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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 26.10.2009, 04:02   #1
männlich Neny
 
Dabei seit: 10/2009
Ort: Lancre
Alter: 37
Beiträge: 96

Standard Dinner

Ruhig lieg ich vor dir,
nackt auf dem kalten Tisch.
Ich schau in dein Gesicht,
deine Maske der Gleichgültigkeit.
Ich schau in deinem Gesicht
unter die Maske in die tiefe Gier.

In präzisen Händen ruht das Besteck,
ich blinzle nicht ein Mal.
Kontrolliert öffnest du meinen Bauch
und kein Laut regt meine Kehle.
Langsam weidest du mich aus,
Stück für Stück, bis zum Rückgrat.
Ich seh’ in deine kalten Augen,
die Gelassenheit spiegeln.
Ich seh’ durch deine kalten Augen
ein Feuer der Gedanken lodern.

Du brätst meine Leber,
füllst meinen Darm,
kochst meine Nieren,
schmorst mein Fleisch.
Gäste hast du geladen
zum Essen und Plausch.
Servierst mich in Terrinen,
Töpfen, Schüsseln, Spießen.

Ich blick’ lächelnd in dein Herz,
das du mir stahlst.
Neny ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2009, 09:55   #2
männlich Erzähler
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Beiträge: 70

Lieber Neny,

wenn man das so ließt erhält man den Eindruck, dass du sehr enttäuscht wurdest. Liege ich da richtig? Allerdings verstehe ich in deinem Gedicht den letzten Zweizeiler nicht:

Ich blick’ lächelnd in dein Herz,
das du mir stahlst.


Soll das die Gleichgültigkeit reflektieren?

Viele Grüße,
der Erzähler
Erzähler ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2009, 12:50   #3
männlich Neny
 
Dabei seit: 10/2009
Ort: Lancre
Alter: 37
Beiträge: 96

Lieber Erzähler,

Danke für den sehr interessanten Ansatz mit der Enttäuschung, der mir selbst wohl nie in den Sinn gekommen wäre, womit ich auf keinen Fall sagen will das er falsch ist, eher dass ich als Autor auf meine eigene Bedeutungen fixiert bin.
Vielleicht habe ich auch keine derartige Enttäuschung bisher erfahren, zum Glück, um diese darin zu erkennen. Ob der letzte Zweizeiler dieses Gefühl reflektiert, wage ich daher nicht zu sagen.

Ich selbst sehe das ganze eher romantisch, im Sinne von dass sich das lyr-Ich (auf-)opfert für das lyr-Du. Die Bereitschaft bringt das lyr-Ich auf obwohl es weis, das dieses Opfer nicht erkannt wird und der Bedrohung für sich selbst vorallem durch das lyr-Du.
Aus dem letzten Zweizeiler ergibt sich daher für mich, dass das lyr-Ich trotz allem das lyr-Du liebt, aber auch dass das lyr-Du wieder leben kann, da es ein neues Herz hat sozusagen.
Aber das sind nur meine sicher zu romantisch veranlagten Gedankengänge.


Grüße Neny
Neny ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2009, 13:41   #4
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.104

Ich vermag an diesem Text nichts Romantisches festzustellen, dazu ist die Wortwahl zu drastisch. Klingt nach krankhafter Hörigkeit. Ich mußte jedenfalls unwillkürlich an den Kannibalen von Rothenburg denken.

Gruß
Ilka-M.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2009, 21:25   #5
männlich Ex web-del
abgemeldet
 
Dabei seit: 10/2009
Beiträge: 132

...haben wir es hier vielleicht mit einem "Vegetarier-Gedicht" zu tun ?
Ex web-del ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2009, 22:17   #6
weiblich Sonja
 
Benutzerbild von Sonja
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: In meiner eigenen Welt...
Alter: 33
Beiträge: 1.157

Der Babar von Rotenburg?

Naja so stell ich mir ein Dinner nicht gerade vor, aber was solls...
Sonja ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2009, 22:26   #7
weiblich IsabelG
 
Benutzerbild von IsabelG
 
Dabei seit: 10/2008
Ort: eschwege
Alter: 41
Beiträge: 533

Hi Nemy,

also ich muss mich Ilka-Maria anschliessen. Mir ist das alles etwas zu offensichtlich beschrieben, irgendwie ekelig
Also hättest du keine Erklärung dazu abgegeben dann wüsste ich nicht um was es wirklich in dem Gedicht geht, ich hätte dann von einem Mordgedicht ausgehen müssen. Bin ja leicht verwirrt dass es Romantisch sein soll aber was solls.
Ich finde deine Beschreibungen schon sehr bildhaft, das kannst du gut aber ob es so offensichtlich sein muss, zumindest hier, darüber kann man wohl streiten.

Gruß,
Isabel
IsabelG ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.10.2009, 16:24   #8
männlich Neny
 
Dabei seit: 10/2009
Ort: Lancre
Alter: 37
Beiträge: 96

Vielen Dank allen für die interessanten Kommentare und ich hoffe das nächste passable Gedicht wird appetitlicher .

Grüße Neny
Neny ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.10.2009, 01:51   #9
männlich kuse
 
Benutzerbild von kuse
 
Dabei seit: 11/2005
Ort: Berlin
Alter: 37
Beiträge: 489

Ein inetressanter Ansatz zu diesem thema, aber leider keinerlei romantische Wirkung. Auchd er Kannibale von Rothenburg...also Leute, bitte, versucht doch bei solchen Gedichten das Tagesgeschehen auszuklammern, da es wahrscheinlich niemals auf das interpretiert werden sollte.

Zitat:
Zitat von Neny Beitrag anzeigen
Ich blick’ lächelnd in dein Herz,
das du mir stahlst.
ich stolpere über das Wort 'dein'...es bringt nicht gleich zum ausdruck, dass es das herz des lyr-ichs war...ich würde ein 'mein' daraus amchen. ansonsten den letzten vers komplett umschreiben, also das 'dein' lassen...warte

Ich blick lächelnd in dein Herz
Denn ich kenne es seit Jahren

oder

Ich blick lächelnd in dein Herz
es klingt vertraut

oder ein vorschlag zu mein

Ich blicke lächelnd in mein herz
nimm es nur, es schlägt nach dir
(das wäre vielelicht sogar der romantischste Abschluss, den ich mir für dieses unromantische Gedicht vorstellen kann )
kuse ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.10.2009, 12:45   #10
weiblich Trauerschwan
 
Benutzerbild von Trauerschwan
 
Dabei seit: 10/2009
Ort: Ich wohne am kleinsten Ende Thüringens.
Alter: 33
Beiträge: 28

Mein erster Gedanke fiel tatsächlich auch auf Rothenburg oder wahlweise auch auf Hannibal Lector.

Gut, als romantisches Gedicht hätte ich es auch nicht unbedingt gesehen, (wobei, ich habe selbst schon solch makabere Dinge geschrieben.. ), aber dafür ist es ja auch in der Rubrik "Abgründiges".

Groteske Romantik würde ich es eher nennen.

Aber warum nich, das ist halt mal eine andere Art und Weise Aufopferung für einen Menschen darzustellen.

Allerdings komm auch ich mit den Abschlussworten nicht ganz klar....
Trauerschwan ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.10.2009, 15:59   #11
weiblich C.Alvarez
 
Benutzerbild von C.Alvarez
 
Dabei seit: 07/2006
Ort: Mauritius, stella clavisque maris indici
Beiträge: 4.889

Hallo Neny,

ein Text, der mir ausgesprochen gut gefällt.
Man spürt förmlich die Erregung des lyrischen Ichs in dem Text. Eine sexuelle Erregung, die auch auf den Leser überspringt. Klar, das ist ungewohnt und mag morbid erscheinen, aber wen erregt die Vorstellung nicht, so geliebt zu werden, dass man ausgeweidet und verspeist wird. Ich rede hier von erregenden Vorstellungen, das die Realität was anderes wäre, muss ich nicht betonen.
Andere zu diesem Essen einzuladen ist nichts anderes, als das was viele heute zu dritt oder noch mehreren machen. Zur Steigerung der Lust.
Daher auch dieser Abschluss:

Zitat:
Zitat von Neny Beitrag anzeigen
Ich blick’ lächelnd in dein Herz,
das du mir stahlst.
Nicht mein Herz, das du stahlst, sondern dein Herz, dass du mir stahlst. Das du nun mit anderen teilst genau wie meine ausgeweideten Organe.

Sehr präzise überlegt und geschrieben.

Kompliment!

corey
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.11.2009, 00:55   #12
männlich Neny
 
Dabei seit: 10/2009
Ort: Lancre
Alter: 37
Beiträge: 96

@kuse
Ich finde deine Vorschläge für ein anderes Ende nicht schlecht, nur für mich würde es dadurch zum einen zu eindeutig und würde auch mit der bisherigen Metapher brechen. Ich freue mich, dass dich mein Gedicht angeregt hat darüber nach zu denken. Danke.

@corey
Es ist schön zu lesen, dass dir mein Gedicht gefallen hat und auch deine Interpretation ist für mich sehr interessant und neu, da ich als Autor wohl zu voreingenommen bin um selbst darauf zu kommen . Vielen Dank für das Lob .

Grüße Neny
Neny ist offline   Mit Zitat antworten
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