Tenorgedanken (Drabble – sonettartig)

[lyrikPower]

Die Liebe ist am Donnerstag erloschen.
Sie – hat sich einen neuen Hut gekauft,
Ihm – blieb das Herz stehn. Durchgeschnauft
Hat er am Freitagmorgen und verdroschen

Hätt‘ er am liebsten erst einmal sich selber,
Wie kann ein Mann so dämlich sein und stellt
Das Glück, das er in festen Händen hält,
Um zweier rotlackierter Kicherkälber …

Setzt es aufs Spiel? Stellt es in Frage? Ginge
Er jetzt zu ihr und nähm‘ sie in den Arm …
(er denkt) … ich steh an ihrem Fenster … singe
(er ist Tenor, trainierter Frauenschwarm) …

Ich singe ihr vom unglücklichen Dieter …
Er tuts. Sie hörts – und küsst den Untermieter.

[Lee Berta]

Sonette kommen wieder in Mode scheint mir. Walter, Eisenvorhang, jetzt du.
Die Apostrophierung wird nicht ganz durchgezogen (hätt' - steh) also kann man sie auch gleich ganz weg lassen. Dass man innerhalb der Klammer am Zeilenanfang klein schreibt, irritiert mich auch - macht man das so?

Egal, genug Korinthen gekackt, kommen wir mal zum Inhalt: Die Geschichte wird aus der Perspektive eines Mannes erzählt, der leichtfertig die Liebe einer Frau verlor. Seine Perspektive wird durchgezogen, wie der Titel verspricht. Der Grund des Streits ist Nebensache, aber dass sie einen neuen Hut kauft, gibt ihm zu denken.
Alles erschließt sich leicht, Sprache ist klar und modern, komplizierte Metaphern gibt es nur in Form von Kicherkälbern, es gibt Handlung und Konflikt, die Auflösung ist überraschend und komisch. Bei vielen Sonetten sind die letzten Zeilen mit der Moral oder der Meta-Ebene befasst. So auch hier.

Ich finde es sehr gelungen, mit Drabble habe ich mich noch nicht befasst, aber kann ja noch werden.

Liebe Grüße,
Lee

[lyrikPower]

Hi Lee,
mit dem «Drabble» muss man sich nicht unbedingt befassen, denke ich. Es ist eine Formspielerei, die einen Text auf exakt 100 Wörter begrenzt (egal ob Prosa oder Lyrik) – beim Drabble ist das der ganze «Witz». Mich hat die Kombination mit der Sonett-Form gereizt. Danke für deinen Kommentar.
Gruß lP