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Schreibwerkstatt / Hilfe Gedichte und diverse Texte, an denen noch gefeilt werden muss.

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Alt 22.03.2011, 21:35   #1
männlich KoKomoKalamari
 
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Standard Bräuchte mal einen Rat

Hallo,

Ich habe seit einiger Zeit vor eine Kurzgeschichte mit dem Titel:“ Die Karte“ zu verfassen.

Es handelt sich hierbei um die Unfähigkeit eines professionellen Pokerspielers seine soziale Kälte, welche er sich durch das jahrelange Spielen angeeignet hat, im Privatleben abzulegen. Dies spielgelt sich durch Emotionslosigkeit beim Sex, in der Freundschaft usw. wieder.

Ich scheitere jedoch jedes Mal aus dem gleichen Grund: das Spiel selbst. Es fällt mir ungemein schwer das Spiel und die involvierten Entscheidungsprozesse darzustellen ohne in Fachidiotie und mathematischen Formeln zu enden, andererseits will ich mich keinesfalls des Stereotyps des degenerierten Spielers bedienen.

Habt Ihr vielleicht irgendwelche Ratschläge parat?
Oder ist die Grundidee an sich zu schwach?
Was hält ihr vom Titel?

Danke
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Alt 22.03.2011, 21:56   #2
Ex-Odiumediae
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Die Idee finde ich hervorragend. Es ist nur schwer, Dir Tipps zu geben, wenn man nicht weiß, wie Du beschreibst. Grundsätzlich würde ich sagen, das es die Mühe wert sein könnte so vorzugehen:

Schreibe Dir alle Begriffe auf, die Dir zum Thema und zur Geschichte passend einfallen. Dann lege die ab, die zu speziell sind, so bekommst Du einen Überblick über das Dir zur Verfügung stehende Fachvokabular. Etwas davon macht die Geschichte glaubwürdig, zu viel davon macht wiederum die Geschichte zu einer Zumutung für diejenigen, die sich nicht für Poker interessieren. Hole deine Leser da ab, wo sie sind – in dem Fall würde ich von einem Allgemeinwissen über Poker ausgehen und einige wenige spezielle Begriffe dazu nehmen, die in einem Satz leicht erklärbar sind. So schaffst Du Reminiszenzen für alle, denen die Materie bekannt ist und überforderst nicht die, die sich damit nicht auskennen.

Vielleicht kannst Du Dir auch einen Erzählmeister zum Vorbild nehmen. Du könntest Dich z.B: an Stefan Zweigs Schachnovelle orientieren. Er hat es geschafft, Schach zum Thema seiner Novelle zu machen, ohne zu speziell zu werden. Bestimmt kannst Du etwas lernen, dass Dir beim Schreiben Deiner Kurzgeschichte hilft.
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Alt 22.03.2011, 22:10   #3
männlich KoKomoKalamari
 
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Danke fürs Feedback.

Die Schachnovelle hab ich vor ein paar Jahren gelesen. Es ist aber ein gute Idee sich an ihr zu orientieren und ich werde sie nochmals zur Hand nehmen.

Was hälst du denn vom Titel?
Ich find ihn fast zu lahm, mir fällt nur kein Anderer ein.
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Alt 22.03.2011, 22:16   #4
Ex-Odiumediae
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Ehrlich gesagt, ich verstehe den Titel nicht. Die Gemeinsamkeit zwischen Poker und Karten ist klar, aber ich verstehe nicht, inwiefern die Karte zur Geschichte selbst in bezug steht.

Ich würde es bei "Die Karte" als Arbeitstitel der Geschichte belassen und erst wenn sie fertig ist einen endgültigen Titel wählen. Vielleicht ergibt er sich dann schon anhand eines interessanten Details des Geschichtsverlaufs, das schafft beim Lesen einen Aha-Effekt.
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Alt 22.03.2011, 22:23   #5
männlich KoKomoKalamari
 
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Die Karte determiniert die Spielweise des Spielers (außer er blufft eiskalt, was nicht so oft vorkommt).
In diesem Fall ist nicht nur der Erfolg bzw. Misserfolg vom Fallen einer bestimmten Karte abhängig, sonder sein ganzes Leben.
Er setzt also viel mehr als Geld, er setzt sich selbst.
(Könnte auch "der Einsatz" heissen)
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Alt 22.03.2011, 22:46   #6
männlich Ex-Schamanski
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Vielleicht wäre es ja gerade interessant, ein wenig Fachidiotie und Statistik einzubauen, vielleicht nicht direkt die Formeln, aber die Wahrscheinlichkeiten in Prozent.
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Alt 22.03.2011, 23:00   #7
Ex-Odiumediae
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Zitat:
Zitat von Schamansky Beitrag anzeigen
Vielleicht wäre es ja gerade interessant, ein wenig Fachidiotie und Statistik einzubauen, vielleicht nicht direkt die Formeln, aber die Wahrscheinlichkeiten in Prozent.
Zugestimmt. Darunter kann sich jeder etwas vorstellen und außerdem zeigte es den kühl berechnenden Charakter des Protagonisten.
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Alt 22.03.2011, 23:03   #8
männlich KoKomoKalamari
 
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Die Wahrscheinlichkeiten in Prozent ist nicht das Problem, obwohl das ganze eher in Wahrscheinlichkeitsquoten und Gewinnquoten erfasst wird. Außerdem ist die Terminologie im Poker ausschließlich in Englisch, was von Laien nicht verstanden wird und von Spielern gefordert wird.

zB. versteht ein Laie reverse implied odds nicht, ich aber, wenn ich den Begriff erklären will, einen versierten Spieler über zwei Seiten mit Sachen bombardieren muss die er eh schon weiss. Eine Übersetzung ins Deutsche hilft da auch nicht.

Solche Begriffe sind jedoch von Noten um die Entscheidungsprozesse darzustellen.
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Alt 22.03.2011, 23:05   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Es handelt sich hierbei um die Unfähigkeit eines professionellen Pokerspielers seine soziale Kälte, welche er sich durch das jahrelange Spielen angeeignet hat, im Privatleben abzulegen. Dies spielgelt sich durch Emotionslosigkeit beim Sex, in der Freundschaft usw. wieder.
Ich sehe das Problem nicht so sehr im Fachjargon, sondern in der Schwierigkeit, solch einen Charakter glaubwürdig darzustellen.

Erst einmal müßte plausibel erkennbar sein, daß der Protagonist tatsächlich durch seinen "Beruf" gefühlskalt gegenüber anderen Lebensbereichen wurde. Und ich sage bewußt "gefühlskalt", denn "soziale Kälte" ist ein Widerspruch in sich und kann es deshalb gar nicht geben. Im Gegenteil ist das Zusammenkommen am Spieltisch auch eine soziale Zusammenkunft im Sinne von Geselligkeit und gemeinsamen Absichten. Der Knackpunkt ist doch eher der, daß man ständig versucht, den Verstand über die Emotionen siegen zu lassen - und das ist bei fortschreitender Stunde verdammt schwierig, aber es ist ja auch Spaß, wenn nicht sogar eine Sucht, auf jeden Fall aber ein Kräftemessen.

So funktioniert das nicht. Viele Menschen - und gerade Männer in Führungspositionen - wissen sehr wohl zwischen der kühlen Geschäftswelt und der warmen, emotionalen, sozialen Welt (privaten Welt) zu unterscheiden und verstehen es, nach Belieben den Hebel umzulegen.

Dein Held kann gar nicht an Pokerface-Kälte leiden, sondern da muß noch etwas anderes mitspielen, eine Nebenhandlung, die ihm eine gute Portion Zynismus eingebracht hat. Nicht das Kartenspiel macht ihn gefühlskalt, sondern er projiziert aufgrund einer (schlechten) Erfahrung die Welt des Kartenspiels auf seine Umgebung. Er zweifelt, wird mißtrauisch und sieht überall, wo er Freude, Frieden und Liebe sucht, nur noch den Spieltisch.

Für solch ein Szenario bedarf es nicht allzu vieler Fachbegriffe aus der Spielerwelt.

Mir fällt jetzt noch so viel dazu ein, daß ich eine Abhandlung schreiben könnte, deshalb mache ich jetzt Schluß. Wenn nicht rübergekommen ist, was ich meine, dann hilft ein Elaborat auch nicht weiter.

LG
Ilka-M.
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Alt 22.03.2011, 23:17   #10
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Emotionen sind im Poker prinzipiell fehl am Platz, da emotionale Entscheidungen oftmals schlechte Entscheidungen sind und auch wenn sie sich ab und zu als richtig erweisen keinerlei Spielanalyse zugrunde liegen. Das Problem das ich darstellen will, und das habe ich an mir selbst bemerkt, ist das der Spieler nicht mehr in der Lage ist zwischen der Situation am Tisch und jener mit seiner Freundin zu unterscheiden. Er kann also nicht mehr auf Knopfdruck Emotionen zu bzw . nicht zu lassen und befindet sich in einem dauerhaften, neutralem Zustand.
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Alt 22.03.2011, 23:34   #11
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen


Dein Held kann gar nicht an Pokerface-Kälte leiden, sondern da muß noch etwas anderes mitspielen, eine Nebenhandlung, die ihm eine gute Portion Zynismus eingebracht hat. Nicht das Kartenspiel macht ihn gefühlskalt, sondern er projiziert aufgrund einer (schlechten) Erfahrung die Welt des Kartenspiels auf seine Umgebung. Er zweifelt, wird mißtrauisch und sieht überall, wo er Freude, Frieden und Liebe sucht, nur noch den Spieltisch.
Ich glaube Sie hatten bis jetzt nicht das "Vergnügen" sich mit Poker zu befassen. Da das Spiel, wenn in professioneller Hinsicht betrieben, ist nicht nur am Tisch gefühlsarm, sondern auch Gewinne und Verluste in ungeahnten Höhen werden ohne Emotionen hingenommen. Das klassische Pokerface findet in der Pokerwelt ohnehin wenig Beachtung, da Entscheidungen aufgrund von Situationsanalysen getroffen werden und nicht weil der eine Spieler geblinzelt hat.
Das Spiel an sich, ungeachtet ob mit postiven oder negativen Ausgang, lehrt dem Spieler gefühlkalt zu reagieren, komme was wolle.

Es ist einfach das Erleben von Extremen, das den Spieler zermürbt.

Das bestimmte Menschen in Führungspositionen in der Lage sind diesen Hebel nach Belieben zu betätigen mag schon sein. Das heisst aber nicht, dass ein Jeder in Lage ist zwischen diesen Extremen hin und herzuschalten.
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Alt 22.03.2011, 23:35   #12
weiblich Ilka-Maria
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Das nennt man "Stress". Er kämpft an zwei Fronten.

Daraus ließe sich eine spannende Geschichte nach dem Vorbild "12 Uhr mittags" konstruieren. Das Weib macht ihm die Hölle heiß, nur eben in einem anderen Szenario.

Jetzt hock Dich hin und schreib doch einfach mal!

Du hast eine Idee, hast jetzt einiges an Input - also fang an.
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Alt 22.03.2011, 23:42   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Es ist einfach das Erleben von Extremen, das den Spieler zermürbt.
Dazu bedarf es keines Pokerspiels, Extreme gibt es in allen Lebensbereichen und Lebenslagen - und zwar schlimmere Extreme als die Frage, zu gewinnen oder zu verlieren.

Aber das war hier nicht das ursprüngliche Thema, sondern es ging darum, eine Geschichte zu schreiben und ihrem Protagonisten ein Gesicht zu geben.

Du solltest Dich entscheiden, was Du willst: Entweder, Du willst eine Geschichte schreiben oder ein Essay über das Pokerspiel.

Mir ist inzwischen nicht mehr klar, wo Dein Gewicht ist.

Gruß
Ilka
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Alt 23.03.2011, 01:04   #14
männlich Ex-Schamanski
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Blöde Frage: was sind reverse implied odds?
---

Schreib einfach, ein wenig Theorie kann nie schaden.
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Alt 23.03.2011, 10:23   #15
männlich KoKomoKalamari
 
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reverse implied odds sind umgekehrte implizierte Gewinnmöglichkeiten, d.h mann gewinnt das Minimum, verliert jedoch das Maximum.

Das beste Beispiel wäre, wenn man eine Ass und eine Zwei hält. Bildet man ein Paar mit der Ass und setzt werden meist nur Spieler mit einer Ass und einer besseren Beikarte den Einsatz bezahlen. Die restlichen Spieler werden vermutlich passen. Man gewinnt also meist nur desshalb, da alle Spieler passen, wenn einer bezahlt ist man oftmals 8 zu 1 Ausenseiter und es kann mitunter schwierig sein sich von der Hand zu trennen.

Verstehst du nun warum ich Probleme habe Spielszenen für Ausenseiter und Spieler interessant zu gestalten.
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Alt 23.03.2011, 10:41   #16
männlich Ex-Schamanski
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Begriffen! Das hast Du doch in ungefähr einem Absatz erklärt.

Ich jedenfalls fände es hochinteressant, wenn Du solche Kalkulationen und Risikoabwägungen (ohne zu tief in Mathematisches zu gehen) in Deinen Text einzubautest, eben um zu verdeutlichen, wie Dein Protagonist "funktioniert", im Poker und in seinem sonstigen Leben, und mit welchen Auswirkungen und Konsequenzen. Ich sehe darin einen wirklich interessanten Ansatz, den es sich zu verfolgen lohnt.

Und ich habe vom Poker keine Ahnung! Ich kenne wohl die Blätter, aber das Zocken um Geld liegt mir nicht.
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Alt 23.03.2011, 10:42   #17
männlich KoKomoKalamari
 
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Danke.

Ja, dann fang ich mal (wieder) an.
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Alt 23.03.2011, 17:27   #18
weiblich Rosenblüte
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Hallo KoKomoKalamari,

die Besessenheit des Spielers kommt auch in "Lushins Verteidigung" von Vladimir Nabokov gut zum Ausdruck. Ich kann dir und allen, die sich für das Thema interessieren, die Lektüre nur ans Herz legen. Hier eine Inhaltsangabe von "Des Magiers Homepage":

Vladimir Nabokov war nicht nur einer der sprachgewaltigsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, sondern verfasste in "Lushins Verteidigung" auch den trotz Stefan Zweigs "Schachnovelle" bedeutendsten, weil die Materie wirklich durchdringenden Schachroman.

Lushin ist ein lustloser, unleidlicher und zutiefst phlegmatischer Junge, der an nichts im Leben Freude findet als an vertrackten Puzzlespielen und Zaubertricks, als er zufällig ein Schachspiel entdeckt. Dieses für ihn mit einer mystischen Aura umgebene Spiel läßt eine ungeahnte und in seinem Leben einzig bleibende Leidenschaft auflodern, der er als Heranwachsender im Heimlichen, Verborgenen, unverstanden hinter verschlossenen Türen frönt.

Bald erweist sich seine große Begabung, und getrieben vom eigenen Fanatismus und seinem skrupellosen Impressario Valentino mißt er seine Kräfte mit den größten Schachmeistern der Zeit, hetzt von Turnier zu Turnier, verschleißt sich in Simultan- und Blindschaukämpfen gegen Amateure. Lushin zählt zu der Handvoll Anwärter auf den Weltmeisterthron, doch seine schachliche Entwicklung stagniert. Mehr und mehr klafft über die Jahre die kreative Phantasie seiner häuslichen Vorbereitung und sein zaghaftes, ja ängstliches Spiel auf Turnieren auseinander. Zur gleichen Zeit tritt zum ersten Mal eine Frau in Lushins Leben, die seiner eigenbrötlerischen und abweisenden Art zum Trotz weniger ihn selbst als vielmehr sein Genie zu ihrem Idol erkürt.

Doch in seinem Herzen ist nur Platz für das Schachspiel, und in einem letzten großen Turnier will er noch einmal an seine zurückliegenden Erfolge anknüpfen. Er muß all seine Kräfte aufbieten, dem Favoriten Turatti Paroli zu bieten. Das Turnier kumuliert in der mit Spannung erwarteten aufreibenden Partie der zwei Widersacher, die unvollendet in einem Nervenzusammenbruch Lushins mündet.

Seine aufopfernde Frau versucht den Genesenden daraufhin gegen alle Schachgedanken abzuschirmen. Vergebens. Erneut entflammt ein Schachspiel Lushins schwelende Glut. Und allmählich wird ihm das ganze Leben zu einem Schachspiel, einer einzigen gewaltigen Partie, bei der er sich gegen die Eindringlinge in seine Welt verteidigen muß, ihre Züge vorausahnen, sie mit Gegenzügen beantworten, überall Fallen, Opfer, hinterlistige Kombinationen witternd. Doch schließlich muß er erkennen: Die Partie ist verloren. Als letzte Verteidigung bleibt ihm gleich dem Umstürzen des eigenen Königs als Zeichen der Aufgabe nur noch der Sturz aus dem Fenster hinab zu einer Erde, die unterteilt ist in helle und dunkle Quadrate.

Nabokovs Roman ist das Porträt eines Genies in einem ganz beschränkten Gebiet, der doch gleichzeitig unfähig ist zu leben. Alles, wonach er strebt ist "Einfachheit, harmonische Einfachheit, die mehr als die komplizierteste Magie in Erstaunen setzt". Doch das reale Leben ist nicht einfach. Und unter Menschen bleibt er, dessen Welt nicht mehr als 64 Felder braucht, unendlich einsam. So erfährt der Leser auch Lushins Vornamen "Alexander Iwanowitsch" erst auf der letzten Seite, als es bereits keinen Alexander Iwanowitsch Lushin mehr gibt.


Vor Jahren las ich mal einen Artikel im Spiegel, in dem es um die Pokerspieler in Amerika ging, die in einer Nacht Millionen gewinnen und wieder verlieren, aber das bedeutet ihnen nichts, denn das Geld ist nur Spielgeld. Vermutlich bedeutet ihnen auch die Restrealität nicht das Geringste.

Du fragtest, wie wir den Titel finden. "Die Karte" fände ich zu schwach. Ich würde lieber einen Fachausdruck verwenden, der mit Verlust zu tun hat. Vielleicht "Bad Beat": Ein Spieler verliert einen Pot, obwohl er zu dem Zeitpunkt, an dem er den Großteil der Chips gesetzt hat, die klar bessere Hand hielt als sein Gegner. Oder eben "reverse implied odds".

Ein Bekannter von mir spielt leidenschaftlich Online-Poker. Er kennt sich gut aus und versuchte schon vergeblich, mir die Finessen dieses Spiels zu erklären. Außerdem ist er Dichter. Wenn du möchtest, kann ich versuchen, den Kontakt herzustellen.

Lieben Gruß
Rosenblüte
Rosenblüte ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.03.2011, 18:00   #19
männlich KoKomoKalamari
 
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Danke fürs feedback Rosenblüte,

Bad beat finde ich zu kitschig. Aber der Titel ist jetzt im Anfangsstadium eh nebensächlich.

"Lushins Veteidgung" muss ich unbedingt lesen, das kann mir sicherlich helfen und mir die Angehensweise erläutern. Außerdem klingt das Buch ohnehin sehr interessant.

Vielen Dank,
KoKomo
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Alt 25.03.2011, 14:22   #20
männlich Caliban
 
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Dass Masken des Brötchenverdienstes sich zu wahren Gesichtern wandeln, ist kein seltenes Phänomen, immerhin findet der ungeliebte Gefallsüchtige hier seine größte Bestätigung. Insofern bin auch ich auf Schamanskys Seite, allerdings sollten Formeln und Fachjargon in Nebensträngen oder Kapiteleinleitungen laiengerecht erklärt werden. Ein genretypischer Terminus istauch als Kapitelüberschrift gut geeignet. So mag der Spieler, der aus seinen Spielstrategien eine Lebensphilosophie macht, eine Dame übelst hintergehen, um von ihr zu bekommen, was er will. Darüber die Überschrift "Bluff" zu setzen, scheint passend.

"Die Karte" taugt mir als Titel gut. Zuviel sollte dieser nämlich über die Handlung nicht verraten. Eine Szene aus einer Kishon-Satire mag als Beispiel dienen:

Autor: "Das Skript ist fertig, mir fehlt nur noch ein geeigneter Titel"
Lektor (ohne auch nur eine Seite gelesen zu haben): "Kommen in ihrem Buch Pauken vor?"
Autor: "Nein."
Lektor: "Und Trompeten? Spielen Trompeten eine Rolle?"
Autor: "Nein, auch keine Trompeten."
Lektor: "Na wunderbar, da haben sie schon ihren Titel: 'Weder Pauken noch Trompeten'. "
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