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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 07.05.2005, 09:44   #1
demon17
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 85

Standard Rabenherz

Branntest einst in hellen Flammen
für die kalten Wintersbräute.
Schenktest liebend falschen Schlangen
Lebenskraft zur fetten Beute.

Wärmtest diese kalten Herzen,
doch die Sehnsucht ließ dich bluten
Mit so bitterbösen Scherzen
spien sie in die Liebesgluten.

Eisgekühlt vernarbten Wunden
jahrelang in toten Nächten.
Doch in diesen schwarzen Stunden
holtest Du aus tiefen Schächten,

kalte Kraft aus deinen Gründen.
Bis zum Wahn sie hast erschlossen,
mitleidlos und frei von Sünden,
deine Wallfahrt hast genossen .

Frei von menschlichem Begehren
fliegst du in den wandelnd Zeiten.
Lass die Andern sich verzehren
Lieben, hassen und sich streiten.

Du bist tot und lebst zugleich.
demon17 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2005, 19:38   #2
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224

Zur äußeren Form:
Es lässt sich wunderbar flüssig lesen, die Wortwahl und die umschreibungen gefallen mir. :up: Ich wünschte ich könnte so schreiben.

Und nun das, worauf ich eigentlich aus war:
Mein eigener kleiner Interpretationsversuch. Denn das gefällt mir äußerlich SO gut, dass ich mich ein wenig mit dem Inhalt auseinandersetzen möchte.
Nungut, dann wollen wir mal... (es wäre übriegnds nett wenn du noch sagen würdest, ob ich richtig lag oder nicht.) *Finger knack*

1. Strophe:

Zitat:
Branntest einst in hellen Flammen
für die kalten Wintersbräute.
Schenktest liebend falschen Schlangen
Lebenskraft zur fetten Beute.
Ich gehe jetzt schlicht und ergreifend davon aus, dass die angesprochene *Person' das im Titel genannte "Rabenherz" ist, oder der Träger eben jenes, was für mich aufs gleiche hinauslaufen würde. Ich halte es für möglich, dass du, der Autor, dich damit selbst, bzw dein Herz, ansprichst. Das sei aber außen vor gelassen.
Es 'brannte einst in hellen Flammen' heißt für mich, dass es in vergangenen Zeiten sehr leidenschaftlich war, eventuell sehr impulsiv und von seinen Gefühlen erfüllt und geführt. Die hier genannten 'kalten Wintersbräute' würde ich (das klingt schonwieder sexuell angehaucht in meinen Ohren - oh weh.) tatsächlich als Frauen deuten. Frauen, die eventuell gefühllos gegenüber dem angesprochenen Herzen bzw. dem Besitzer des Herzens waren und/oder sind (kalt, Winter...), denen das Herz/die Person jedoch seine Leidenschaft und Liebe geschenkt hat. Es hat ihnen seine Lebenskraft, sein ein und alles als eine 'fette Beute' überlassen. Und sie haben es weggenommen ohne gleich zu empfinden. Könnte also eventuell mit vergangenen Beziehungen zusammenhängen. Schlag mich, wenn ich die 'Bräute' jetzt wirklich zu wörtlich genommen habe. Eine andere Möglichkeit will mir grade aber nicht in den Sinn.

2. Strophe

Zitat:
Wärmtest diese kalten Herzen,
doch die Sehnsucht ließ dich bluten
Mit so bitterbösen Scherzen
spien sie in die Liebesgluten.
Da haben wir wieder die kalten Herzen der miesen Winterbräute. Der/die/das angesprochene sehnt sich nach Zuneigung, Liebe, Wärme... Er gibt und gibt diese Liebe und Wärme, doch wird er nur enttäuscht und am Ende verspottet. Es wird sozusagen verächtlich auf seine (ich bleibe jetzt einfach mal bei der 'seine' und 'er' und so...) Liebe gespuckt, der er mit so viel Leidenschaft und Hingabe zu vermitteln versucht.

3. Strophe

Zitat:
Eisgekühlt vernarbten Wunden
jahrelang in toten Nächten.
Doch in diesen schwarzen Stunden
holtest Du aus tiefen Schächten,
Angestoßen von der ganzen fiesen Kälte um ihn herum, breitet sich die Kälte auch in dem angesprochenen Wesen aus. Die Wunden, die ihm die besagten Wintersbräute zugefüt haben, heilen nicht, nein, sie vernarben -> Der Angesprochene versucht das Geschehene zu verdängen, aber er kommt nicht wirklich darüber hinweg, denn die Resultate der Enttäuschung bleiben für immer. Seine Nächte sind tot und leer, unerfüllt. Er fühlt sich schätzungsweise alleingelassen. In eben dieser tiefer Trauer, in 'schwarzen Stunden' (schwarz ist so negativ behaftet) holt der Angesprochene trotz all der Verletzungen, Enttäuschungen und Narben und Wundern - und wovon ich noch so geredet habe - noch irgendetwas noch nicht genanntes, mysteriös-ominöses hervor, was tief in ihm ruht, bis jetzt geruht hat.

4. Strophe

Zitat:
kalte Kraft aus deinen Gründen.
Bis zum Wahn sie hast erschlossen,
mitleidlos und frei von Sünden,
deine Wallfahrt hast genossen .
Was er holt ist nicht näher definierte 'kalte Kraft'. Ich würde sagen, es ist eine merkwürdige Art von Kämpfernatur und Lebenswillen, der diesmal nicht auf Gefühlen sondern auf sachlicheren Werten und Zielen aufbaut, kälteren eben. Er holt das gnaze... eh... wie soll man das verstehen? Holt er es aus den Gründen heraus oder aus bestimmten Gründen her? Ich tippe mal auf letzteres. Ist zwar in diesem Fall nicht schön im Satzbau aber nunja. Jedenfalls hat der angesprochene ja scheinbar gute Gründe, um sich auf solch gefühlslose Lebenskraft zu stützen.
Jetzt frage ich mich allerdings, was der Angesprochene 'erschlossen' haben soll. Die Schächte oder die Gründe? Letzteres wäre in Bezug auf meine momentane Interpretation merkwürdig und irgendwie unlogisch. Tippe ich als auf die Schächte. Der Angesprochene hat also (scheinbar?) versucht zu sich selbst zu finden, bis er wahnsinnig wurde. Wahnsinnig ist jetzt mal nicht zu ernst zu nehmen, ich schätze einfach, jeder der versucht sich selbst zu verstehen muss iregndwann feststellen, dass er sich eben nicht versteht oder finden kann, das macht einen schon irgendwie irre. Nunja. Nicht vom Thema abkommen:
Er genießt seine Wallfahrt, Pilgerfahrt... (Wohin geht die? In die Schächte?) die ohne Mitleid seinen Mitmenschen oder sich selbst gegenüber ablief, während der er sich keiner Schuld bewusst war oder sich nichts hat zu schulden kommen lassen. Wie gesagt: Bei mir bleibt die Frage nach dem Wohin offen.

5. Strophe

Zitat:
Frei von menschlichem Begehren
fliegst du in den wandelnd Zeiten.
Lass die Andern sich verzehren
Lieben, hassen und sich streiten.
Derdiedas Angesprochene hat sich von seiner anfänglichen Leidenschaft und eventuell abhängigkeit und Liebe und Sehnsucht 'befreit'. Ich schätze, er sucht nicht mehr nach Liebe, er kämpft nicht mehr dafür. Er 'fliegt' - ist frei von Sorgen, leichtmütig und froh? - in einer sich verändernden Umgebung, ohne Mitgefühl oder Interesse für sein Umfeld. Ich würde sagen, innerlich gar ohne Gefühle, die ihm Kummer bereiten könnten. Denn die hat er ja weggesperrt.

6. Strophe (Letzte Zeile)

Zitat:
Du bist tot und lebst zugleich.
Ja, wie zusammenfassend. Ich sehe es einfach sorum: Der Angesprochene ist innerlich tot, quasi gefühlstot. Er empfindet nichts mehr für Menschen, für sich selbst, scht nichtmehr nach Liebe und spürt keine Sehnsucht mehr (ich hab das alles schonmal gesagt, glaube ich). Er ist eben innerlich, psychisch - banal gesagt - gestorben. Tot halt. Natürlich lebt er noch, aber nur physisch gesehen. Eventuell hat ersiees des öfteren noch seinen physischen Spaß, aber sämmtliche Gefühle und Empfindungen sind abgeschaltet und gestorben.

Gesamtkram:

Das Gedicht beschreibt, wie die Gefühle einer Menschen auf Grund von Enttäuschungen, Trauer und Sehnsucht abflachen und letztendlich sterben. Es ist sozusagen ein innerlicher Sterbeakt.


So. Abschlusswort nochmal: Es gefällt mir wirklich! :up:

P.S.:
Rechtschreibfehler bitte, bitte übersehen. Irgendwann berichtige ich nochmal, aber da fehlt mir jetzt der Nerv zu.

P.P.S.:
Nanu, ich hab ja garnichts zum Titel gesagt...
Tue ich das jetzt:

"Rabe" ist eigentlich - zumindest in Fabeln - ein recht negativ behaftetes Tier. Es wird als dumm dargestellt, von niemandem gemocht und immer nur verscheucht und so weiter... Auf das Gedicht bezogen passt das also. Derdiedas angesprochene ist eben ein metaphorisches Rabenherz oder hat das metaphorische Herz eines Raben. Oder so.
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2005, 20:27   #3
demon17
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 85

Du hast das Gedicht einigermaßen verstanden. Nur mit den "Gründen" hast Du schiefgelegen. Hiermit ist das psychische Fundament des lyrischen Ichs gemeint. In dieser Strophe wir eine Metamorphose beschrieben eben hin zum Rabenherz, wobei der Rabe eher eine Mischung aus der Konnotation die in Rabeneltern steckt und dem Odinsvogel ist. Auch sollte man vielleicht an Egar Allen Poes Der Rabe denken. Ich weiß ja nicht was Du so für Fabeln liest. Aber das ist halt die Gefahr bei den Metaphern. Ich hoffe Du hast Dich amüsiert.

Lieben Gruß

demon17
demon17 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2005, 20:37   #4
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224

Zitat:
Du hast das Gedicht einigermaßen verstanden.
Dankesehr.

Zitat:
Nur mit den "Gründen" hast Du schiefgelegen. Hiermit ist das psychische Fundament des lyrischen Ichs gemeint.
Da war ich mir ja unsicher, wie man gemerkt haben sollte. Also sind doch andere Gründe gemeint, eben die Gründe der Seele im Sinne von "der Grund(Boden, Fundament halt) der Seele"? Dann kommt das aber mit den Schächten schief, an der Stelle versteh ich es nicht ganz. Kannst dus mir ein wenig erklären?

Zitat:
In dieser Strophe wir eine Metamorphose beschrieben eben hin zum Rabenherz, wobei der Rabe eher eine Mischung aus der Konnotation die in Rabeneltern steckt und dem Odinsvogel ist.
Umm. Erläutern?


Ich kenne größtenteils nur Fabeln von Phaedrus... ein paar von ... umm, Namen vergessen, jedenfalls noch 2 andere. Ich beschäftige mich nicht wirklich damit.

Zitat:
Auch sollte man vielleicht an Egar Allen Poes Der Rabe denken.
Zu welcher Erkenntnis würde man da kommen? Ich kenns nämlich nicht.
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2005, 21:07   #5
demon17
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 85

Also zu Deinen Fragen, die letzte zuerst, am besten Du liest es selbst. http://www.poedecoder.com/essays/raven/ Da hast Du auch eine Menge zur Symbolik des Raben in der Antike.

Zu den Schächten, das lyrische Ich bohrt sein Innerstes an, es gräbt Schächte um zu sehen was tief in ihm verborgen liegt und treibt diese durch den Grund seiner psychischen Grundlagen. ...bis in den Wahnsinn.

Rabeneltern verstehst Du wohl, schlechte Eltern, schlechter Liebhaber, nach der Metamorphose. Die Odinsvögel sind zwei Raben, die Odin als Boten und Augen dienten. Deshalb auch der Flug des Herzens im letzten Vers.

Ich hoffe ich habe Deine Fragen beantwortet.

Dark Dreams

demon17
demon17 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2005, 22:09   #6
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224

Jetzt verstehe ich die Strophe mit den Schächten hoffentlich richtig.

Aber so wie ich das jetzt sehe... Wem soll das Herz als Bote/Auge dienen?
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2005, 22:32   #7
demon17
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 85

Die Botschaft ist z.B. das Gedicht. Das Auge steht für die veränderte Sichtweise, die durch die Metamorphose zum Rabenherz entsteht. Vielleicht kennst Du den Satz, Liebe macht blind ?
demon17 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2005, 00:10   #8
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224

Okay. Danke, danke.

Bist du denn sonst zufrieden mit mir? Interpretationstechnisch?
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2005, 15:07   #9
demon17
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 85

Doch sehr zufrieden. Wenn ich auch Deine Ironie nicht immer ganz angebracht finde, angesichts meiner tiefschürfenden Lyrik , so kommst Du im Kern der Sache sehr nahe.
demon17 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2005, 15:20   #10
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224

Tschuldigung, ich kann nichtmal das was ich ernst nehme letztendlich wirklich ernst nehmen. Es liegt wohl daran, dass ich mich und mein Leben nicht unbedingt ernst nehme. (Ich sollte damit mal anfangen )

Dankesehr nochmal, jetzt fühl ich mich bestätigt.
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.05.2005, 17:52   #11
demon17
 
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Beiträge: 85

bleib so
demon17 ist offline   Mit Zitat antworten
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