abschiedsbrief an sophie

[Epilog]

abschiedsbrief an sophie (1797)

du weißt, ich will dir keine wünsche senden
dass du gesundest und besiegst die qual
denn unsre liebe war per se fatal
nicht hand noch lippen könnten zuspruch spenden

ich sah, dass mich nur blütenträume blenden
doch dann, wie jung du bist, wie schwach und schmal
und sich, als ich das bett glattstrich, schon stahl
blutlose bläue auf die bleichen lenden

dein blick schien unseren weg in eins zu wenden
so sagte ich: mir blieb nie eine wahl
nur in der wirklichkeit, im krankensaal
mag ich kein wort auf falschen trost verschwenden

doch dank ich dir: kann sich das ideal
der andacht nun im abschied ganz vollenden

[Silver]

Hallo Epilog,

so traurig und ergreifend geschriebene Worte, die mich berühren.

Diese eine Stelle: "dein blick schien unseren weg in eins zu wenden
so sagt ich einst: mir blieb ..."

finde ich schwer zu lesen. Aber das liegt bei mir. Ich mag das Gedicht sehr.

Sei gegrüßt von Silver

[Epilog]

... eins und einst sind wirklich nicht so gut in einen Satzzusammenhang zu bringen - ich hab es noch geändert und zugleich dem "sagt" das standesgemäße e als Endung angehängt

Zum Hintergrund noch dieser Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_von_K%C3%BChn

Zum Glück bin es nicht wirklich "ich", der der Geliebten diesen Brief zukommen lassen muss.

Liebe Grüße

Epilog

[DieSilbermöwe]

Hallo Epilog,

traurig, ergreifend, wunderschön!

. dein blick schien unseren weg in eins zu wenden
so sagte ich: mir blieb nie eine wahl
nur in der wirklichkeit, im krankensaal
mag ich kein wort auf falschen trost verschwenden

Das kann ich nachvollziehen aus der Zeit mit meinem früheren, verstorbenen Lebensgefährten. Aber was ist „richtiger" Trost?

Mir gefällt es reimtechnisch, wie die Wörter sich umeinander „wickeln" - sicher seltsam ausgedrückt, aber ich empfinde es so.

LG DieSilbermöwe

[Epilog]

... vielleicht noch ein paar technische Anmerkungen:

(Zitat) Mir gefällt es reimtechnisch, wie die Wörter sich umeinander „wickeln"

Das ist beim umarmenden Reim (abba), den ich hauptsächlich verwende, grundsätzlich eher ein Effekt als beim Paar- oder Kreuzreim. Hinzu kommt, dass Endreim und Versausklang häufig nicht mit dem "normalen" Satzende übereinstimmen. Dem Endreim ist des Weiteren geschuldet, dass die konventionelle Grammatik durch Inversionen etc. "verwickelt" wird, geradezu abenteuerlich ist hier S2V3 (+ Umgebung)

"und sich, als ich das bett glattstrich, schon stahl"

- man beachte zusätzlich den dreifachen Binnenreim. Und schließlich gibt es vielerlei Alliterationen, in Zeile 4 der Strophe zum Beispiel blutlose bläue bleichen, die wiederum mit blütenträume blenden in der ersten Zeile korrespondieren.

Es gibt bestimmt sehr viele Leser, die solche Techniken als unnatürlich und artifiziell empfinden. Denen kann ich nur sagen: Stimmt - das hier ist keine Alltags- sondern Kunstsprache.

Einen schönen Restsonntag wünscht

Epilog

[DieSilbermöwe]

Vielen Dank, Epilog, dir auch! Und besonderen Dank für die Erklärung!

LG DieSilbermöwe