Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 05.03.2021, 19:53   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.706


Standard Erinnerungen

Er stieg aus dem Auto und betrachtete die Umgebung. Die Stadt hatte sich seit damals verändert, war größer, moderner und vor allem unpersönlicher geworden. Die Gemeindehalle hatte einen schicken knallgelben Anstrich bekommen. Einen Supermarkt gab es auch, wie mehrere Hinweisschilder auf dem Parkplatz verrieten.
Pascha jaulte auf dem Rücksitz.
„Ist ja gut, Dicker." Richard öffnete die Tür, ließ den Labrador heraus und leinte ihn an. „Wir gehen jetzt spazieren, du hast lange genug im Auto gesessen." Er lachte, als von Pascha ein freudiges Bellen kam und schlug den Weg zum Park ein. Dort konnte er Pascha ohne Leine laufen lassen.
Bei dem schönen Wetter war im Park einiges los. Jede Menge Leute mit Kinderwagen und größeren Kindern und verliebte Pärchen ohne Kinder waren unterwegs. Und natürlich andere Hunde. Ein Golden Retriever lief auf Pascha zu und begrüßte ihn schwanzwedelnd, doch als ein Pfiff ertönte, drehte er sofort wieder ab. Ärgerlicherweise lief Pascha ihm hinterher und war im Nu aus Richards Blickfeld verschwunden.
„Pascha, komm!" Richard rief und pfiff, aber der Hund ließ sich nicht blicken. Das hatte er noch nie gemacht. Wenig erfreut stand Richard auf und ging ihm hinterher. Als er um die Ecke bog, sah er ihn. Pascha war stehengeblieben, streckte den Kopf in die Luft und jaulte leise vor sich hin.
Vor ihnen lag der Friedhof.
War er nicht genau deswegen hergekommen? Um sich zu überzeugen? Jäh überfiel ihn die Erinnerung. Jessica, wie sie lächelte. Jessica, wie sie sich beim Tanzen an ihn schmiegte. Jessica an ihrer beider Hochzeitstag. „Ich habe den besten Mann der Welt geheiratet!" Mit Jessica in Urlaub, mit Jessica auf dem Schiff, mit Jessica am Strand. Jessica, Jessica, Jessica. Bilder tanzten vor seinem geistigen Auge. Er zog das Gatter des Friedhofs auf.
Kurzerhand band er Pascha am Gatter fest.
„Dauert nicht lange, Dicker."
Er lief fast durch die Reihen der Gräber, bis er an Jessicas stand.


Jessica Richter
geboren 12.08.1970
gestorben 01.04.2O12


Er seufzte auf. Jemand, wahrscheinlich der Friedhofsgärtner, schien das Grab zu pflegen. Oder Jessicas Eltern kümmerten sich darum. Es sah hübsch aus, Narzissen und Stiefmütterchen blühten um die Wette. Er hatte sich vor dem Anblick gefürchtet, hatte befürchtet, das Grab könne aufgebrochen worden sein, nachdem er gestern die Zeitung gelesen hatte.
Langsam ging er zurück.


Zu Hause warf er die Zeitung von gestern mit Schwung ins Altpapier. Sie landete mit der Schlagzeile nach oben: „Mord nach acht Jahren kurz vor der Aufklärung?" Er griff nach der Zeitung und drehte sie um.
Pascha kam angetrabt und stupste ihn an. Richard streichelte ihn. „Du merkst immer, wenn etwas nicht stimmt." Wahrscheinlich war der Hund klüger als alle Menschen, die er kannte. Er ließ sich in seinen Sessel fallen und starrte auf den Fernseher.
Aber was er sah, war das letzte Bild vor Jessicas Tod: Jessica, wie sie unter ihm zappelte und verzweifelt versuchte, das Kissen weg zu drücken, das ihr die Luft abschnitt.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.03.2021, 22:51   #2
männlich dunkler Traum
 
Benutzerbild von dunkler Traum
 
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 60
Beiträge: 1.585


Ein wunderschöner Kurzkrimi,

wünsche Dir schöne Träume, Silbermöwe
dunkler Traum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2021, 01:31   #3
männlich Ex-Ralfchen
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302


Zitat:
Zitat von dunkler Traum Beitrag anzeigen
Ein wunderschöner Kurzkrimi,
Bedauerlicherweise eine extrem schwacher Text ohne den geringsten Spannungsbogen, aber das bin ich von der Textschreiberin gewöhnt. Sie ist nicht in der Lage einen Text mit Fantasie und einem wirklich guten mitreissenden Stil zu produzieren.

Nimm doch nur einmal den ersten Satz:… Und er betrachtet die Umgebung... Weißt du eigentlich wie man so etwas richtig schreibt so dass der Leser neugierig wird? Offensichtlich nicht, denn wie kann man mit einem Blick die ganze Stadt sehen? Verwirrende und schwächer kann man es nicht formulieren.

Aber das wird sich nicht ändern. Entweder man kann schreiben oder nicht und wenn man ein bisschen schreiben kann dann kann man lernen noch besser zu werden.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2021, 01:58   #4
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082


Ich muss dir widersprechen, Ralfchen. Dieser Text hat es nicht nöltig, einen Spannungsbogen aufzubauen, da er in seiner extremen Kürze eher prologisch aufgebaut ist. Er hat vielmehr die Eigenschaft, den Leser zu einer Menge Fragen zu inspirieren, und das macht qualitativ mindestens ebenso viel aus wie ein Spannungsbogen, denn auch Fragen dienen dazu, zum Weiterlesen zu motivieren.

Außerdem ist die kurze Story stringent aufgebaut und erzählt. Sie beginnt nicht mit dem Fehler, den viele Anfänger machen, eine Landschaft mit aufgehender Sonne oder dergleichen zu beschreiben, sondern mit einer Stadt, die sich verändert hat - eine durchaus gelungene Szenerie, um ohne Umschweife den Verlauf einer gewissen Zeit zu schildern und Atmosphäre herzustellen.

Stilistisch hat Silbermöwe eine Menge gelernt, und das ist dem Text zweifellos zu entnehmen. An ein paar Dingen könnte man meckern, ich hätte z.B. den Hund nicht jaulen, sondern winseln lassen - aber das sind die kleinen Teufel, mit denen sich ein Autor immer plagt. Bei jeder Überarbeitung meiner Texte fallen mir Wörter ein, die besser passen als die zuerst gewählten, das ist eines Schreibers Alltag.

Kurz gesagt: Der Text ist als Prolog für eine größere Story geeignet, denn er stellt den Leser vor Rätsel, die er gerne gelöst haben möchte.

Zitat:
Entweder man kann schreiben oder nicht
Das ist eine unhaltbare Aussage. Literarisches Schreiben ist ein Handwerk, das man lernen kann. Leider gehört es in Deutschland nicht, wie z.B. in den U.S.A., zu den Unterrichtsfächern der Schulen. Bei uns in Deutschland muss man diesen Unterricht privat suchen und bezahlen - leider, denn das Aufsatzschreiben in den Schulen versaut die Talente, statt sie zu fördern. Nicht von ungefähr kommen die meisten erfolgreichen Krimi-Autoren (eigentlich Autorinnen, denn die Frauen haben den Männern in Sachen Krimi längst den Rang abgelaufen) aus dem angelsächsischen Sprachraum.

Eigentlich kann man von Glück sagen, wenn sich ein Autor in einer Zeit, in der es nur noch um Marketing und "Zeitgeist" geht, die Mühe macht, einen ordentlichen Stil zu entwickeln und sein eigenes Anliegen vorzutragen. 98 Prozent von dem, was für den Buchhandel gedruckt wird, ist nämlich weniger wert als das Papier, mit dem man den Ofen vorheizt - und das, ohne in den Verdacht zu geraten, Zensur zu betreiben. Wer heutzutage Erfolg haben will, muss den Leuten bzw. den Vermarktern Honig ums Maul schmieren, auf Qualität kommt es gar nicht an. Das gilt mittlerweile für alle Künste.

Besonders heftig sieht man diese Entwicklung beim Film. Niemand muss heute noch das Handwerk eines Schauspielers lernen, jeder kann vor die Kamera treten. Die Technik holt raus, was gebraucht wird, am Computer wird es marktgerecht verarbeitet, und dann raus damit zum schnellen Konsum. Kunst hat mittlerweile den Stellenwert des Billigfleischangebots im Supermarkt: Masse statt Klasse - viel Wasser, wenig Substanz.

Mag sein, Ralfchen, dass in Poetry keine Könner unterwegs sind, aber es sind Menschen, die vielleicht doch noch einen Funken mehr Liebe zur Sprache mitbringen als all die armseligen Schreiber, deren Bücher in den Buchhandlungen stehen, obwohl sie niemand lesen will. Und die deshalb irgendwann eingestampft und zu Tapeten verarbeitet werden.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2021, 02:40   #5
männlich Ex-Ralfchen
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Alter: 77
Beiträge: 17.302


Zitat:
Außerdem ist die kurze Story stringent aufgebaut und erzählt. Sie beginnt nicht mit dem Fehler, den viele Anfänger machen, eine Landschaft mit aufgehender Sonne oder dergleichen zu beschreiben, sondern mit einer Stadt, die sich verändert hat - eine durchaus gelungene Szenerie, um ohne Umschweife den Verlauf einer gewissen Zeit zu schildern und Atmosphäre herzustellen.
Also hier eine aufgehende Sonne zu beschreiben wäre ja vollidiotisch.

Für mich war die blatante Aussage zur Stadt und deren Veränderung von diesem Mann der aus dem Auto aussteigt ein wesentlicher Teil und ich wollte schon näher darauf eingehen und eine Textänderung vorschlagen. Wie soll man eine ganze Stadt beurteilen wenn man aus dem Auto aussteigt ohne auf das einzugehen was man bemerkte als man durch die Stadt gefahren ist? Und warum sollte ein Hund am Rücksitz jaulen? Weißt du wann und warum Hunde Jaulen? offensichtlich nicht. Dieser Teil ist allein schon ein maximaler Schwachsinn.

Habe es aber vermieden da ich die Zeit nicht dazu habe.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2021, 02:50   #6
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.082


Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
Dieser Teil ist allein schon ein maximaler Schwachsinn.
Wie heißt es doch: "Kunst liegt im Auge des Betrachters". Für Schwachsinn scheint das auch zu gelten. Man sieht eben, was man sehen will. Selffulfilling Prophecy.

Zitat:
Habe es aber vermieden da ich die Zeit nicht dazu habe.
Echt? Was machst du denn seit 22 Uhr gestern bis jetzt? Ich meine, außer in Poetry herumzudüsen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.03.2021, 12:47   #7
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.706


Zitat:
Zitat von dunkler Traum Beitrag anzeigen
Ein wunderschöner Kurzkrimi,

wünsche Dir schöne Träume, Silbermöwe
Vielen Dank, dunkler Traum!

Hallo Ilka-Maria,

über deinen Kommentar und das Kompliment
Zitat:
Stilistisch hat Silbermöwe eine Menge gelernt, und das ist dem Text zweifellos zu entnehmen.
habe ich mich sehr gefreut.

Zitat:
Kurz gesagt: Der Text ist als Prolog für eine größere Story geeignet, denn er stellt den Leser vor Rätsel, die er gerne gelöst haben möchte.
Als Prolog für eine längere Geschichte hatte ich den Text allerdings nicht vorgesehen - wäre aber eine Überlegung wert. Der Anfang stand schon ca. zwei Wochen, so richtig gezündet hat die Idee für die Story aber erst gestern Abend. Ich hatte kurz überlegt, Hinweise auf das "Warum" einzubauen (Erbschaft, heftiger Ehestreit?). Du hast recht, das sind die Rätsel, die der Leser gerne gelöst haben möchte.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Erinnerungen

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche


Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Die Erinnerungen Pattie Lebensalltag, Natur und Universum 0 01.10.2020 22:17
Erinnerungen Schippe Gefühlte Momente und Emotionen 0 28.11.2014 23:21
Erinnerungen. Purpur Gefühlte Momente und Emotionen 0 25.12.2010 18:22
Erinnerungen Katerchen Kolumnen, Briefe und Tageseinträge 2 13.12.2010 13:00
Erinnerungen Harlekin Liebe, Romantik und Leidenschaft 6 29.04.2010 18:02


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.