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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 26.08.2020, 19:07   #1
weiblich AlteLyrikerin
 
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Standard Bin ich?

Bin ich schön genug?
Bin ich klug genug?
Bin ich schnell genug?

Bin ich erfolgreich?
Besitze ich die Accessoires,
die den Türstehern
der Vermögenden gefallen?

Bin ich nur Echo
ohne eigenen Klang?

Meinen verborgenen
Möglichkeiten
noch gar nicht geboren?
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Alt 26.08.2020, 20:09   #2
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Die Frage auf den Punkt gebracht:
Bist du Zeitgeist?

Oder anders gefragt:
Gab es jemals eine Zeit, die so reich und arm zugleich war wie heute? Und damit meine ich nicht an Gütern.
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Alt 27.08.2020, 11:47   #3
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Liebe Ilka-Maria,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar, der eine interessante Frage aufwirft.
Unsere Zeit scheint mir besonders ambivalent zu sein. Einerseits verfügen wir über Möglichkeiten und Freiheiten wie kaum eine Zeit zuvor. Ich würde im Mittelalter z.B. nicht gern eine Frau aus einer niedrigen sozialen Schicht gewesen sein.
Andererseits hat das Zeitalter der Massenproduktion und des Massenkonsums nicht nur eine Hebung des Wohlstandes (in Teilen der Welt) mit sich gebracht sondern ein Leistungsethos, dessen Belohnung das irdische Konsumparadies ist. Was das Zeitalter der Informationstechnologie noch aus uns machen wird, ist noch gar nicht absehbar.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 27.08.2020, 12:19   #4
weiblich Ilka-Maria
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Hm ... mir ist nicht klar, weshalb das Mittelalter immer als düster angesehen wird. Für die Frauen wurde es mit dem Beginn der Neuzeit erst richtig schwierig.

Davor hatten sie ihre Bereiche, in denen sie ihre Stellung behaupteten, vor allem in der medizinischen Versorgung. Die Frau war Partnerin, die mit ihrem Mann den Lebensalltag gemeinsam bewältigte, und in puncto Sexualleben war man frei, da scherte man sich nicht um das, was die Kirche forderte.

Mit den Gründungen der Universitäten und medizinischen Fakultäten, die den Männern vorbehalten waren, ging der Krieg gegen die "weisen Frauen" los und gipfelte schließlich in den Hexenverfolgungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Als dann während der Industrialisierung das Besitzbürgertum aufkam, das Vermögen an die Erben weiterzugeben hatte, war es mit der Freiheit der Frau völlig vorbei. Sie wurde entrechtet und bewacht, denn wer wollte schon ein Kuckuckskind als Erben haben?
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Alt 27.08.2020, 12:31   #5
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Als ich das Mittelalter als ein Beispiel herausgriff, dachte ich u.a. an folgendes:
Im Stand der Besitzlosen geboren, wäre ich entweder Leibeigene (und das bezog sich durchaus auch auf Leibliches - jus primae noctis) oder Magd (Manufakturen gab es bei uns noch nicht und Arbeiten in städtischen Zünften waren vorwiegend den Männern vorbehalten. Ich hätte keinen Zugang zu Bildung gehabt, der früher über die Klöster möglich gewesen wäre. Denn die Klöster haben in der Regel eine Mitgift verlangt. Wer die nicht liefern konnte, erhielt nur Zugang zu den niederen Diensten, die in einem Kloster anfallen.
1950 geboren, als Tochter eines einfachen Bergmanns in einer Familie mit 8 Kindern, konnte ich aufgrund von Bildungsreformen Abitur machen und studieren. Das sehe ich als einen Fortschritt an, der mir persönlich zugute kam, und den es in früheren Zeiten nicht gegeben hat.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 27.08.2020, 12:39   #6
weiblich Ilka-Maria
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Im Mittelalter brauchte man diese Art der Bildung für die gemeine Masse nicht. Man war in seinen Stand hineingeboren, sah dies als die gottgewollte Ordnung an und tat seine Pflicht. Männer hatten auch ihr Päckchen zu tragen. In eine Zunftordnung musste man erst einmal hineinkommen.

Niemandem wäre eingefallen, diese Ordnung in Frage zu stellen. Zwar gab es in der Literatur Auseinandersetzungen mit diesem Thema, aber die Sache ging für diejenigen, die aus der Ordnung fielen, in der Regel schlecht aus ("Meier Helmbrecht"). Individualismus, wie er heute herrscht, kannte man nicht.

Ich bin nicht sicher, ob die Menschen damals unzufriedener waren als die Menschen heute. Tatsache ist, dass eine Menge an "gesunden" Grundeinstellungen nicht mehr vorhanden sind. Zum Beispiel die Geduld: Heute muss jeder sofort etwas haben oder sofort bedient werden, zu warten oder gar Vorfreude zu genießen wird als unzumutbar empfunden.
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Alt 27.08.2020, 13:59   #7
weiblich Ilka-Maria
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Habe übrigens gerade auf der Wiese deine geänderte Fassung gelesen. Schade um das Original. Die letzte, sehr poetische Strophe, deren Sinn mir durchaus verständlich war, ist nunmehr ins Banale abgerutscht. Und die zusätzliche Strophe ist kein sonderlicher Gewinn. Gerade das Knappe, Essentielle hatten den Reiz des Gedichts ausgemacht.
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Alt 27.08.2020, 17:41   #8
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Liebe Ilka-Maria,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Sowohl für die historischen Anmerkungen als auch zu den diversen Fassungen des Gedichtes.
Was das Historische angeht, hast Du Recht. Es ist methodisch falsch unsere Sicht einer Gesellschaft der Individuen auf eine ständische Gesellschaft mit einer von Gott gegebenen Ordnung zu übertragen.
Dennoch gab es auch ohne individualistische Lebensentwürfe so starke Verwerfungen, dass im 13. Jhdt. die Bettelorden entstanden. Der krasse Widerspruch zwischen einer Ordnung, die angeblich für alle wohl gefügt war, in Wahrheit aber Grausamkeiten und Verelendung kannte, führte dann ja auch zum Ausgang des Mittelalters zu den Bauernkriegen.

Was nun die verschiedenen Fassungen auf der "Wiese" angeht, so ist es schlecht, wenn man von seinem Entwurf nicht zu hundert Prozent überzeugt ist. Dann ist man beeinflussbar und sucht nach Verbesserungen. Normalerweise lasse ich mich von verschiedenen "Schulen" und Vorgaben, wie Poesie zu sein hat, nicht beeinflussen. Aber dieses Mal war ich mir nicht sicher und daher motiviert auf die Kritik zu hören.

Interessant, dass Du die Originalfassung besser findest. Ich denke nochmals darüber nach.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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