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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 04.08.2006, 16:58   #1
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Standard Die Reise

Die Sonne geht auf über den Hügeln,
die Nachtigall ist verstummt.
Der Pförtner beginnt, die Tür zu entriegeln,
heraus kommt ein Mädchen, ganz vermummt.

Es schreitet den Weg hinauf und hinunter
und strebt nach der fernen Stadt.
Um es her wird die Natur langsam munter;
an Beeren isst es sich satt.

In der Stadt tobt das pralle Leben,
über all die Menschen staunt das Kind.
Es setzt sich nieder, beginnt zu weben –
Einen Teppich, so leicht wie der Wind.

Um sie herum scharren sich Leute,
das Stimmengewirr verklingt.
Ganz still ist die ganze Meute,
nur in der Ferne, da steht ein Junge und singt.

Er singt von unbekannten Ländern,
von Sonne, Sand und Meer,
von Menschen in bunten Gewändern.
Auf einmal ist der Platz ganz leer.

Allein zurück bleibt die Frau,
den Teppich, den hält sie in Händen
mit Farben von Rot bis Blau.
Ihre Schritte hallen von den Wänden.

Die Dämmerung bricht herein,
tapfer setzt sie fort ihre Reise.
Sie spricht: „Ach Liebster, warum bist du nicht mein?“
Und denkt an den Jungen, seine klagende Weise.

Und kein Ende nimmt er, der Weg;
Die nächste Kurve, im Dunkel verborgen,
plötzlich steht sie auf einem Steg
und vergessen sind Kummer und Sorgen.

Vor ihr liegt ein tiefer See.
Klar ist er, sie kann sehen den Grund
Und Bilder von dem, was ist lange passé,
sowie all ihre Runzeln um Augen und Mund.

Letzte Kraft schöpft die Greisin aus der Ruhe
Und eilt den letzten Rest bis zu ihrer Bleibe.
Am Ziel ein Blick auf ihre Schuhe:,
zerschlissen, wie die Kleider an ihrem Leibe.

Am Firmament stehen Mond und Sterne
Als der Pförtner ihr öffnet die Tür.
Ein letzter Blick zurück in die Ferne
Kein Fragen nach dem Wider und dem Dafür.

Die alte Frau legt sich nieder zum Schlafen,
in der Nacht verklingt ihr Atem für immer.
Der Teppich liegt auf einer Wiese bei den Schafen
Aus dem Wald schallt der Eulen Gewimmer.




Hmm, sehr lang und nur ein erster Entwurf... Kritik bitte!
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Alt 06.08.2006, 19:17   #2
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Wie soll ich dieses Fragment verbessern, wenn mir keiner hier die Meinung sagt?!? Es wird doch wohl irgendjemand nettes hier einen Einfall zu meinem Gedicht haben...
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.08.2006, 19:21   #3
Guardian
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 597

Ich sag das ja nur ungern, aber dieses Betteln um Kommentare wird allgemein nicht gern gesehen. Kommentier Texte, dann wirst du kommentiert.
Zu dem hier: Himmel ist das lang, die Reime wirken größtenteils sehr gezwungen und das Versmaß erscheint mir auch nicht wirklich sauber.
Persönlich mag ich Gedichte, die so mit Handlung überladen sind nicht, aber das heißt nichts.

Gruß,
Guardian
Guardian ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.08.2006, 18:55   #4
männlich Ricardo
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 31

Standard RE: Die Reise

Hi Fußballerin,
hab deinen Hilferuf erst jetzt gehört, hab ziemlich viel um die Ohren, aber nehme mir gerne mal Zeit für einen armen, verlorenen, um Hilfe schreienden Fußballfan

Gut, also: in der ersten Zeile ist dir wohl ein Tippfehler untergekommen, müsste, damit der Reim passt, wohl "Hügeln" heißen. Wenn Guardian meint, dass die Versmaße unsauber klingen, versuch dir das Fragment einfach noch einmal laut mit einer natürlichen Betonung vorzulesen und zu schauen, dass du vier bis fünf Hebungen pro Zeile hast, das ist der klassische Versmaß, der normalerweise sehr flüsssig klingt. Wenn nach Vier- oder Fünfhebern ein dreihebiger Vers kommt, reißt das den Rhythmus auseinander.
Das Tüfteln an der Metrik macht vielleicht nicht immer Spaß, kann aber echt gewinnbringend sein...
Aber wahrscheinlich erzähl ich dir da nix Neues

Erzwungen finde ich die Reime allerdings nicht, die Thematik ist interessant und sie wird gut angegangen.

So, bevor ich wieder auslogge, noch mein Lieblingsthema Metaphern
Ich stelle meine Dechiffrierung vor ein Fragezeichen, weil ich ja auch gerne wissen würde, wie du das impliziert hast.

vermummtes Mädchen: ihrer Existenz noch nicht bewusst, gerade geboren?

ferne Stadt: typische Sehnsucht der Jugend, die Welt zu sehen?

an Beeren satt essen: Hhm, Naturverbundenheit des Mädchens, ist das nicht kulturwissenschaftlich ein Zeichen für Unschuld?

Teppich weben, so leicht wie der Wind: Träume schaffen, sesshaft werden?

Der Junge in der Ferne: ok, das dürfte für einen neuen Liebsten stehen, allerdings Probleme da körperliche oder sinnliche Entfernung der Beiden?

Sie bleibt allein zurück mit dem Teppich: gut, er ist dann wohl weg, es hat nicht geklappt, wohl nur eine unerfüllte Liebe gewesen

Rot und blau: wie war das noch mal schnell mit den Bedeutungen von Farben? Ich vertausche die immer... sie haben doch hier was zu bedeuten, oder?

Dämmerung: ihr Leben geht langsam dem Ende zu?

Steg, See und Blick in den See: kann/soll das eine Anspielung auf den bevorstehenden Tod sein oder nur ein Zurückblicken auf das Leben? Oder sogar was mit dem babylonischen Weltbild zu tun haben? Du weißt schon, der Typ, der die Seelen auf dem Fluss Richtung Unterwelt schleppt?

Pforte: Grenze zwischen Leben und Tod?

Teppich: jetzt sehe ich ihn als Überbleibsel ihres Lebens an... die Metapher hat sich also meiner Ansicht nach gewandel, ob das gut ist oder nicht, muss ich mir noch überlegen...

Ach, fällt mir noch was ein: ein Dozent hat mal gemeint, dass die Parabel in Kafkas "Der Proceß", die wo der Protagonist vor dem Pförtner steht und nicht rein kommt auch psychoanalytisch gesehen werden kann. Die verschiedenen "Abteilungen" des Unbewussten seien - laut Freud - durch Pforten und Türen getrennt. Kann man also, aber da müsste ich noch mal genauer drüber schauen, vielleicht auch als einen einzigen Blick in ein Feld des Unterbewussten ansehen, der dann verschwindet, wenn sie wieder durch die Pforte geht, sprich in die reale Welt eintaucht. Die surrealistische, traumartige Struktur des Gedichts würde eine solche Interpretation sogar unterstützen.

So, jetzt muss ich aber wieder los, hoffe, ich hab dich nicht erschlagen, falls doch, ich bin versichert.

Merci für's Gedicht, hat mich wie du siehst schon beschäftigt und was Besseres kann einem Autoren ja nicht passieren.

bis denn, dann
Ricardo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2006, 12:35   #5
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Hallo Ricardo,
erstmal ganz lieben Dank für die Zeit, die du dir für mein Gedicht genommen hast! Das hat mich sehr gefreut und ich denke, mit deinen Tips kann ich aus dem Gedicht noch so richtig was machen. Danke also so weit.

Um auf deine Metapherdechiffrierung zurückzukommen, erstmal ein großes Lob: Sie geht ziemlich genau in die Richtung, die ich mir gedacht hatte!

Das Gedicht stellt praktisch das ganze Leben eines Menschen, in diesem Fall des Mädchens, dar. Das Leben wird dabei durch einen Tag verdeutlicht.
Sie wird am Morgen geboren und zieht in die Welt hinaus. Trifft auf verschiedene Menschen und versucht, ihre Träume zu leben (Teppich!). Der Junge soll ihre große Liebe sein, ist aber selbst nicht sicher und daher kommt es nicht zu der Begegnung zwischen beiden. Nach dem Tag geht sie zurück nach Hause und ist dementsprechend älter, weil sich der Tag dem Ende zuneigt. Das sie sich in einem iunneren Konflikt befindet zeiegn die Teppichfarben; Rot die Liebe, eine Erinnerung an ihre Jugend und den Jungen, Blau steht für Ruhe und Frieden, die sie im Alter zu finden versucht.
In der Dämmerung geht in der tat ihr Leben dem ENde zu. Beim See blickt sie zurück auf ihr Leben und sie sieht, was sie geschafft hat oder nicht...
Sie kommt dann zurück nach Hause, um dort zu sterben. Das spielt auf diese sehr romantische Vorstellung an, dass die Seele nach Hause zurück kehrt, wenn jemand stirbt. EIn bisschen steht es auch dafür,dass man nur an seinem Geburtsort wirklich zu Hause ist, was ja auch viele Menschen glauben.
Der Teppich bliebt am Ende ja zurück auf den Feldern. Das sollte dafür stehen, dass etwas von dem, was die Frau in ihrem Leben geschafft hat, auf der Erde zurückbleibt, auch wenn sie nun tot ist...

Deine Idee mit Kafka finde ich hochinteressant, aber daran habe ich beim besten Willen nicht gedacht. Ich mache mir ehrlich gesgat selten solche tiefgehenden Gedanken, wenn ich schreibe... 8) Sollte ich vielleicht mal tun...

Du siehst also, dass due ziemlich gut interpretiert hast. Nochmal ganz lieben Dank. Werde mich dann mal an die Überarbeitung machen...
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2006, 12:40   #6
männlich Ricardo
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 31

Na, das freut mich aber, viel Spaß bei der Überarbeitung!

bis denn, dann...
Ricardo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.08.2006, 19:30   #7
Michael
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 94

Hallo Fußballerin,

Deine Ballade vom äußeren Leben liest sich wie ein orientalisches Märchen. Das Leben geschieht öffentlich, auf dem Markt, auf der Straße. Gehen, essen, ruhen, arbeiten, sehen, und das in einem scheinbar endlosen Kreislauf. See, Spiegelbild, narzistischer Rückblick: das Gehen bekommt ein Ziel- Heimat und Sterben. Liebe und Treue werden nicht dem Markt, der Straße, den Menschen hinterlassen, sondern der Natur, den Beeren, dem See. Das innere Leben, das eigentliche Sein war nur in der Natur möglich. Das ist es, was ich zwischen den Zeilen lese. Ansonsten kann ich mich nur dem Kommentat von Ricardo anschließen.

Ganz herzliche Grüße
Michael
Michael ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.08.2006, 21:52   #8
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Hallo Michael,
auch dir ganz lieben Dank für deine Worte. Auch das, was dir auffällt habe ich unterschwellig mitverfolgt. Allerdings nicht ganz bewusst... Umso mehr freut es mich natürlich, wenn du dies trotzdem wiederfindest.
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.08.2006, 22:29   #9
Hydref
Gast
 
Beiträge: n/a

Zuerst hat mich zwar die länge deines Gedichtes etwas gestört, doch dann habe ich es als eine Art "gereimte Geschichte" aufgefasst. Ich weiss nicht, ob man das als "Lyrische Prosa" bezeichnen könnte.
So gesehen, gefällt mir deine Arbeit!

Gern gelesen
Herzlich
Hydref

(Oh Mann, fünf mal editiert. Ich mag diesen Editor nicht )
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Alt 01.09.2006, 18:34   #10
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279

Danke auch für diesen Kommentar, Hydref. Ich weiß nicht, ob die Bezeichnung stimmt, aber sie klingt sehr gut...

Würde an dieser Stelle gerne behaupten, dass ich schon fertig überarbeitet habe, aber habe leider kaum Zeit.
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
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