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Alt 29.03.2012, 08:28   #1
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
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Beiträge: 1.747


Standard Leichte Reiter

Es gibt immer zwei Wirklichkeiten, das was geschieht und das was die Leute draus machen.

Zum Beispiel die Geschichte von den zwei Cowboys, die auszogen um Desperado zu werden, oder einfach mal hineinzuschmecken ins freie ungebundene Leben.

Sie hatten so dies und das über die Desperado Kolonien im Grenzgürtel gehört und sich ein schönes Traumgespinst zusammengeflochten im Kopf. Auf der Suche nach Freiheit, Abenteuer, Zugehörigkeit, Heimat, Liebe, Sinn und sich selbst, ließen sie sich die Haare wachsen, zogen sich schrille Klamotten über, nannten sich die „leichten Reiter“ -abgeleitet vom gängigen Spitznahmen für Frauenbeglücker-, fühlten sich unbesiegbar, kamen ziemlich unbedarft reingeritten und ritten sich immer tiefer rein.

Zuerst müssen sie mal die Erfahrung machen, dass es auch bei den Desperados oberflächliche und gedankenlose Frauenzimmer gibt, die sich nicht drum scheren, was sie in einem suchenden Cowboyherzen alles auslösen können an Verwirrung und Schmerz. I´m not responsible, weil ich damals wie heute niemanden dreinrede, aber dass böses Blut rauskommen kann bei so was war mir immer klar und hat mich von daher nicht besonders überrascht.

Noch dazu ist die Kolonie grade mal wieder völlig abgehoben, seit ein paar Apache auf dem Nachhauseweg von Mexiko und noch weiter südlich bei ihr reingeschaut und einen Haufen Kakteen dagelassen haben, plötzlich wollen alle den Weg des Mescalero einschlagen, Erleuchtung erlangen über die Abkürzung Meskalin, ist abzusehen, dass die Route in einem Sack-Canyon endet. Nicht dass ich nicht eifrig beteiligt wäre, aber wo die Reise hingehen soll und was sie mir bringt ist mir völlig gleichgültig. Es gibt dies und das zu erleben, manches, was es erst mal zu verarbeiten gilt, einen nachdenklich machen kann und die Welt mit etwas andern Augen sehen lassen, mehr ist nicht drin, wie sollte es auch anders sein und das genügt mir sowieso überallhin.

Außerdem hat jeder Gipfelsturm seinen mühsamen Abstieg, außer einem selbst hat sich im Tal natürlich überhaupt nichts verändert, dein Reisebericht klingt so unglaublich, dass niemand ihn verstehen kann und wenn du Pech hast, erklären sie dich kurzerhand für verrückt. Abgesehen davon, dass so mancher tatsächlich den Verstand verloren hat drüber. Natürlich hat sich keiner die Mühe gemacht oder es für nötig befunden, die Cowboys über mögliche Folgeerscheinungen aufzuklären und wenigstens theoretisch in die Wirkbreite einzuweihen, die beiden sind folglich derart drüber und stellen dermaßen viel bodenlosen Blödsinn an, dass sie allerhand Mühe haben damit, wieder festen Boden unter die schwebenden Füße zu bekommen.

Vom entsetzlichen Gefühl völliger Leere, das einen hinterher für ein Weilchen befällt, haben die armen Kerle natürlich auch noch nichts gehört und sind entsprechend niedergeschlagen, von Selbstzweifel geplagt und verwirrt. In dieser aufgewühlten Verfassung hat es sie dann schließlich fortgetrieben, und ich sage den beiden Suchern noch, Männer, wenn er diesen Weg einschlagt und weiterzieht, kommt ihr in eine Gegend, in der es die Leute nicht besonders mögen, wenn da einer nicht nur Bullshit in der Birne hat wie sie selber und nicht genau so bescheuert und primitiv daherkommt, also seid auf der Hut und nehmt euch in Acht, die sind unberechenbar und können durchaus gefährlich werden.

Natürlich in den Wind gesprochen, im erstbesten Saloon schon haben die beiden tragischen Helden mächtigen Ärger, weil sie sich für den Dorfsäufer stark machen, ist ja ganz edelmütig soweit, der Bursche zieht auch prompt begeistert mit ihnen weiter, nachts jedoch werden die drei Musketier von der rohen völlig verblödeten Brut des Village überfallen, die sich unbemerkt an ihre Fersen geheftet hat, und der Trunkenbold, der grade dabei ist zu sich zu kommen, wird mir nichts dir nichts im Schlaf erschlagen.

Von da ab ist der ohnehin von Anfang an flackernde Glücksstern über ihrem Ritt erloschen.
Als sie wenig später einem Transportkarren über den Weg reiten, blöd angemacht werden und entsprechend herausgeben, macht sich der bösartig rassistische Begleitkutscher einen Spaß draus, einen der beiden vom Pferd zu schießen und einfach so aus purer Mordlust abzuknallen, worauf der andere irrsinnig vor Wut und Schmerz in vollem Galopp in ihr Gespann reinprescht, die Pferde verkeilen sich ineinander, brechen aus und scheuen, der Wagen schlingert, stürzt um und überschlägt sich, begräbt die miesen Kutscher unter sich und den Cowboy gleich dazu, der von nun an Desperado genannt werden darf und sich den Ehrentitel restlos überzeugend verdient hat.

Wer den letzten Schuss abgegeben hat wird man nie erfahren, dass er in die Dynamitkiste für die Ausrottung der Kaninchenvölker ging, dürfte jedoch sicher sein, denn der Wagen fliegt mit Ladung, Mann und Pferd in die Luft, eine riesige Feuerzunge schießt in den Himmel, eine qualmende Rauchsäule kündet weithin sichtbar von der Tragödie.

Soweit die wahre Begebenheit, eine traurige Geschichte ohne besonderen Tiefgang, manche Gegenden sollte man eben meiden und sich gut überlegen, wem man blöd kommen kann, eine Erfahrung, die jeder Desperadoschüler früher oder später machen muss und aus der er seine Schlüsse ziehen kann, soweit er das Glück hat sie zu überleben. Das hatten die Beiden eben nicht, vielleicht auch weil sie ihre Träume nicht mit der Wirklichkeit in Einklang bringen konnten oder irgendwann die Richtung aus den Augen verloren hatten, wie auch immer, sie waren eben zwei hoffnungslose Pechvögel zur falschen Zeit am falschen Ort.

Immerhin wurden sie auf diesem Weg ohne Wiederkehr zu wahren Desperados, haben also ihr Ziel letztendlich doch noch erreicht.

Die ordnungsliebenden und gescheiten Leute der Gegend aber haben wohl grade nichts zu tun und machen aus dem unglückselig bedeutungslosen Zwischenfall eine großartige Schauermär mit unheilvollem Gleichnischarakter, überhöhen das schlichte Drama zum bedeutungsvollen Abgesang des verlorenen Traums vom freien wilden Leben der Desperados, verkünden lauthals den Anfang von dessen Ende oder besser das Ende von dessen von vornherein zum Scheitern verurteilten Anfang, und gießen Dotterquark in ihren immer vollgefüllten Schmalztiegel bis zum Überlaufen.

Nur weil die Desperados langsam damit anfangen, nicht mehr so blöd zu sein, sich überall öffentlich zu zeigen, unnötig aufzufallen und was von sich herzumachen, was sie mitnichten nötig haben, heißt es gleich, es gibt keine mehr. Nur weil sich schnell herumspricht in ihren Kolonien, wenn du mal in diese gottverlassene Gegend kommst und dich in diesem ewiggestrigen Landstrich ein Kutscher blöd anmacht, dann schieß ihn vom Bock und schaffe klare Verhältnisse, bevor er’s tun kann, heißt es gleich, der ohnehin nie wirklich für bare Münze gehaltene Traum von Frieden, Eintracht und Freundschaft unter allen Menschenkindern kann endgültig zu Grabe getragen werden.

Ich frage mich wirklich, für wie gutgläubig blauäugig dämlich uns die Leute damals wie heute halten müssen, um sich tatsächlich glauben machen zu wollen, unsern harten und entbehrungsreichen Überlebenskampf im Exil nackten Wüstengesteins mit süßlich stinkenden Grabblumen umkränzen und ins Traumland wirklichkeitsferner Wunschvorstellungen verpflanzen zu können.

Uns zu Trotteln und Traumtänzern abzustempeln, nur weil viele von uns Blumenschmuck lieben, ist doch kein Wunder in der erbarmungslosen Öde irgendwo im Nirgendwo des unerschlossenen unbekannten Niemandslandes, noch dazu wenn rundherum erbarmungsloser Krieg brennt und tobt. Aber vermutlich wollen sie Unsereins gerne so sehen und darstellen, weil sie insgeheim eine Heidenangst haben vor uns.

Wer weiß, vielleicht haben sie die nicht ganz zu Unrecht.
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