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Alt 19.03.2013, 15:36   #1
männlich Ringelroth
 
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Standard Gebrochene Flügel (Teil 2)

Teil 2:

Andreas hatte einen trockenen Hals. Er stoppte die kleine Tonbandkassette, ging zum Kühlschrank und angelte nach einem Bier. Mit dem Feuerzeug öffnete er die Flasche, trank sie halb leer und startete wieder das Band. Während er der ruhigen, immer etwas heiser klingenden Stimme seines Bruders zuhörte, drehte er gedankenverloren die silbernen Ringe, die er, je einen, um den kleinen und den Ringfinger seiner rechten Hand trug. Das tat er immer, wenn er sehr angespannt war. Diese beiden Finger waren leicht gekrümmt und es fehlte ihnen das jeweils letzte Glied. Ein Geburtsfehler, der Andreas aber nie ernsthaft gestört hatte.

Samstag, 12. November:
Bin zu Irenes Villa raus gefahren. Stehe 50 Meter weiter und beobachte aus dem Wagen heraus.
10 Uhr: Arnie fährt vor. Steigt mit Aktenkoffer aus und klingelt. Irene Silvanus öffnet. Beide verschwinden im Haus. Warte 30 Min. Nix rührt sich. Beschließe, mich in der Firma umzusehen. Der Pförtner hat dumm geguckt. Hat mich wohl noch nie samstags hier gesehen. Bei Irene sind alle Schränke und Schubladen verschlossen. Arnies Schreibtischschubladen sind zwar alle offen, aber da ist nichts Relevantes.

Andreas erinnerte sich an seinen Vater. Als Bernhard und er noch Kinder waren, hatte ihr Vater oft davon erzählt, dass die Leute viele Jahre zuvor, als es noch nicht überall Fernsehen gab, nach Feierabend vor dem Radioapparat saßen und Musik oder einem Hörspiel lauschten. Dies hier hörte sich ganz nach einem Abenteuer-Hörspiel an.

Sonntag, 13. November:
Stehe wieder vor Villa. Arnie ist da. Schleiche mich ums Haus. Bäume und Sträucher geben Deckung. Hinter der Villa entdecke ich einen einstöckigen, würfelförmigen Flachbau. Hinter Hecken versteckt. 20 Meter vom Haupthaus weg. Kann durch ein Fenster in einen kleinen Wohnraum sehen. Dort sitzen Irene, Arnie und ein mittelalter Typ im Anzug. Alle drei schauen sich was auf einem Laptop an. Das könnten Fotos nackter Kinder sein. Kann aus der Entfernung keine Einzelheiten erkennen. Habe die kleine Digitale dabei und schieße ein paar Fotos. Dann hat Arnie wohl was gehört. Er springt auf und geht zur Tür. Ich verstecke mich zwischen den Hecken, während er suchend bis zur Straße geht. Er schaut verdächtig lange in die Richtung, in der mein Auto steht. Steht gut 100 Meter weg, aber Arnie kennt es genau. Als er zurückläuft, ruft er aufgeregt nach Irene. Glaube, er hat mein Auto erkannt. Ich haue ab.

Andreas nahm den Speicherstift vom Tisch und drehte ihn nachdenklich zwischen seinen gelblich gefärbten Raucherfingern. Er zündete sich den nächsten Glimmstängel an. Das darf doch nicht wahr sein, dachte er. Verdammte Scheiße.

Montag, 14. November:
Da ich heute und morgen zu Außenaufnahmen raus muss, brauche ich nicht in die Firma. Hab Irene gegen 8 Uhr angerufen und gesagt, dass ich unterwegs bin. Mir kam es vor, als klinge ihre Stimme merkwürdig kalt, aber sie hat gefragt, ob es Dennis wieder besser gehe, nachdem er letzte Woche eine fiebrige Erkältung hatte. Ich habe Mathilda telefonisch daran erinnert, dass sie Dennis von der Schule abholen und zu sich nach Hause nehmen muss, da ich nicht weiß, wie spät es bei mir wird. Will heute nix unternehmen. Erst abwarten, ob die was gemerkt haben.

Stopp!
Mathilda! Dass mir das nicht gleich eingefallen ist, ärgerte sich Andreas und überlegte, wie er an die Adresse von Dennis’ langjährigem Kindermädchen gelangen könnte. Vielleicht ist Dennis ja bei ihr. Oder aber, sie etwas mit der Entführung zu tun.

Start:
12 Uhr 20: Mathilda rief mich auf dem Handy an. Dennis ist weg. Als sie ihn an der Schule abholen wollte, war er nicht mehr da. Eines der Kinder auf dem Schulhof sagte, er wär zu einem Mann in einen roten Sportwagen eingestiegen. Das kann nur Arnie gewesen sein. Habe Aufnahmen sofort abgebrochen und bin zur Polizei. Der Beamte hat sich von mir ein Foto von Dennis geben lassen. Für alle Fälle, hat er gesagt. Und ich sollte wenigstens den Abend noch abwarten. Aber es gäbe viele rote Sportwagen und er zweifelte an der Geschichte mit der Kinderpornografie. Ohne handfeste Beweise, sei das ein heißes Eisen. Die Fotos, die ich von außen durch das Fenster geschossen hatte, überzeugten den Beamten nicht, da nicht eindeutig zu erkennen ist, ob das wirklich Kinder sind auf dem Laptop. Ausgerechnet heute hängt man in ganz Deutschland die Plakate auf, wo Dennis mit dem Marienkäfer auf der Hand zu sehen ist. Dieses Plakatfoto hab ich für die Umweltschutzkampagne der Regierung gemacht. Ich bringe Arnie um.
14 Uhr: Beobachte die Villa. Nix rührt sich. Im Flachbau ist auch niemand. War in der Firma um Arnie zur Rede zu stellen. Er und Irene sind außer Haus. Das passt doch. Ich rief Mathilda an und habe ihr gesagt, sie soll keinesfalls die Polizei informieren und solange warten, bis ich mich melde. Die Villa ist der Schlüssel. Ich bleibe hier.
17 Uhr 30: Keine Menschenseele ist zu sehen. Kein bekanntes Auto parkt in der Nähe. Im Schutz der Dunkelheit gehe ich noch mal zum Hinterhaus.
18 Uhr: War drin. Da sind zwei Räume und eine Toilette mit einer nackten Energiesparlampe an der Decke, Seife und Waschbecken. Eines der Zimmer ist wie ein Wohnzimmer eingerichtet. Sofa, Sessel, Tisch, Fernseher, Arbeitstisch mit PC. Habe Passwort nicht knacken können. Fand nur ein paar Computerspiele. Im Nebenzimmer stehen links ein Bett mit Kinderbettzeug, ein Sofa, zwei Stühle, ein kleiner Tisch. Gegenüber stehen eine digitale Spiegelreflex und eine Videokamera auf Stativ, dazu zwei Scheinwerfer. Ein grauenhafter Raum. Von Dennis keine Spur. Hoffentlich kennt er dieses Zimmer nicht. Das Speichermedium der Videokamera fehlte. Die Bilder auf der Speicherkarte der Fotokamera zeigen unaussprechliche Widerlichkeiten. Konnte nur die ersten drei, oder vier ansehen, dann wurde mir schlecht. Habe die Karte mitgenommen. Als ich mit den Beweisen auf dem Weg zur Polizei war, kam ein Anruf auf mein Handy. Die verzerrte Stimme sagte: „Habe Dennis. Keine Bullen, sonst siehst du ihn nie wieder. Morgen Nachmittag genaue Anweisungen.“
Bin natürlich nicht zur Polizei.

Dienstag, 15. November
Um 18 Uhr 30 der zweite Anruf. Konnte die Stimme nicht erkennen, da sie wieder elektronisch verzerrt war. Der Entführer war außer sich, weil er gemerkt hat, dass die Karte weg ist. Aber Treffpunkt ist heute Abend halb neun im alten Schlachthofgebäude im Industriegebiet. Ich werde Dennis gegen die Speicherkarte eintauschen. Aber vorher kopiere ich sie. Denke noch darüber nach, wo ich sie verstecken kann.

Das war die letzte Aufzeichnung. Er schaute auf seine Uhr und dachte nach. Heute ist Dienstag, der 15., 19 Uhr 10. Hat Bernhard die Entführer getroffen? Was haben sie mit ihm und Dennis gemacht? Vielleicht wurde man sich ja einig, und Vater und Sohn sitzen zu Hause vor der Glotze und essen Pizza?
Andreas fingerte sein Handy aus der Tasche und wählte Bernhards Nummer. Nichts. Zurzeit nicht erreichbar. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn. Niemand hob ab, als er die Festnetznummer gewählt hatte. Ihm war klar, dass er den beiden helfen musste. Doch zunächst war noch etwas anderes zu erledigen. Er nahm den Speicherstift und startete seinen Rechner.
(Fortsetzung folgt)
Ringelroth ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.03.2013, 16:43   #2
gummibaum
 
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Hallo Ringelroth,

habe mir die beiden Teile mal ausgedruckt, um den Text besser lesen zu können und so folgt jetzt genauere Kritik.

Teil 1:

Warum eröffnet Bernhard die "Schwierigkeiten" nicht mit der Entführung? Dass sein Sohn weg ist, ist doch das Wichtigste ("war der Kleine Berhards Ein uns Alles."). Der Brief aber wirkt nicht sehr angespannt.

Nach dem Sternchen erwartet man den Text aus dem Diktiergerät, es folgt aber eine Erzählung, die eine Parallelhandlung einstreut. Diese ist recht gut dargestellt, doch ist mir nicht klar, warum der Verletzte ("schmerzverzerrtes Ges.") sein Handy "hektisch" suchen kann.

Teil 2:

Der Wechsel von der Villa zur Firma geht zu schnell (auch wenn man auf dem Diktiergerät natürlich nur Wichtiges festhält). Wieso hat Bernhard Schlüssel zum Zimmer der Chefin?

Nach der Rückkehr zur Villa entdeckt Arnie Bernhards Auto. Bernhard ist also in der Falle. Da scheint mir "ich haue ab" etwas zu einfach.

Nach "das war die letzte Aufzeichnung" sollte "Andreas schaute..." folgen, damit man den Überblick behält.

Ansonsten finde ich den Text vom Diktiergerät nachvollziehbar und auch spannend. Was macht Andreas beruflich? Das Kettenrauchen hätte ich eher dem Fotografen, der vielleicht generell unter Termindruck steht und jetzt Angst um seinen Sohn hat, zugetraut.

LG gummibaum
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Alt 23.03.2013, 18:06   #3
männlich Ringelroth
 
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Hallo gummibaum,

nun, die Entführung erwähnt er im 2. Satz.
Ich denke, dass man in einer solchen Situation von niemandem verlangen kann, in zeitlicher Reihenfolge und in ganzen Sätzen zu berichten.

Dass er „hektisch“ sucht, heißt ja nicht, dass er mit raschen Bewegungen und vollem Körpereinsatz den Waldboden durchwühlt, „hektisch“ bedeutet hier auch einem enormen inneren Druck und einer körperlichen und seelischen Angespanntheit ausgeliefert zu sein.

Ich verstehe nicht, was du mit „zu schnellem Wechsel zwischen Villa und Firma“ meinst.
Die beiden Personen, die für Bernhard am verdächtigsten sind, sind beide außerhalb der Firma, also die beste Gelegenheit für ihn, ihre Büros auszukundschaften.

Wieso ist Bernhard in der Falle?
Arnie läuft wieder ins Haus zurück, um Irene von seiner Entdeckung zu berichten, also kann Bernhard aus seinem Versteck zu seinem Auto laufen und verschwinden.

Nach „das war die letzte Aufzeichnung“ sollte wirklich anstatt „er“ der Name Andreas folgen, da muss ich dir Recht geben.

Was Andreas von Beruf ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Aber wenn jemand, der sich in einer solch angespannten Situation befindet wie Andreas, innerhalb relativ kurzer Zeit zwei Zigaretten anzündet, muss er noch kein Kettenraucher sein.
Den psychischen Druck des Protagonisten, mit der Darstellung eines kettenrauchenden Nervenbündels hervorzuheben, wäre sicherlich eine Möglichkeit.

Dass die Geschichte dir insgesamt bisher gefällt, „belohne“ ich heute mit dem 3. Teil

Gruß
Ringelroth
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Alt 23.03.2013, 18:43   #4
gummibaum
 
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drehte ihn nachdenklich zwischen seinen gelblich gefärbten Raucherfingern.

befindet wie Andreas, innerhalb relativ kurzer Zeit zwei Zigaretten anzündet, muss er noch kein Kettenraucher sein.
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.03.2013, 19:58   #5
männlich Ringelroth
 
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O.K. - ich gebe mich geschlagen -
wenn es dir so wichtig ist, dann ist er eben ein Kettenraucher.
Dieser Umstand ist aber für die Geschichte unerheblich, ebenso wie die Tatsache, dass sein Bruder Nichtraucher ist.
Gruß
Ringelroth
Ringelroth ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.03.2013, 20:02   #6
gummibaum
 
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Freue mich auf die Fortsetzung.

LG
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.03.2013, 15:17   #7
männlich Ringelroth
 
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ist bereits gepostet.
Gruß
Ringelroth
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