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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 11.04.2011, 23:38   #1
männlich Ex-Schamanski
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Beiträge: 2.884

Standard Kein Solipsist

O nein, ich bin kein Solipsist,
der glaubt, das alles, was da ist,
sei Illusion und nicht reell,
nur geistiges Bildkarussell,
nur ich als Cogitans sei echt.

Dann hätt' ich quasi ausgedacht
die Welt als schöpferische Macht.
Ich hätte diesen Stern erschaffen,
samt allen diesen blöden Affen -
Bei dem Gedanken wird mir schlecht.
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Alt 12.04.2011, 07:13   #2
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.089

Schön und eingänglich in Worte gefaßt, Großer Maki. Wer kann sich eigentlich so etwas Vermessenes ausdenken? Ist diese Idee vielleicht aus der Erkenntnis geboren worden, daß jeder Mensch die Welt nur mit seinem eigenen Gehirn erfassen kann und nie erfahren wird, wie ein anderer sie sieht und fühlt? Dann steckt sogar ein Körnchen Wahrheit drin.

Trotzdem: Man stelle sich vor, jedes Gehirn schaffe sich seine eigene Welt - wieviele Welten müßten dann nebeneinander existieren?

Und wenn es so wäre, was nützt es, wenn wir es nicht verstehen, diese Welten endlich besser einzurichten?

LG
Ilka-M.
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Alt 12.04.2011, 14:21   #3
männlich Ex-Schamanski
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Dabei seit: 12/2010
Beiträge: 2.884

Ich will hier nicht die Religiösen füttern, die dann (zu Recht) behaupten können, der metaphysische Realismus, also die Annahme einer vom Subjekt unabhängig existierenden Außenwelt, sei selber eine Glaubenstatsache, die sich ultimativer Prüfung entzieht.

Abgesehen davon, daß dieser Hinweis auch nicht als Beweis für die Existenz eines um uns herum schwirrenden Überbewußtseins taugt, könnte man dann auch mit "brain-in-a-vat"-Hypothesen kommen und letztlich bei der Matrix landen. Religiöse Spekulationen in dieser Hinsicht gibt es auch schon - wir seien quasi Hologramme einer göttlichen Überwirklichkeit, und unsere Gedanken und Gefühle sind nur Schatten dessen, was sich in der Über-Welt abspielt. Klingt nach Fantasy und Science-Fiction? Ich mache Platon verantwortlich.

Nach derzeitigem Forschungsstand läuft es auf die evolutionäre Erkenntnistheorie hinaus. Das Bewußtsein findet elektrochemisch im Gehirn statt, aber eben nicht losgelöst in einem luftleeren Raum, sondern interaktiv innerhalb einer realen physikalischen Umwelt.
Ex-Schamanski ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2011, 14:28   #4
Ex-Odiumediae
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Dabei seit: 07/2010
Beiträge: 1.151

Spüre ich da eventuell einen Hauch Misanthropie?

Ich finde es sehr gelungen, zumal die Pointe für mich überraschend kam und mich erst zum Lachen gebracht hat, dass es recht eigentlich meine Auffassung wäre – Satire hin oder her.
Ex-Odiumediae ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2011, 14:32   #5
männlich Ex-Schamanski
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Beiträge: 2.884

Zitat:
Zitat von Odiumediae Beitrag anzeigen
Spüre ich da eventuell einen Hauch Misanthropie?
Bestimmt. Wenn ich allein für den Zustand dieser Welt verantwortlich wäre, würde ich mich in Grund und Boden schämen.
Ex-Schamanski ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2011, 16:52   #6
männlich Katerchen
 
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Alter: 46
Beiträge: 575

Hallo kleinster Maki,

glaube diese Gedankengänge sind nicht all zu abwegig.
Ich kann die Welt ja nur aus dem Zentrum meiner eigenen
Subjektivität herraus beobachten. Quasi ein EGO-zentrisches
Weltbild... Allerdings ist die Schlußfolgerung ähnlich jener, dass
die Welt lediglich eine Scheibe sei oder die Erde im Mittelpunkt
des Universums steht.

Was aber wenn wir hier einmal versuchen das Gegenteil
anzunehmen. Das ICH gibt es gar nicht. Es ist nur ein Phänomen
- ein täuschender Aspekt einer ganzheitlichen allumfassenden "Größe".
Wobei wir wieder beim Großen Maki wären...
Katerchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2011, 17:31   #7
männlich Ex-Schamanski
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Beiträge: 2.884

Zitat:
Zitat von Katerchen Beitrag anzeigen
Ich kann die Welt ja nur aus dem Zentrum meiner eigenen
Subjektivität herraus beobachten. Quasi ein EGO-zentrisches
Weltbild... Allerdings ist die Schlußfolgerung ähnlich jener, dass
die Welt lediglich eine Scheibe sei oder die Erde im Mittelpunkt
des Universums steht.

Perfekt. Wir sitzen alle in der Mitte unseres persönlichen Tellerrands. Zwar sind nicht alle Teller gleich, da gibt es Unterschiede im Radius, aber eine perspektivische Täuschung ist das immer, radiusunabhängig.

Zitat:
Zitat von Katerchen Beitrag anzeigen
Was aber wenn wir hier einmal versuchen das Gegenteil anzunehmen. Das ICH gibt es gar nicht. Es ist nur ein Phänomen
- ein täuschender Aspekt einer ganzheitlichen allumfassenden "Größe".
Wobei wir wieder beim Großen Maki wären...
Dann sind wir bei dem, was der Buddhismus schon seit 2500 Jahren predigt: Sabbhe dhamma anatta - alles bedingte Sein ist ohne Selbst. Kleine Fluktuation innerhalb der großen, Unterfluktuation im Gesamtflux, Welle im Meer. Wer das aber so interpretiert, daß wir alle im großen Jehova herumschwirren, der kann mich mal.
Ex-Schamanski ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2011, 17:58   #8
männlich Katerchen
 
Benutzerbild von Katerchen
 
Dabei seit: 07/2009
Alter: 46
Beiträge: 575

Offen gestanden finde ich den Jehovafaktor
auch ziemlich unerotisch. Sein unbestreitbarer
Vorteil liegt wohl darin, dass man Ihn jederzeit
und überall als Jokerkarte ausspielen kann.
Was wohl auch nen gwissen Hauch von "unfair!!"
in meiner Konstitution manifestieren mag. So ne
Art Cheat-Charakter hat, wie es die junge Generation
wohl ausdrücken würde. Allerdings denke ich mir dann
wiederum, was für Menschen es sind, die diese Art
von Karten ausspielen (müssen). Auch oder gerade
gegenüber sich selbst. So kann ich diese Karte
mit einem Lächeln hin nehmen.
Katerchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2011, 18:15   #9
männlich Ex-Schamanski
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Dabei seit: 12/2010
Beiträge: 2.884

Ich weiß nicht, ob das an sich etwas mit Unfairness zu tun hat - wer daran glaubt, glaubt daran. Ich selber sehe dazu weder Anlaß noch Indikation.

Unbestreitbar bleibt, daß man mit der Jehova-Karte eine Menge unfairer Dinge tun kann, mit weniger anthropomorphen Metaphysiken geht das nicht so direkt.
Ex-Schamanski ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2011, 18:43   #10
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Hallo, Schimansky,

dass den Idealisten dieses Haar in der Suppe nicht längst aufgefallen ist. Mir gefällt die lockere Begründung deiner tiefsinnigen Existenzphilosophie.

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.04.2011, 19:10   #11
männlich Katerchen
 
Benutzerbild von Katerchen
 
Dabei seit: 07/2009
Alter: 46
Beiträge: 575

Über das "Ding an sich" kann ich leider keine Aussage treffen,
da es sich meiner Beobachtung schlichtweg entzieht.
Daher meint es immer die Verquickung mit dem Menschen.
(Im Grunde meint es den Menschen selbst.) Die Dualität der
Dinge liegt also im Menschen. Ich kann das Messer benutzen
um mich zu kratzen und meine Stullen zu schmieren.
Ich könnte auch Nachbar Lumpi filetieren oder Brigitte´s Kater
Malte damit den Sack rasieren.
Allerdings wenn ich da die Atombombe betrachte,
auch wenn sie bedingt durch das atomare Patt
möglicherweise ein Friedensgarant war - in gewisser, mancher
(Betrachtungs-)Weise zumindest, so zeigt sie doch letzten Endes
einen fürchterlichen Ausdruck menschlicher Schwäche und Abgründe,
denke ich.
Katerchen ist offline   Mit Zitat antworten
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