor allem ihren Eintrag in den rosa lila Kalender: 12-12-12: ab ins Universum. Hm – na dann werde ich schon bald mal-mal unblickend visionieren, ob ich sie und die Hunde irgendwo finden kann. Der nächste Spot wäre die Andromeda. Denn in unserem Sonnensystem ist kein Platz für Verblichene. War das Leben schon schwer genug. Tote erwarten was Besseres.

Komischer Synaptus. Ja.

Ok…Moment was läuft da retour. Spüre da ne Verlangsamung und das dunkler werden von Gedanken als würde man mir eine Mattglasscheibe nach der anderen vor meine Vision schieben und ich kann die Gedanken nicht mehr halten.

Die Gedanken-Worte werden Fetzen wie von er Sonne auf einem Wäscheseil durcheinandergewirbelt. Nur ohne Sonne eben einfach Opaque. Wird es irgendwann mal Licht - wie die dumme Story der wiederkehrenden aus den Randkomas? Hm…wie soll ich das nun hier festhalten? Fühle mich wie ein Liliputaner der große Schritte machen will…Zwerge sind rund um mich und lachen mich völlig aus.:bschon ich wäre gerne eingelacht oder eingemacht wie eine cucubmer in süßer säure mit Zucker und Zitrone.

Was kann ich dazu beitragen um nicht hier zwischen den Zwergen unterzugehen?

Hey Mensch oder menschlos wie ich nun - bin irgendwiewo - wird es geil, weil ich komme mir vor wie aufm‘ Airport…hhhhhhhh… und warte dass ich hier auf nen Trip geh und es öffnet sich die Schwärze und ich sehe kaum nichts mehr und ja - Galaxien tun sich auf - und da diese Stimme, die fragt wie aus dem Lazustspreocher wie ein Auf-und Abruf: "der Sterber Ralf wird zum Ausgang 666 gebeten - bitte melden."

Hey Frau - bei wem melden? Ich bin tot oder nichtgesagt oder was. Ich will ja nur zu wissen glauben wo sie ist und vielleicht auch andere - halt ein paar wirre Bleicher abgucken…hey ich muss weg und kann mich nicht bewegen und da ist die voice wieder, die mich aufruft und ich will doch mitreisen.

Eine Reise in die Ferne. Und nein was mach ich hier noch. Das außerkörperhafte Erlebnis gibt’s nicht ich; sinke unclever ins Opaque und spüre die riesigen Flügel des schwarzsamtenen Schmetterlings. Ist er mein Flieger in die neue Todes-Suite? Welche Zimmernummer frage ich stimmlos - ohne Antwort. "Der Reiser Ralf wird ein letztes mal auf gerufen." Und ich? Stiere blindlings gegen die toten Deckel meiner Augen: what the fuck geht hier ab:

Und dann bin ich back in diesem schwarzen OP meiner Babyheit und schreie, weil man mir die Vorhaut inkriminiert. Wegen einer scheiß winzigen Problematik - und ich husche zu meiner Omi, die mir Kirschen über den Rand des Gitterbetts wirft und ich weine mich zehn Jahre weiter, als ich mutig im dunkelblauen Mäntelchen zur Schlachtbank der Mandelresektion durchziehe…und da sexy-sein wird schneller und ich onaniere el permanento, weil ich die geile Nachbarin am second floor so begehre; nur sie stinkt am ganzen Körper. Als ich dort laute Kanonenkracher im Gemeindebau explodieren lasse…hahaha. Ich + denke an ihre weiche Körperlichkeit und dann mi o mi ein Blitzlicht - was soll das?

Scheiße ich bin mit Lucy und wir saufen uns in Malibu am Privatstrand voll und ganz und die Hunde blödeln uns an…

Der gleissende Sturm weht mich in Businessclass back and forth und ich kann nicht mehr destinieren und da ist sie: die Sombrero - ich wollte immer nach Mexiko und nun…eine ganze Galaxie für mich - oh fuck..und ich sinke ab und das Signal ist nur mehr ein zartes Krähen der Cicadas, die in den Palmen in Phuket lärmten…

...und sie nimmt mich in ihre weichen Arme und ihr Kuss flüchtet in den Rest meiner Seele …

„Lucy…“

"Ja Baby da bin ich…warte Süsser - wir haben nur den Planckschen Moment, aber der genügt…um unsere ewige Liebe zu ersehen…hey…see you in a trillion trillion trillion trillion years…!

Ich liebe dich…“

„Ich liebe dich Lucy - mehr als mein Sterben….!“

Nur mehr ein Bellen…

[Jeronimo]

Das ist ein seltsamer Text von dir, lieber Ralf, facettenreich und stilverwoben, so ganz anders als die Axt, die du sonst in den Fäden hinterlässt, das ordinäre Maul wird mitunter ganz weich im Vermissen. Du überspielst deine Traurigkeit mit Zynismus, denn Sehnsucht in salzigen Worten ist Quargel, man weint gefälligst unter der Maske.
Über die dreizehn Minuten kann man trefflich streiten, denn das ist ja eine Ewigkeit, die nur Außenstehende als Zeit messen könnten, was sie aber nicht können, und man selbst hat ganz andere Sorgen, die du ja auch wunderbar beschrieben hast.
Vielleicht können wir noch von Glück sagen, wenn wir uns zumindest als ein wenig Energie ins Universum absondern können. Vielleicht schenkt uns das Gehirn im letzten Moment noch den Trost, unseren Lucys zu begegnen, bevor wir ausgeloggt werden.
Mir hat deine Reise sehr gefallen, die Sprünge von der Schnodderigkeit in die verzweifelt ersehnte Umarmung des geliebten Menschen, dieses schmerzhafte Sehnen und diese Zärtlichkeit, die man in den Händen hat und nicht weiß, wohin damit.
Eine Geschichte aus deinen Gedanken, aber auch aus deinem Herzen.
Hat auch betroffen gemacht.

Jeronimo

[Ex-Ralfchen]

Danke Jeronimo. du hast meine stimmung beim schreiben vortrefflich analysiert.

[Pfil]

Hallo Ralfchen,ich kann das nicht so analysieren und nicht so gut beschreiben wie Jeronimo, aber ich völlig von den Socken.
Gruß
Pfil

[Ex-Ralfchen]

danke Phil.

das thema hat für mich eine ganz besondere bedeutung, da ich mit dem tod in gewisser weise (wenn ich es derart billig ausdrücken darf) auf du-und-du bin; seit Lucy am 12-12-12- um genau 12 uhr mittags in der schweiz (DIGNITAS) an meiner wange verstarb.

[Pfil]

Ralfchen, das tut mir sehr leid!
Alles Gute
Pfil

[Ex-Ralfchen]

danke Phil.

nein... kein mitleid. das ist ganz klar das leben mit den wegen die wir gezwungen und ungezwungen gehen müssen - oder nicht.

[Meishere]

Hey Ralf,
ich schließe mich mal an: ein guter Text.
So dumpf 'gut' klingt, ich finde 'schön' durchaus unpassend und meine 'gut' in bester Absicht

Mir scheint dies sind tatsächlich recht private Gedanken, die du hier verarbeitest. Daher auch Danke, dass du sie mit uns teilst.

Es ist eines dieser Themen, zu denen wohl jeder Mensch andere Meinungen und Vorstellungen hat ujd gerade deswegen ist es immer wieder interessant darüber zu lesen.

LG,
Meishere

[Ex-Ralfchen]

genau so ist es MIH. und da ich eher ein extroverter bin, teile ich diese gedanken mit anderen menschen. du bist noch jung und man würde glauben, dass das thema sterben-totsein-waskommtdanach für dich eher remote ist. freue ich mich, dass du dir die mühe machtest dich durch den text zu kämpfen. die geschichte beginnt mit der story EINLEITUNG ZUM EIGENTOD oder MEINMORD...und sollte eventuell gelesen werde. ich verlinke sie hier. muss das aber erst suchen...ja siehe unten. diesen text hatte ich septmber 2011 also vor fast 4 jahren verfasst.


https://www.poetry.de/showthread.php...itung+eigentod

[Meishere]

Danke dir, Ralf
Ich werde mir deinen anderen Text jetzt auch ansehen.

Ich bin der Meinung, dass es nicht schaden kann sich früh genug mit diesem Thema auseinander zu setzen (Tod, Freitod). So entgeht man der 'Überraschung', wenn man dazu gezwungen wird.

Und es gab auch einige persönliche Erlebnisse, die mir das Thema selbst nahe gebracht haben.
Daher auch kein 'Kämpfen', sondern ein interessiertes Lesen

LG,
Meishere

[Ex-Ralfchen]

wunderbar - freut mich zu lesen.

[Meishere]

Ich bin so frei und kommentiere noch einmal direkt hier

Zusammen mit dem anderen Text ergibt sich dann ja sozusagen das komplette Bild (und es erklärt die kursive Schrift ).

Es ist wirklich bedrückend bzw. berührend zu lesen.

Und abgesehen vom Inhalt finde ich es auch wirklich gut geschrieben.

Viel mehr bleibt mir nicht zu sagen, denke ich.

LG,
Meishere

[Pfil]

Ich schließe mich noch einmal an.
Pfil

[Ex-Ralfchen]

...ja - danke euch beiden.

wenn man den ersten text aus 2011 "EINLEITUNG...." liest, kann man auch die stil-änderung erkennen. die texte meiner prosen und lyrik waren damals viel mehr von neologismen getragen, weil ich gedrängt war (als maler) bilder für die leser zu formen. da ich kein poet oder schriftsteller bin war das immer wieder sehr hilfreich. nun hatte ich diese geschichte vor ein paar tagen in wenigen minuten geschrieben. dies ist bei mir meist der fall. auch meine verse-texte baue ich sehr schnell auf und strukturiere. ähnlich ist auch die arbeit an den abstrakten gemälden (informél), da ich aus der rein gegenständllichen malerei komme und viele jahre den super(hyper)-realismus in der portraitmalerei praktizierte. ich versuche seit zwei jahren das buch das buch DIE 27 SCHRITTE - die geschichte über den leidensweg und tod meiner geliebten frau Lucy zu verfassen und gebe mir selbst immer wieder ausreden um der traurigkeit, die mich beim verfassen dieser story immer wieder überkommt, zu entgehen. dieser text ist irgendwie auch als ein einarbeiten für REAL STUFF zu sehen.

[shoshin]

Lieber Ralfchen,
Mir gefällt der Text sehr gut und wir wissen ja, dass du ein daunenweiches Herz hast ...welche Gedanken mir noch durch den Kopf gingen, will ich hier nicht sagen, weil es sehr persönlich Zeilen sind und es deine Art der Verarbeitung ist.
Lieben Gruß
shoshin

[Ex-Ralfchen]

danke wundervolle Charis - ja mein herz ist - na ja dauenweich - wenn es um das wunderbare rätsel mensch geht. für deine gedanken bin ich immer offen. dass du die nicht im thread postest ist selfexplanatory...

deiner für ...hm...mom 3528 Tage

[Thing]

Hallo, Ralf(chen) -


Du bist nicht nur in der Malerei ein großer Künstler.
Aber bei Dir vermag mich nichts mehr in Erstaunen zu versetzen.
G'horsamsten Diener


von
Thing

[Ex-Ralfchen]

danke liebes wesen - ich versuche nur meine gedanken in worte zu übersetzen, die dem leser zugang zu den bildern, die den gedanken zugrundeliegen, geben. das gelingt manchmal. in diesem fall ist es ein pseudo-autobiografisch.