Vor Mitternacht

[Ilka-Maria]

Du hast im Leben manches Jahr verträumt,
der Fee geharrt, die jeden Wunsch erfüllt,
und Tag für Tag das kleine Glück versäumt,
das wache Menschen in das wahre Dasein hüllt.

Fast unbemerkt verging für dich die Zeit
und färbte deine Phantasien grau,
du machtest sie zum Feind statt zum Geleit
und dachtest doch, du seist bersonders schlau.

Erst einen Schritt vor deiner Mitternacht
erkennst du: Bis zu deinem letzten Traum
hat du dich um des Lebens Gunst gebracht
im Weilen unter einem Märchenbaum.

[Yellow]

Welch bittere Erkenntnis. Ich mag den Flow deines Gedichts. Und besonders die Zeile: und machtest sie zum Feind statt zum Geleit.
Und doch hat das Träumen und Vergeuden und verweilen unterm Märchenbaum, wie schön , seine Berechtigung in unserem Leben. Finde ich.

[Ilka-Maria]

Danke für deinen Kommentar.

Zitat von Yellow

Und doch hat das Träumen und Vergeuden und verweilen unterm Märchenbaum, wie schön , seine Berechtigung in unserem Leben. Finde ich.

Finde ich auch, allerdings sollte man auch drangehen, seine Träume wahr zu machen, statt das ganze Leben lang auf die Fee zu warten. Das weiß ich aus Erfahrung. Ich bin umgeben von Leuten, die mir immer nur erzählt haben, was sie alles gerne machen würden - nie wurde etwas daraus.

[Ex-Ralfchen]

So wie ich es lese geht es hier mit dem Wort verträumt darum, dass Lebenszeit vergeudet wurde, die andererseits nutzbringend verwenden werden hätte können. Vielleicht liege ich falsch... Für mich ein sehr interessanter Text, der komplett Realitäts und lebensbezogen ist

[AlteLyrikerin]

Liebe Ilka-Maria,

das täglich mögliche kleine Glück zu versäumen und zeitlebens auf die Feen zu warten, die eine Erfüllung des großen Lebenstraum einfach so schenken, das ist allerdings fatal. Das beschreibt Dein Gedicht sehr gut, von dem mir besonders die Zeilen 3 und 4 gefallen.
Es wäre allerdings auch problematisch vor lauter realistischem Klein-Klein, keinerlei Vision sich aufzuschließen. Der Spatz in der Hand ist zwar besser als die Taube auf dem Dach, aber die Friedenstaube zu ersehnen und zu suchen, wie sie mehr Existenz bekommen kann, das ist ja auch nicht schlecht.
Dein Gedicht legt nur auf den einen Aspekt sein Gewicht, aber das ist auch gut so.
Wird ein Gedicht extrem lang, weil es alle Aspekte beleuchten will, dann wirkt es oft zu ermüdend und wird gar nicht zu Ende gelesen.
Hat mir jedenfalls sehr gut gefallen, Alte Lyrikerin.

[Ilka-Maria]

Stimmt, AlteLyrikerin: Ein Gedicht sollte einen Aspekt auf den Punkt bringen, statt zu versuchen, auf balladeske Art ein ganzes Thema abzuhandeln. Dabei kann man sich leicht verzetteln, und am Ende stellt man fest, dass doch nicht jeder Winkel ausgeleuchtet werden konnte.

Es steht ja jedem Dichter frei, ein Gedicht zu schreiben, das den Gegenstandpunkt vertritt. Dann würde die Sache richtig spannend.

Danke für deinen Kommentar.

[Pattie]

Melancholischer Ausklang, obwohl der Schluss, auf den es doch alles hin läuft, sehr positiv ist. Rip van Winkle ist das nicht - es ist immerhin ein Märchenbaum, von wegen, das Leben vergeudet. Das ist die Sicht der heimlichen Realisten wie die von Ralf.

[Wolfmozart]

Ja, ja; die liebe Zeit...

Schön ausgeführt das Poem, Ilka.

wolfmozart

[Ex-Ralfchen]

Zitat von Wolfmozart

Ja, ja; die liebe Zeit...

Schön ausgeführt das Poem, Ilka.

wolfmozart

Erstens einmal: es gibt keine Zeit und zweitens einmal was für ein toller Kommentar. Wie immer einfallsreich und umfassend. Daran kann man erkennen dass du an keinem Text in irgendeiner Form teilnimmst

[Ilka-Maria]

Zitat von Ralfchen

Erstens einmal: es gibt keine Zeit und zweitens einmal was für ein toller Kommentar. Wie immer einfallsreich und umfassend. Daran kann man erkennen dass du an keinem Text in irgendeiner Form teilnimmst

Ausgerechnet du, der Meister der Spam-Spucke, die oft nicht über ein bis drei Wörter inklusive "Quargel" hinausgeht, maßt dir eine derartige Kritik an. Wenn du das nächste Mal wieder derart schlecht gelaunt bist, stelle dich vor den Spiegel und raunz dich selbst an. Die User zu erziehen steht dir nicht zu, und mit dir selbst hast du genug zu tun.