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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 11.08.2009, 02:09   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Die Zeit heilt alle Wunden

„Die Zeit heilt alle Wunden.“
Wer leichtfertig so spricht,
hat nie Verlust empfunden,
kennt diesen Schmerz noch nicht,

spürt nicht den Stich im Herzen,
das Krallen in der Brust,
das Hämmern in den Schläfen,
des Todes kalten Kuß,

die Pein, mit der wir leben
von nun an Tag und Nacht,
in die wir uns ergeben
selbst in der Träume Macht.

Wer echten Trost will spenden,
wer wirklich Mitleid zeigt,
läßt es dabei bewenden,
daß er versteht und schweigt.

© Ilka-M., 5. Februar 2008
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Alt 11.08.2009, 14:48   #2
männlich drren
 
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...genau so ist es! Kompliment! Die erste Strophe sagt eigentlich schon alles aus....
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Alt 11.08.2009, 16:21   #3
weiblich C.Alvarez
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
„Die Zeit heilt alle Wunden.“
Zur Info:

Das ist eine sehr alte Redewendung aus dem akkadischen, was wiederum stark vom sumerischen beeinflusst wurde. Erstmals tauchte dieser Satz im Gilgamesch Epos auf. Nur leider wurde er vor längerer Zeit falsch interpretiert, falsch übersetzt, und ausgerechnet diese falsche Übersetzung hält sich bis heute.
Die korrekte Übersetzung ist:

"Der Tod heilt alle Wunden."

Was natürlich etwas ganz anderes bedeutet.


corey
(gravur idol)
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Alt 11.08.2009, 16:26   #4
weiblich Sonja
 
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Egal ob die Redewendung nun stimmt, oder nicht, ich finde dein Gedicht einfach klasse!
Es ist sehr realistisch geschrieben!
Jedoch kann ich mich persönlich mit keiner der beiden Redewendungen anfreunden.
Meiner Meinung nach können weder Tot, noch Zeit, nichts von beiden kann ALLE Wunden heilen!
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Alt 11.08.2009, 16:42   #5
weiblich Ilka-Maria
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Danke, Corazon.

Liebe Sonja, was Corazon da ausführt, ist richtig und ich kann dir nur empfehlen, das Gilgamesch-Epos einmal zu lesen, falls du es noch nicht kennst. Es geht darin nicht nur um eine große Freundschaft, um Trauer und um die Suche nach der Unsterblichkeit, sondern es wird darin auch die Sintflut beschrieben.

Natürlich bin ich von der in unserer Sprache gebräuchlichen Redewendung ausgegangen, weil ich sie - wie viele andere "Sprüche" und Sprichworte - schlicht für falsch und unnütz halte.

LG
Ilka-M.
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Alt 01.04.2012, 10:36   #6
Thing
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Halli Hallo, Ilka-Maria -

ein tiefes und sehr wahres Gedicht!

LG
Thing
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Alt 01.04.2012, 11:05   #7
männlich Ex-Ralfchen
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frag mich wer das nach 2 jahren auspackt? ROMscherl du - hm?

Zitat:
spürt nicht den Stich im Herzen,
das Krallen in der Brust,
das Hämmern in den Schläfen,
des Todes kalten Kuß,
Z4 hat nichts mit der nicht-wund-heilung der zeit zu tun, ILKAchen. nach dem tod gibts keinen weiteren verlauf. das sterben ist die heilung von allem leiden.
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Alt 01.04.2012, 11:30   #8
weiblich Ilka-Maria
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Hast Du nicht richtig interpretiert, Ralfchen: Es geht um den kalten Todeskuss, der den Hinterbliebenen einen geliebten Menschen entrissen und bei ihnen den Schmerz ausgelöst hat. Das Gedicht handelt vom Gefühl des Verlusts, nicht von Erlösung.

LG
Ilka
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Alt 01.04.2012, 11:31   #9
Ex-zonkeye
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Die hier in schlichtem Reim gemachte Ansage, Zeit heile gar nichts, kann nicht allgemein gelten, sondern bildet die subjektive Sicht eines Einzelnen. Die Autorin hat bei ihrem Zitat (das schon die alten Römer im Munde führten) den Zusatz "... aber die Narben bleiben" vergessen oder bewusst weggelassen.

De facto ist Empathie aber etwas, das auch den schlimmsten Schmerz lindern hilft. Der Verwundete ruft auf dem Schlachtfeld liegend ebenso nach seiner Mutter wie Kapitän Schettino, nachdem der unlängst seine "Costa Concordia" auf's Riff gesetzt hatte und danach nicht mehr weiterwusste. Über die Fähigkeit des Menschen, Niederlagen, erlittenes Unglück, Schmerzen oder gar dauerhafte Behinderungen zu kompensieren, gibt es Bibliotheken Füllendes. Stellvertetend zitiert zonkeye aus Buschs "Tobias Knopp", 1. Teil, "Ein frohes Ereignis":
Zitat:
Es schwellen die Herzen
Es blinkt der Stern
Gehabte Sorgen
Die hab ich gern.
Das uns von @Ilka vorgestellte Gedicht geht an alledem vorbei. Es suggeriert, es gebe keine Heilung, die Zeit spiele keine Rolle dabei und, vor allem und am schlimmsten, es gebe keine Hilfe.

Schrecklich, wenn dies wirklich die allgmeine, nicht die persönliche Sicht eines Menschen wäre. Gottlob ist dem aber nicht so, und die Wörtchen "Entschuldigung!" und "Das tut mir leid!" werden nicht aus der Mode kommen, solange die Menschheit besteht.

zonkeye
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Alt 01.04.2012, 11:38   #10
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von zonkeye Beitrag anzeigen
... und die Wörtchen "Entschuldigung!" und "Das tut mir leid!" werden nicht aus der Mode kommen, solange die Menschheit besteht.

zonkeye
Was das mit meinem Gedicht zu tun hat, vermag ich nicht einzuordnen. Und natürlich schreibe ich an den von zonkeye erwähnten Dingen vorbei, denn ich vertrete meine eigene Sichtweise; eine Binsenweisheit wie zurückbleibende Narben halte ich für völlig überflüssig.

Ein Verlust ist und bleibt ein Verlust.
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Alt 01.04.2012, 11:52   #11
Ex-zonkeye
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In Deinem Gedicht, @Ilka, heißt es am Ende:
Zitat:
Wer echten Trost will spenden,
wer wirklich Mitleid zeigt,
läßt es dabei bewenden,
daß er versteht und schweigt.
An dem Spruch ist gleich zweierlei falsch: Erstens, dass er dem zuvor Gereimten widerspricht (in dem von absoluter Trostlosigkeit die Rede ist) und zweites, weil Trost und Heilung nicht nur wirklich mit der Zeit kommen, sondern von der Empathie wesentlich befördert werden. Henri Dunant, Albert Schweitzer und Mutter Theresa lassen grüßen!

Ganz zu Schweigen von den aktiven Bemühungen mancher, Wunden durch permanete Salzeinstreuungen nur ja nicht wirklich heilen zu lassen. Da gibt's inzwischen ganz schön kritische Stimmen. Vielleicht magst Du mal nach Henryk M. Broder guhgeln?

zonkeye
Ex-zonkeye ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.04.2012, 12:09   #12
männlich Ex-Ralfchen
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na ja den verlust des menschen habe ich schon so verstanden, nur: den kalten kuß unseres geliebten todes spüren nur die sterber, nicht die erber.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.04.2012, 13:04   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Ralfchen Beitrag anzeigen
na ja den verlust des menschen habe ich schon so verstanden, nur: den kalten kuß unseres geliebten todes spüren nur die sterber, nicht die erber.
Das ist natürlich richtig, Ralfchen, aber man kann auch dann eine Vorstellung von warm, kalt, süß oder sauer haben, wenn man es nicht gerade selbst erlebt. Wenn ich aus meiner warmen Stube heraus auf einen gefrorenen See blicke, weiß ich schließlich auch, daß es draußen ziemlich kalt ist.

Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
Ilka
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Alt 01.04.2012, 14:27   #14
männlich Ex-Ralfchen
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dir auch nen schönen sonntag: und i.ü. meine kritik war nur n aprilscherz. du hast in allem recht.
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Alt 01.04.2012, 14:35   #15
weiblich Ilka-Maria
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Ich will ja gar nicht recht haben, Ralfchen, es ist schließlich alles eine Sache des Standpunkts. Und nachher gehe ich auf den Friedhof, Blumen auf's Grab pflanzen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.04.2012, 00:25   #16
männlich Walter
 
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Standard Die Zeit heilt alle Wunden

Liebe Ilka-Maria ,
schön, dass ich nun dieses Gedicht entdeckt habe; denn es liegt so viel Wahrheit in ihm.
Jedes Wort Deiner Verse ist gekonnt gewählt und trifft: man spürt "das Krallen", man hört "das Hämmern" und empfindet "des Todes kalten Kuß".
Ein sehr beeindruckendes Gedicht!!!

Liebe Grüße
Walter
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Alt 15.04.2012, 00:28   #17
männlich Ex-Peace
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Liebe Ilka,

das ist ein wunderbares Gedicht, das ich absolut unterschreiben kann.
Toll!

Liebe Grüße
Peace
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Alt 15.04.2012, 00:39   #18
weiblich Ilka-Maria
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Ich danke Euch.

Ich meine, man muß einen so leicht dahergebrachten Spruch auf seinen Gehalt prüfen. Er soll trösten: Mit der Zeit wird schon Schwamm darüber wachsen. Das ist zynisch. Nichts wächst darüber. Ein Verlust ist und bleibt ein Verlust. Er sticht bis an den Rest der eigenen Tage. Das ist meine Erfahrung.
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