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Fantasy, Magie und Religion Gedichte über Religion, Mythologie, Magie, Zauber und Fantasy.

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Alt 16.07.2023, 04:34   #1
weiblich Schreibfan
 
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Standard Werd Müllerbursch am Koselbruch

Werd Müllerbursch am Koselbruch
(Shakespeare Sonett in Amphybrachies)

Tritt ein in die Mühle am schwarzen Gewässer.
Ich lehre dich Müllern. Das andere auch.
Zerbrech deinen Bettelstab, hier lebst du besser.
Schlag ein mit der Linken, denn so ist es Brauch.

Ich nehme dich mit in die höheren Sphären.
In goldener Kutsche. Steig ein, sei mein Gast.
Schon bald kann ein Kurfürst dich nicht mehr entbehren.
Bedenk was dir fehlte und was du nun hast...

Nun komm schon, schliess zu die entkräfteten Augen
und fülle dir über den wässrigen Mund.
Du musst nichts mehr sehen, nichts reden, nichts glauben,
Versuch nicht zu fliehen, es gibt keinen Grund.

Du brauchst mir für nichts einen Taler zu geben.
Mir reicht schon dein Herz, dein Gewissen, dein Leben.

Hannah May (15.07.23)


Ich übe ja noch die Amphybrachies und auch Sonette, daher freue ich mich über Rückmeldungen und ggf Tipps zu diesem Text.

Dieser Text bezieht sich natürlich auf ein recht bekanntes Buch bzw. die Sage und ihr dürft dreimal raten um was für eine Geschichte es sich handelt. Vermutlich braucht man nicht dreimal zu raten...
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Alt 16.07.2023, 09:16   #2
Ex-Pennywise
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Moin Schreibfan,

Zum Sonett an sich kann ich nicht viel sagen, weil ich die strengen Regeln nicht genau kenne. Zu den Amphibrachys kann ich allerdings sagen, dass sie in meinen Augen absolut gelungen sind. Es ist generell ein starker Text, der mir gut gefällt.
Und daher landet er in meinen Favoriten.

Gruß

Pennywise
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Alt 16.07.2023, 10:21   #3
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Wow, Pennywise, das freut und ehrt mich, denn immerhin habe ich mir ja von dir die Amphybrachies "abgeguckt" weil mir so viele deiner Texte so gut gefallen.

Das Buch/die Sage auf die ich mich beziehen war in der Kindheit einer meiner absoluten Favouriten, zu dem ich dann sogar im Erwachsenenalter meine mündliche Diplomprüfung abgelegt hatte. Kennst du das Buch?
Bzw wer weiß um welche Geschichte es sich handelt?
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Alt 16.07.2023, 10:25   #4
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hi Schreibfan,

es kann doch nicht „Krabat" sein? Ich rätsele schon seit einer Stunde.
„Müllerbursch" passt zwar, aber der Rest nicht unbedingt.

Von der Form her erinnert mich das Sonett an Walters Sonette.

LG DieSilbermöwe
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Alt 16.07.2023, 11:15   #5
weiblich Schreibfan
 
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Liebe Silbermoeve, danke fürs kommentieren, doch, Krabat stimmt. Was passt denn deiner Ansicht nach nicht zur Geschichte?
Strophe 1 bezieht sich in der Wortwahl fast original auf Preußler, Strophe 2 deutet eine Aussicht auf das zweite Jahr an, als Krabat in edler Kutsche und fliegend zum Kurfürsten mitgenommen wird. Klar ein bisschen dichterische Freiheit habe ich mir gegönnt, da ja nicht Krabat sondern der Meister der Berater des Fürsten ist. Allerdings lese ich meine eigenen Zeilen auch eher so, dass der Meister in seiner Ansprache den Jungen (muss ja nicht unbedingt genau Krabat sein) damit lockt, er könne so viel Macht bekommen. Letztendlich versucht das der Meister ja in dieser Situation in Preußlers Version. Andere Versionen der Krabat-Sage erzählen davon, Krabat sei tatsächlich persönlicher Berater des Kurfürsten von Sachsen gewesen.
Strophe drei dann beschreibt die Gepflogenheiten auf der Mühle. Man darf kein Kreuz tragen (nichts "glauben") und sehen und hören sollte man besser auch nicht. Weglaufen ist vergebens, wird aber von den meisten Gesellen auch nicht angestrebt, da sie ja auf der Mühle genug zu essen, trinken und zu wohnen haben. Die Conclusio dann: manchmal ist Geschenktes zu teuer. Mit dem Zeichnen des Drudenfusses auf ihre Stirn überschreiben die Gesellen sich und ihr Gewissen ganz und gar dem Meister. Und ja...ich habe mich beim Sonett an Walthers Sonetten orientiert, habe aber leider die sonst obligatorische Fuenfhebigkeit in den Zeilen versemmelt. LG Schreibfan
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Alt 16.07.2023, 13:10   #6
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Schreibfan,

danke für die ausführliche Erklärung! Ich habe „Krabat" nicht gelesen, als Teenager nur mal einen Zeichentrickfilm drüber gesehen, der mich allerdings total verzaubert hatte (sich aber sicher auch nicht exakt an die Vorlage gehalten hat). An das Drumherum konnte ich mich gar nicht mehr richtig erinnern, ich wusste z. B. gar nicht, dass Krabat zum Kurfürsten mitgenommen wurde.
Freut mich, dass ich mit der Antwort auf das Rätsel richtig gelegen habe.

Zitat:
. habe aber leider die sonst obligatorische Fuenfhebigkeit in den Zeilen versemmelt.
Das kann ich nicht wirklich beurteilen, auf mich hat dein Sonett perfekt gewirkt.

LG DieSilbermöwe
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Alt 16.07.2023, 13:44   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ich habe „Krabat" nicht gelesen, als Teenager nur mal einen Zeichentrickfilm drüber gesehen, der mich allerdings total verzaubert hatte (sich aber sicher auch nicht exakt an die Vorlage gehalten hat).
Meinen Sohn auch, er saß mit hochrotem Kopf vor dem Fernsehgerät, weil ihn die Geschichte im Augenblick des Showdown ziemlich aufregte. Ich hatte das Buch gelesen und hielt einen Achtjährigen für alt genug, die Story zu verkraften, schon deshalb, weil ich solche Tipps von einer Bekannten bekam, die sich zur Erzieherin ausbilden ließ und sich mit Kinder- und Jugendliteratur befassen musste.

Bei der Trickfilm-Version handelt sich um einen tschechischen Film von 1977. Er ist sehr nahe an Preußlers Vorlage geblieben, auch der Besuch beim Kurfürsten kommt darin vor.

Gibt es in voller Länge auf youtube zu sehen, man braucht nur nach Karel-Zeman-Filmen zu suchen.
__________________

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Alt 16.07.2023, 16:12   #8
weiblich DieSilbermöwe
 
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Danke für den Tipp, Ilka!

LG DieSilbermöwe
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Alt 16.07.2023, 23:14   #9
weiblich Schreibfan
 
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Lieben Dank Silbermoeve und Ilka Maria.
Der Zeichentrick Film ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Anbei möchte ich doch einen Kommentar unter diesem Thread Posten, den mir Heinz via PN geschickt hat, damit es hier nicht zu meckerig Klänge.
Das ist sehr aufmerksam lieber Heinz, aber du warst gar nicht meckerig, ich möchte ja besser werden.
Deine Vorschläge zur Betonung gehen allerdings gegen mein Gefühl für die Wortbetonung und Metrik. Ich kann aber auch falsch liegen, daher interessiert mich, wie andere Leser*innen über deine Vorschläge denken bzw wie sie meine Variante lesen. Ich poste meine Variante auch gleich noch mit meiner gekennzeichneten Lesart:

Liebe Schreibfan,
es ist, das sei gleich gesagt, ein lobenswertes Unterfangen, neben den meist benutzten Jamben oder Trochäen, auch mal ein antikes Versmaß zu wählen.
Meine Anmerkungen schreibe ich Dir als PN, weil es nicht nach Meckerei aussehen soll, sondern Anregungen vermitteln will.

Amphibrachys?

Schiller , so mein Empfinden, benutzt hier das antike Versmaß (Amphibrachys). Auffällig für mich ist dabei, dass die Hebungen auf den wichtigen Wortteilen liegen:

Sie rauschet, sie perlet, die himmlische Quelle, (xXx xXx xXx xXx
Der Busen wird ruhig, das Auge wird helle. (xXx xXx xXx xXx)

Seinem Beispiel folgen habe ich versucht, eine Strophe in Ampgibrachys zu schreiben:

Die Liebe zum Weib, so wie Gott es erschaffen,
mit goldenen Locken und glutenden Augen,
verlockenden Brüsten und anders als Affen,
mit aufrechtem Gang auf zwei Beinen, die taugen,
in freudvollen Stunden das Tor zu dem Garten
der Venus zu öffnen, wo Wollust und Wärme ,
Erfüllung des heißesten Wunschs auf ihn warten.

xXx xXx xXx xXx
xXx xXx xXx xXx
xXx xXx xXx xXx
xXx xXx xXx xXx
xXx xXx xXx xXx
xXx xXx xXx xXx
xXx xXx xXx xXx

Eine Strophe von Dir:

Tritt ein in die Mühle am schwarzen Gewässer.
Ich lehre dich Müllern. Das andere auch.
Zerbrech deinen Bettelstab, hier lebst du besser.
Schlag ein mit der Linken, denn so ist es Brauch.
Tritt“ ist die Befehlsform von treten und ich bin versucht, den Versbeginn als Hebung zu verstehen. Dem Versfuß (xXx) entsprechend legst Du die Betonung auf „ein“ und das halte ich für bedenklich.
Das LI will dem Eintretenden das Müllern lehren und „das andere“ auch. Ich frage neugierig: Was lehrt das LI dem Eintretenden noch?
Den dritten Vers (dem Beispiel des ersten fogend, hättest Du auch in der Befehlsform formulieren können (Zerbrich ...), aber dann wird es problematisch: Der Versfuß verlangt, dass „deinen“ aus zwei Senkungen besteht und denen müsste nun eine Hebung (Bett...) folgen. Dieser Hebung folgt die Senkung ...el und dann folgt ...stab. Da fällt es mir schwer, den Stab als Senkung hinzunehmen. Bettelstab klingt in meinen Ohren: Bettelstab (XxX).

Du erwartest, dass ich den Vers so betone:
Zerbrich deinen Bettelstab, hier lebst du besser. (xXx xXx xXx xXx)
Ein schwierig zu formulierender Vers.
Auch den vierten Vers beginnst Du mit einer Senkung. Und die liegt auf dem wichtigen Wort
„Schlag...“
Vielleicht:
Besiegle den Bund mit der Linken, denn so ist es Brauch (xXx xXx xXx xXx xX)

Liebe Grüße!
Heinz
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Alt 16.07.2023, 23:54   #10
weiblich Schreibfan
 
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Anbei meine markierte Variante (die gross geschriebenenen Silben würde ich betont lesen).


Tritt EIN in die MUEhle am SCHWARzen GeWAESSER.
Ich LEHre dich MUELlern. Das ANdere auch.
ZerBRECH deinen BEttelstab, HIER lebst du BEsser.
Schlag EIN mit der LINKen, denn SO ist es Brauch.

Ich NEHme dich MIT in die HOEheren SPHären.
In GOLdener KUTsche. Steig EIN, sei mein GAST.
Schon BALD kann ein KURfürst dich NICHT mehr entBEHren.
BeDENK was dir FEHLte und WAS du nun HAST...

Nun KOMM schon, schliess ZU die entKRAEFteten AUgen
und FUELle dir UEber den WAESSrigen MUND.
Du MUSST nichts mehr SEHen, nichts REden, nichts GLAUben,
verSUCH nicht zu FLIEhen, es GIBT keinen GRUND.

Du BRAUCHST mir für NICHTS einen TAler zu GEben.
Mir REICHT schon dein HERZ, dein GeWISSEN, dein LEben.

So habe ich das Gedicht im Ohr gehabt als ich es geschrieben habe. Aber natürlich hilft es nichts wenn ich es im Ohr habe und andere tun sich dann mit der Betonung schwer, ich lese es euch ja nicht auf der Bühne vor, so hört ihr es nicht.
Hatten andere auch Schwierigkeiten, dann würde ich über eine Umstellung nachdenken?
Heinz du hast durchaus Recht mit deiner Ansicht, dass man darauf achten sollte,dass bei den Amphybrachies die für die Geschichte relevanten Worte betont werden. Allerdings muss man sich da anschauen, wo genau die Wichtigkeit liegt. Z.b. finde ich bei "schlag ein" liegt die Wichtigkeit auf dem Wort "ein", denn man hat sich geeinigt. Ebenso wie bei "tritt ein".

Bettelstab würde ich, auch alleinstehend, so wie z.b. "Rosenkranz" als Daktylus lesen.

Natürlich muss man auch sagen, dass das Gedicht vermutlich von Leuten eher nachvollzogen werden kann, die Krabat gelesen haben, denn darauf beziehen ich mich ja. Ich weiß nicht, ob du die Geschichte kennst Heinz? In der Preußler Version wird Krabat, ein Betteljunge, von einem Raben quasi zur Mühle am schwarzen Wasser herzitiert. Er wird formal gefragt, ob er dort wohnen möchte und Geselle werden, eine wirkliche Wahl hat er aber letztendlich nicht. Gefragt wird er vom Meister (der ihn in Rabengestalt beobachtet hatte): "Was soll ich dich lehren? Müllern oder auch alles andere?" Undbedarft und ahnungslos antwortet Krabat "das andere auch". "Schlag ein", fordert der Meister und hält ihm die Linke hin, wie es in der schwarzen Magie Brauch ist. "Das andere" was Krabat lernen wird, sind nämlich schwarzmagische Künste, das erfährt er aber erst einige Kapitel später...

LG Schreibfan
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Alt 17.07.2023, 03:24   #11
männlich MonoTon
 
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Tritt ein/schlag ein/steig ein
Würde ich mit Problemen auf "ein" Betonen, es ist richtig, das "treten/schlagen/steigen" auf der ersten Silbe betont werden, aber das "Eintreten/Einschlagen/Einsteigen" verlagert den Stellenwert, da es als Aufforderung "Ein" zu treten/"Ein" zu schlagen/"Ein" zu steigen im Kontextbezug steht und einen stilistischen Versatz im Text erfährt.
Das ändert aber nicht dessen eigentliche Betonung nach Stammsilbendefinition in welcher sich die Wortwurzel nicht beugen lässt.
eintreten/einschlagen/einsteigen

Zerbrech deinen Bettelstab, hier lebst du besser.
Zerbreche den Bettelstab, hier lebst du besser.

3-Silber haben die Eigenschaft, dass sie eine Hauptbetonung aufweisen und der Rest sich in zwei natürliche Lesarten aufteilt. Anapäst und Daktylus, (drittens Amphibrach und als vierte Variante den Kretikus.) Der Kretikus ist noch unnatürlicher im Sprachgebrauch, als der Amphibrach, beide muss man gezielt ausformulieren.

Bettelstab im einzelnen wäre solch ein Kretikus (XxX)
Abermals ist hier der Kontext stärker.
Im Normalfall würde ich "Stab" Betonen, da es sich um ein Hauptwort handelt. Hier setzt sich aber ein Wort aus 2 Hauptworten zusammen, welche Beide ein deutbares Bild tragen. Bettler und Stab. Das Wortkonstrukt verschiebt die Deutungshoheit auf den Stab des Bettelns und bildet ein Morphem daraus (Bettelstab), um es Textorientiert zu beugen.

Bettelstab XxX ohne Kontext gelesen
Bettelstab Xxx im Kontext gelesen
Ich würde mir aber die Nutzung solcher Worte in Amphibrachen überlegen, da sie schnell Missverständnisse hervorrufen durch ihre Mehrdeutigkeit.

Tritt ein in die Mühle am schwarzen Gewässer.
Ich lehre dich Müllern. Das Andere auch.
Zerbrech deinen Bettelstab, hier lebst du besser.
(Zerbreche die Stäbe des Bettelns, leb besser)
Schlag ein mit der Linken, denn so ist es Brauch.

XXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
xXxxXxXXxxXx
(xXxxXxxXxxXx)
XXxxXxxXxxX
Wie gesagt, ich würde "ein" ausnahmsweise Betonen, da ich es als Aufforderung laut Kontext erfasse. Normal ist es aber nicht.

Ich nehme dich mit in die höheren Sphären.
In goldener Kutsche. Steig ein, sei mein Gast.
Schon bald kann ein Kurfürst dich nicht mehr entbehren.
(Schon bald können/könnten Fürsten dich nicht mehr entbehren)
Bedenk was dir fehlte und was du nun hast...

xXxxXxxXxxXx
xXxxXxXXxxX
xXxxXXxXxxXx
(xXxxXxxXxxXx)
xXxxXxxXxxX

Mit dem "Kurfürst" verhält es sich ähnlich.
Der Fürst der Kur bildet ein Morphem aus 2 Hauptworten.
Beide kämpfen um ihre Geltungshoheit.
Vielleicht willst du im Text etwas zu Viel. Es wäre hilfreich weniger Wortzusammenschlüsse ein zu bauen, die aus Hauptworten bestehen.

Nun komm schon, schliess zu die entkräfteten Augen
und fülle dir über den wässrigen Mund.
Du musst nichts mehr sehen, nichts reden, nichts glauben,
Versuch nicht zu fliehen, es gibt keinen Grund.

xXxXXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
"schliess zu", verhält sich wie "Tritt ein", das hinten an Stellen des Präfix ändert nicht die Hauptbetonung des Wortes "zuschliessen"

Du brauchst mir für nichts einen Taler zu geben.
Mir reicht schon dein Herz, dein Gewissen, dein Leben.

xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxXx

Lg Mono
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Alt 17.07.2023, 06:06   #12
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
Das ändert aber nicht dessen eigentliche Betonung nach Stammsilbendefinition in welcher sich die Wortwurzel nicht beugen lässt.
eintreten/einschlagen/einsteigen
....

Tritt ein in die Mühle am schwarzen Gewässer.
Ich lehre dich Müllern. Das Andere auch.
Die Betonung, die hier angegeben wird, ist falsch. Wörter mit der Vorsibe "ein" werden auf der ersten Silbe betont, also EINtreten, EINschlagen, EINsteigen. So wird es vom Duden bestätigt (auch bei der Vorsilbe "an-" wie z.B. ANweisen, ANgeben).

Zitat:
Bettelstab XxX ohne Kontext gelesen
Bettelstab Xxx im Kontext gelesen
Stimmt ebenfalls nicht. Auch ohne Kontext wird "Bettelstab" nur auf der ersten Silbe betont, da es sich um einen Daktylus handelt. Siehe Duden.

Ebenfalls vom Duden bestätigt: "das andere", "vieles andere" usw. wird klein geschrieben, das es sich nicht um ein Substantiv handelt, sondern um ein Pronomen und gleichzeitig auch um eine Numeralie. Das gilt beispielsweise auch für "jemand", "niemand", "alle", "einige", "etliche", "alle anderen" usw. Ob ein Artikel vor "andere" steht, ist nicht maßgeblich.

Mit MonoTons Behauptungen wäre ich vorsichtig, denn es scheint, als seinen sie nicht überprüft, sondern einfach für richtig angenommen worden, da diese Fehler leider gehäuft vorkommen, seit die Rechtschreibreform für allgemeine Verunsicherung gesorgt hat. Ein Pronomen ist und bleibt aber nun einmal ein Pronomen, egal wieviele fehlgeleitete Leute glauben, ein Artikel ziehe automatisch ein Substantiv bzw. Nomen nach sich.

Hier wird sich mit wilder Fachsimpelei an einem Gedicht abgearbeitet, das astrein von Anfang bis Ende im Daktylus geschrieben ist und an dem es, was den Rhythmus angeht, nichts zu meckern gibt. Hört sich ja beindruckend an, mit Begriffen wie "Amphibrachys" um sich zu werfen, aber selbst in Lehrbüchern für Literaturwissenschaftler (wie z.B. den Standardwerken von UTB Wissenschaft) wird bei der Verslehre auf sie verzichtet, weil sie in den meisten Fällen ebensogut als eine Reihung von Daktylen gelesen und interpretiert werden können. Im übrigen ist der Amphibrachys ein Vers, der sich vornehmlich bei der Ode findet und in der Versmitte zwei Hebungen hat, wie z.B. bei Klopstock:

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht.
...

Dies ist in dem hier besprochenen Gedicht nicht der Fall.

Es gibt also keinen Grund, Schreibfan, die sich ganz offensichtlich viel Arbeit mit dem Gedicht gemacht hat, derartig zu verunsichern.
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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.07.2023, 07:00   #13
männlich MonoTon
 
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viel Glück, mir wird es zu mühselig einen Amphibrach einem Daktylus unterzuordnen, wenn das gar nicht das Ziel ist.

Lg Mono
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Alt 17.07.2023, 07:36   #14
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
. In der Preußler Version wird Krabat, ein Betteljunge, von einem Raben quasi zur Mühle am schwarzen Wasser herzitiert. Er wird formal gefragt, ob er dort wohnen möchte und Geselle werden, eine wirkliche Wahl hat er aber letztendlich nicht. Gefragt wird er vom Meister (der ihn in Rabengestalt beobachtet hatte): "Was soll ich dich lehren? Müllern oder auch alles andere?" Undbedarft und ahnungslos antwortet Krabat "das andere auch". "Schlag ein", fordert der Meister und hält ihm die Linke hin, wie es in der schwarzen Magie Brauch ist. "Das andere" was Krabat lernen wird, sind nämlich schwarzmagische Künste, das erfährt er aber erst einige Kapitel später...
Hallo Schreibfan,

in dem Zeichentrickfilm kam aber auch eine Liebesgeschichte vor, soweit ich mich erinnere. (Achtung, Spoiler - für die, die Geschichte noch lesen wollen).

Der Meister verwandelt alle Müllerburschen am Schluss in Raben. Das Mädchen, in das sich Krabat verliebt hat (und sie sich in ihn), soll ihn unter allen Raben identifizieren. Sie kann es, und warum? Sie sagt: „Ich habe ihn am lauten Klopfen seines Herzens erkannt, das so laut klopfte, weil er Angst hatte - Angst um mich."

Hach, war das so schön ...

Jetzt weiß ich es übrigens wieder, ich hatte den Film damals gar nicht von Anfang an gesehen. Deswegen wusste ich das mit dem Kurfürsten nicht.

LG DieSilbermöwe
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Alt 17.07.2023, 12:49   #15
männlich Heinz
 
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Liebe Schreibfan,
manchmal habe ich das Gefühl, als spräche MonoTon so kompliziert, damit ihn ja niemand versteht. Ilka-Maria trifft den Nagel auf dem Kopf, wenn sie von astreinen Daktylen spricht und, nebenbei bemerkt, gibst Du ihr mit Deiner Betonungsdemonstration recht:

Tritt EIN in die MUEhle am SCHWARzen GeWAESSER.
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ZerBRECH deinen BEttelstab, HIER lebst du BEsser.
Schlag EIN mit der LINKen, denn SO ist es Brauch.

Ich NEHme dich MIT in die HOEheren SPHären.
In GOLdener KUTsche. Steig EIN, sei mein GAST.
Schon BALD kann ein KURfürst dich NICHT mehr entBEHren.
BeDENK was dir FEHLte und WAS du nun HAST...

Nun KOMM schon, schliess ZU die entKRAEFteten AUgen
und FUELle dir UEber den WAESSrigen MUND.
Du MUSST nichts mehr SEHen, nichts REden, nichts GLAUben,
verSUCH nicht zu FLIEhen, es GIBT keinen GRUND.

Du BRAUCHST mir für NICHTS einen TAler zu GEben.
Mir REICHT schon dein HERZ, dein GeWISSEN, dein LEben.

Setze ich Deine Schreibweise in Xse um, dann sieht das so aus:
x Xxx Xxx Xxx Xx
Tritt ein in die Mühle am schwarzen Gesser
x Xxx Xxx Xxx X
ich lehre dich llern, das andere auch
x Xxx Xxx Xxx Xx
zerbrich deinen Bettelstab, hier lebst du besser

usw.
Ich schließe mich Ilka-Maria an. Wir haben es hier durchgängig mit Daktylen (vorweg jeweils ein Auftakt) zu tun.
Ob der "tänzerische" Rhythmus, den ein Daktylus in meinen Ohren hat (Ich tanze mit dir in den Himmel hinein = x Xxx Xxx Xxx X), zu dem Bild einer Mühle passt, lass ich mal dahin gestellt.
Amphibrachies (siehe mein Beispiel aus dem oben angeführten Schillergedicht) sind Deine Verse meiner bescheidenen Meinung nach nicht und Daktylen passen vom Rhythmus her nicht. Selbst kein Sonett-Experte, trau ich mich aber doch zu bemerken: Nachdem das Sonett (ich glaube, aus Italien zu uns kommend) die deutsche (und selbstverständlich auch die englische) Poetenwelt erreicht hatte, hatte sie zunächst eine andere Silbenzahl und einen anderen Versfuß. Sonette wurden in Alexandrinern (sechshebig mit deutlicher Zäsur in der Mitte des Verses) geschrieben, später (und auch jetzt vorwiegend in fünfhebigen Jamben.


Hier ein Vers in Alexandrinern:

Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Sechsfüßige Jamben (die im Alexandriner mal mit klingenden, mal mit stumpfen Kadenzen enden) mit einer deutlichen Zäsur: Jetzt lacht das Glück uns an//bald donnern die Beschwerden (xXxXxX//xXxXxXx).

So, Schluss jetzt.
Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 17.07.2023, 14:54   #16
männlich dunkler Traum
 
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... ich kenne bisher nur Juri Brezans Krabat und natürlich den tschechischen Film, doch irgendwie hatte mich der Koselbruch verwirrt. Jetzt suchte ich und fand es in/ neben Corny Cholmc, dann scheint alles richtig.
Ich finde dein Werk echt gut und wahnsinnig eingestampft (gut verdichtet) geschrieben.

wsT
dT
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Alt 18.07.2023, 00:09   #17
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Liebe alle, erstmal danke insgesamt für eure Rückmeldungen weiterhin, bei denen ihr euch alle sichtbar sehr viel Mühe gegeben habt. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn in konstruktiven Sinne an meinem Text "rumgefachsimpelt" wird, darum bat ich ja schließlich und nur so kann ich ja besser werden. Ich teile euch auch gleich meine Folgerungen aus euren Kommentaren mit, erstmal zu euren einzelnen Kommentaren (letzte zuerst):

Dunkler Traum: Danke dir fürs kommentieren. Was ist denn Corny Cholmc? Du bist einer der wenigen die ich kenne, die sich über Brezan dem Krabat Stoff angenähert hat. "Die schwarze Mühle" oder "Krabat oder die Verwandlung der Welt?" Ich habe auch die schwarze Mühle gelesen und finde das Buch phasenweise grausiger als Preußlers Version...den Koselbruch gibt Preußler geographisch an in seiner Version.

Lieber Heinz. Danke dir nochmals für dein kritisches hingucken. Ich finde das nicht besserwisserisch, wenn es weiter hilft. Inhaltlich gleich mehr...

Liebe Silbermoeve: Auch dir danke fürs erneute kommentieren. Du hast Recht, in der Preußler Version gibt es eine Liebesgeschichte. Die Verfilmungen halten sich allerdings in dieser Hinsicht alle nicht an die Vorlage was deren Inszenierung angeht. Aber das ist ja nicht tragisch. Mittlerweile habe ich erstmals auf YouTube die DEFA Verfilmung "die schwarze Mühle" aus den 1970ern gesehen. Die ist auch sehr interessant, orientiert sich an der Brezan Version.

Liebe Ilka: danke dir für deine Sicht bezogen auf die Betonungen. Ich habe auch den Duden nochmal zu Rate gezogen und kann auch nur auf den Schluss kommen, dass ich die Betonungen richtig gesetzt habe-zumindest, und da ist der Knackpunkt- wenn ich von Daktylen ausgehe. Das bringt mich zu Monoton:

Liebe Monoton: Dir danke ich fürs Kommentieren und fürs X en, ich persönlich finde das hilfreich, kann es aber technisch nicht, da mir aktuell mit Internet Zugang nur mein Smartphone zur Verfügung steht und ich die zehn Stunden nicht Zeit habe, die ich dann fürs X en bräuchte .
Was deine Analyse zu den Betonungen angeht, stimme ich, wie oben geschrieben, mit dir nicht in jedem Punkt überein, da bin ich eher mit Ilka. Aber ich gebe dir im einem Recht: wenn ich angebe, dass mein Sonett in Amphybrachies geschrieben ist und ein Sonett ist, dann will ich auch ein Sonett und Amphybrachies fabriziert haben und eigentlich keine Daktylen. Und so komme ich nun zu meiner Schlussfolgerung und auch gleichzeitig meinem Dilemma mit diesem Text:

Punkto Amphybrachies:

Tatsächlich bin ich nahezu davon ausgegangen, dass Daktylen mit Auftakt und Amphybrachies praktisch das gleiche wären. Dies scheint nicht zu stimmen und ich gebe zu, ganz klar wird mir der Unterschied noch nicht. @Pennywise, vllt weißt du weiter?
Was ich aber gemacht habe, ist, mir Goethes Lied der Parzen vorzunehmen.
Also der Versfuss Amphybrachies ist ja dreisilbig unbetont, betont, unbetont. Der Daktylus ist dreisilbig betont, unbetont, unbetont. Kann es sein, dass auch eine Sinn- oder Worteinheit innerhalb eines Versfusses abgeschlossen sein sollte?
Goethe gelingt das (meines Erachtens) beim genannten Beispiel bis auf eine Stelle gut (hier die erste Zeile)

es FUERCHte die GOETter das MENSCHen geSCHLECHT

Wenn dem so ist, wären mir tatsächlich keine Amphybrachies gelungen, denn so gelesen müsste ich dann immer mitten im Wort eine Zäsur machen in meinem Text.

Sollte diese Regel (wenn ich denn korrekt liege) auch für Daktylen gelten? Dann müsste ich auch bei der Lesart in Daktylen in meinem Text teils mitten im Wort eine Zäsur machen. Aber für Daktylen habt ihr den Text ja alle durchgewunken. Und wenn diese Regeln stimmen, was macht man dann mit Gedichten wie dem Erlkoenig oder der Sachlichen Romanze? Da wären dann auch Zäsuren mitten im Wort Vllt kanns jmd noch genauer aufschlüsseln oder mir einen Tipp zum einlesen geben? Das wäre wirklich lieb. Ich mag mich da schon weiter bilden.


Ein Sonett, das muss ich mittlerweile selbst einräumen, ist der Text nicht wirklich, er erfüllt ja nur zwei von vier wichtigen Kriterien. Zeilenanzahl und Versstruktur stimmen fürs Shakespeare Sonett. Ich denke, These, Antithese und Conclusio sind mir (hoffentlich) gelungen. Die Jambenregel habe ich gekippt (absichtlich), aber fünf bis sechshebig sollte ein Sonett vllt schon sein und von der gängigen Silbenanzahl habe ich mich auch entfernt.

Also: kein Sonett, keine Amphybrachies, leider, Schade Schokolade.

Mein Dilemma: eigentlich mag ich den Text auch so wie er jetzt ist. Ich finde (bezogen auf deinen Kommentar, Heinz), den Rhythmus für meinen Inhalt passend. Denn tänzerisch muss ja nicht unbedingt frohgemut sein. In der Tat hatte ich beim Lesen des Krabat Buches von Preußler immer, trotz Sprachdichte, etwas sehr melodisches herausgelesen. Der Meister befiehlt nicht nur im Sinne eines Imperatives, er zieht Leute in seinen Bann. Das hat ja auch was rhythmisches...

Vllt könnte man einfach im Titel das "Sonett" und die "Amphybrachies"rausnehmen. Oder so:
"Werd Müllerbursch am Koselbruch. Ein veganes Sonett mit Amphybrachies Ersatz". Also ein Sonett mit Amphybrachies ohne Sonett und ohne Amphybrachies

Ich würde aber eben mit neuer Erkenntnis weiter an Amphybrachies und Sonetten arbeiten aber dann eben ein weiteres Gedicht (vllt hat zum gleichen Thema) erarbeiten
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Alt 18.07.2023, 14:31   #18
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Liebe Schreibfan,
was mir große Freude macht, ist Deine lockere Art und Weise, an die Probleme heran zu gehen. Die Semester im Germanistikstudium, die sich mit der Metrik beschäftigten, habe ich leider versäumt, bin also kein Experte auf diesem Gebiet. Vieles versuche ich durch Gefühl zu ersetzen, wo vielleicht mehr Sachkenntnis angebracht wäre.
Wieso, z.B., wählte Goethe bei der Umarbeitung seiner Iphigenie (vom Prosatext zu fast durchgängigen Jamben) ausgerechnet bei den Lied an die Parzen den Amphibrachus?
Die flüssig daherkommenden (Schiller nannte sie mal "hinkend") Jamben in Blankversen (fünfhebige, ungereimte Jamben)

Und an dem Ufer steh ich lange Tage
Das Land der Griechen mit der Seele suchend;
Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.


werden einmal von Amphibrachys, eben diesem Lied an die Parzen unterbrochen. Man darf sich dieses "Gedicht im Gedicht" mit seiner antiken Versform auch in stampfenden Rhythmus mit bedrohlicher Stimme rezitiert vorstellen. (Auch in seinem Prometheus gibt es eine bedeutsame Stelle (die seinen Prometheus auf die Liste der verbotenen Literatur brachte).
Den Fragen an Zeus in (noch gesitteten Jamben):

Wer half mir wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich, von Sklaverei?

folgt (und auch diese Verse darf man sich im Rhythmus von donnernden Schmiedehämmern vorstellen:

Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?

Vielleicht ahnst Du, wie sehr es mir darauf ankommt, dass der Inhalt mit dem gewählten Versmaß "korrespondiert"?

Liebe Grüße,
Heinz
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Alt 19.07.2023, 11:55   #19
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Zitat:
Zitat von Schreibfan Beitrag anzeigen
Was ist denn Corny Cholmc? Du bist einer der wenigen die ich kenne, die sich über Brezan dem Krabat Stoff angenähert hat. "Die schwarze Mühle" oder "Krabat oder die Verwandlung der Welt?" Ich habe auch die schwarze Mühle gelesen und finde das Buch phasenweise grausiger als Preußlers Version...den Koselbruch gibt Preußler geographisch an in seiner Version.
Corny Cholmc - hier ohne Sonderzeichen - ist Schwarzkollm auf sorbisch. Der Koselbruch ist eine Hofschaft in Schwarzkollm. Krabat ist eine sorbische Geschichte, Brezan ist Sorbe und ich bin in der Lausitz aufgewachsen.
Preußler scheint die Geschichte ziemlich soft übernommen zu haben.
Übrigens fehlt deinem Gedicht noch die Befreiung Krabats von der Herrschaft des Müllers.

wsT
dT
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Alt 19.07.2023, 12:48   #20
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Der Amphibrachys wird aus Trochäen und Daktylen und zwei Vershälften mit einer Zäsur in der Mitte gebildet, wobei der Takt der zweiten Vershälfte den Takt der ersten spiegelt. Jede Vershälfte besteht aus drei Hebungen. Schema:

XxXxxX_XxxXxX

Also: betont, unbetont, b., u., u., b. // b., u., u., b., u., b.

Ein Beispiel von Hölderlin:

LANge LIEB ich dich SCHON, // MÖCHte dich, MIR zur LUST,
MUTter NENnen, und DIR // SCHENken ein KUNSTlos LIED ...

Den beiden ersten Langversen folgen sodann zwei Kurzverse nach dem Schema:

XxXxxXx(X)
XxXxxXx(X)

Fortsetzung Hölderlin:

DU, der VAterlandsSTÄDte,
LÄNDlichSCHÖNSte, soVIEL ich SAH.

Ich habe schon einige Male allen, die sich für Stilfiguren, Verslehre usw. interressieren, die Anschaffung von "Poetik in Stichworten" aus der Reihe "Hirth-Stichwortbücher" empfohlen. Ist nicht billig, lohnt sich aber. Es ist das einzige Werk, das ich bisher in die Finger bekam, in dem wirklich alle Begriffe der Literatur erklärt und mit Beispielen belegt werden.
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Alt 19.07.2023, 13:10   #21
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... wahrscheinlich scheiden sich genau bei betont und unbetont die Geister. Ich selbst habe es bisher auch nicht begriffen, vielleicht auch weil ich beim Rezitieren die Betonung dem Sprachfluss anpasse.

dT
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Alt 19.07.2023, 13:25   #22
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Zitat:
Zitat von dunkler Traum Beitrag anzeigen
... wahrscheinlich scheiden sich genau bei betont und unbetont die Geister.
Wundert mich nicht. In diesem Faden sind schon so viele falsche Beispiele angebracht worden, dass es die User, insbesondere die Autorin, völlig wuschig machen muss. Dabei ist es ganz einfach.
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Alt 21.07.2023, 16:44   #23
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Stimmt schon, ich bin etwas verwirrt, auch deine Variante, Ilka, finde ich zumindest im Netz nirgendwo. Aber euch allen erstmal an dieser Stelle ganz lieben Dank für eure Kommentare und eure muehevolle Hilfe. Und das Buch besorge ich mir.
LG Schreibfan
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Alt 21.07.2023, 17:48   #24
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Zitat:
Zitat von Schreibfan Beitrag anzeigen
Stimmt schon, ich bin etwas verwirrt, auch deine Variante, Ilka, finde ich zumindest im Netz nirgendwo.
Ich verlasse mich nicht auf das Internet. Es geht nichts über gute Fachbücher.

Ich wünsche schon jetzt ein schönes Wochenende.

LG
Ilka
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