Frucht und Baum

[thojest]

So wie die Frucht vom Baume fällt,
Vom Wind geweht durch Erd´ durch Welt,
So Sie in dem Moment still denkt,
Ein wer Sie führt und schützt und lenkt.
In Trauer an des Baumes Stamm,
Sich fragend was allein Sie kann,
Ein Funke Mut sich in ihr regt,
Sodass Sie bald in Blüte steht,
Sie Wurzeln schlägt und Früchte trägt.
Bis Sie am End´ zu Erd´ vergeht.

[Glasauge Bill]

Hallo thojest!

Durch deine Bemerkung in deinem anderen Werk bin ich auf dieses hier gestoßen und ich muss sagen, es gefällt mir um einiges besser.

Du beschreibst das Leben von der Geburt bis zum Tod im Schnelldurchlauf. Dabei vergleichst du den Menschen mit einer Frucht, die Anfangs vom Baum fällt, und dann recht schnell in die Welt getragen wird. Du beschreibst das ganze aus einem objektiven Blickwinkel, benutz kein LI und gibst keine Wertungen. Du spannst den Bogen von Erd' zu Erd', was mir gut gefällt.

Vom Wind geweht durch Erd´ durch Welt,
...
Bis Sie am End´ zu Erd´ vergeht.

Außerdem schreibst du alles an einem Stück, was die Zeitöosigkeit dieses Vorgangs verdeutlicht.

Die Frucht muss nach dem Fortwehen ohne Hilfe klar kommen. Sie befindet sich wahrscheinlich in deinem Alter, wenn sie von zuhause "weggeweht" wird, also zwischen 16 und 20. Den Wind könnt man metaphorisch für die schnell vergehende Kindheit sehen.

Sich fragend was allein Sie kann,
Ein Funke Mut sich in ihr regt,
Sodass Sie bald in Blüte steht,

Auf eigenen Füßen stehen ist nicht leicht. Wenn man jedoch erstmal ein ziel gefunden hat, kann man sich verwirklichen.

Sie Wurzeln schlägt und Früchte trägt.

Dieser Vers gefällt mir als Wortspiel. Zum einen Wurzelschlagen als Tätigkeit eines Baumes und zum anderen als Sprichwort, was so viel bedeutet wie sesshaft werden.

Nachdem der Baum Früchte getragen hat, stirbt er irgendwann.

Besser als in deinem anderen Gedicht, schaffst du es hier Reim und Metrum durchzuhalten. Ein einfacher Paarreim und ein vierhebiger Jambus lassen den Anfang recht fröhlich wirken, was die Kindheit und die Jugend ja auch sein sollten. Die letzten vier Verse sind umarmend, was darauf hindeuten könnte, dass der Baum einen Gefährten gefunden hat.
Der Lesefluss ist recht angenehm, leider hast du auch hier noch Satzverdrehungen, die ein Gedicht an dieser Stelle zusammgeklemmtnert wirken lassen .

So Sie in dem Moment still denkt,

Sonst habe ich aber nichts zu meckern . Ich mag die Art wie du schreibst. Das liegt wohl daran, dass ich gereimte Lyrik mag, die nicht pseudogefühlsentertastenstimmung durch Punkt und Wortkreation verbreiten will. Du wirst es jedoch nicht einfach haben, hier im Forum Kritiken zu bekommen, da der Metrum Reim Stil ein wenig veraltet ist und heut zu Tage weniger Anerkennung findet als noch vor 150 Jahren.

Mach dein Ding.

Billauge Glas.

[thojest]

Guten Tag,

ich gebe dir damit vollkommen recht, dass meiner meinung nach viele der heutigen gedichte, ohne dass nun offensiv gegen einige sich möglicherweise angesprochen fühlende zu formulieren, nicht mehr die kunst der gedichte der älteren zeit aufweisen.. kadenzen, metrum, rhetorik all dies ist über die jahre von der lyrik entschwunden, sodass viele der heutigen meiner meinung nach nicht mehr das wort "gedicht" für sich beanspruchen können, da diese "dichte" sprache nicht mehr wirklich dem leser zu teil wird. sicher möchte ich hier nicht die typischen strikten vollkommen an eine form gebundenen werke propagieren, da natürlich eine gewisse freiheit erfrischend ist. Wenn man dies jedoch übertreibt sodass es gleichsam nur eine aneinanderreihung von sätzen ist, die einzig allein durch ihre symbolik und metaphorik zu punkten versucht, dann kann ich das nicht mit meiner persönlichen definition von gedicht vereinbaren.