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Alt 15.09.2006, 16:15   #1
Coldeyes
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 16


Standard Abschied 2k

"Und wie geht es weiter?"
In seiner Stimme lag die Unruhe der letzten Tage. Das junge Mädchen vor ihm starrte ihn nur stumm an. Ihre Augen schienen erzürnt über seine Frage, aber die kalten blassen Lippen ließen die Worte nicht raus. Mit einer fast mitleidigen Geste strich Tom ihr durch das feine schwarze Haar. Der Regen hatte es durchnäßt, und nun hing es in Strähnen in ihrem Gesicht.
Das Zimmer war kaum beleuchtet. Eigentlich hätte die Sonne aufgehen müssen und das Zimmer durchfluten sollen. Doch die Regenwolken der vergangen Nacht hingen noch immer wie unheilvolle Wächter am Himmel der kleinen Stadt am Rande des Genfer Sees.
"Du weißt wohin ich will."
"Ach ja? Willst du denn wirklich. Es ist ein weiter Weg." Tom strich erneut durch ihr Haar. Sie wendete ihr Gesicht ab, legte es in die Schatten des frühen Morgens.
"Ich muß. Ich habe den Weg begonnen, also muß ich ihn auch zu ende gehen. Ich habe keine Wahl mehr."
"Was willst du machen wenn du angekommen bist?"
" Ich weiß es noch nicht. Ich werde was finden. Ich gehe Arbeiten.. als Kellnerin. Zumindest am Anfang und dann werde ich es schon schaffen. Ich bin fast erwachsen."
"Nicht mit siebzehn Jahren. Chris, es ist dumm von dir zu gehen."
"Nein. Es ist mein Weg und ich werde ihn gehen."
" Du vermißt dieses Land so sehr? So sehr, daß du alles aufgibst. Deine Freunde, deine Familie? Sogar deinen.."
" Ja sogar meinen Freund." Das Blatt wendete sich. Tom hatte ein Thema angeschnitten, daß Chris verletzte.
Wie ein Tier, dachte Tom.
Sie ist in die Ecke gedrängt worden, nun schlägt sie um sich.
"Hast du es ihm denn gesagt? Hast du ihm erzählt, daß du flüchten willst.. schon wieder? Hast du ihm ins Gesicht gesagt, daß du diesen Trott nicht mehr aushälst und nun zu feige bist alles auszuhalten? Hast du das alles Zac gesagt?"
Ihr Gesicht flammte auf. Sie stürzte aus der Ecke des Zimmer auf Tom, drückte ihn in einen der Stühle. Mit aller Kraft stützte sie sich auf ihn. Tom hätte sie ohne weiteres zurückdrängen können, doch sie sollte sich austoben, ihrem ganz Streß Luft machen und endlich ihre Maske fallen lassen. Tränenüberströmt blickten zwei verschwommene blaue Augen in die Toms. Noch einmal drückte Christine feste zu ließ all ihre Kraft in diesen Stoß fahren. Dann stolperte sie zurück zum Fenster und blickte hinaus auf die verschlafende Innenstadt.
" Ich habe es nicht gesagt." Die Tränen in ihrer Stimme waren kaum zu überhören. Mit der einen Hand berührte sie das Fenster, als wolle sie noch einmal der Stadt auf Wiedershen sagen. Mit der anderen wischte sie sich die Tränen aus ihrem Gesicht.
" Er soll auch nicht erfahren. Ich bin hoffentlich eine fiese Betrügerin für ihn. Manchmal muß man die Menschen, die man liebt, verletzen um ihnen zu helfen."
Sie drehte sich um und sah Tom an. Er erkannte sie nicht wieder. Eine Mischung aus Trauer, Wut und Entsetzen machte sich in ihm breit. Trauer, weil sie unter all diesen Dingen litt und es doch nicht zugab. Wut, weil sie andere Menschen mit hineinzog und verletzte. Und Entsetzen.. Entsetzen, weil er es einfach nie von diesem schüchternen, unscheinbaren Mädchen, das nun vor ihm stand und im Begriff war alles zu verwerfen, erwartet hätte.
Sie ging auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen um ihm einen Kuß zugeben und nahm die Tasche, die Tom für sie bereit gestellt hatte. Tom blieb noch lange so stehen. Noch lange nachdem sich die Tür hinter ihm schloß, Christine sich von seinem Geld ein Taxi zum nächsten Flughafen nahm und von seinem Geld den Flug in die Flucht bezahlte.
Tom blieb einfach stehen.
Chris hatte nie Lebe wohl gesagt.
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