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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 07.10.2007, 22:44   #1
lyrwir
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 449

Standard Anlage, modern

Mir geht der alte Haselstrauch im Garten auf die Nüsse,
viel lieber sähe ich geteerte Fläche dort an seiner Statt
und auch den Duft der vom Lavendel hochgejazzten Rosen,
den kann ich nicht mehr riechen, denn meine Nase hat ihn satt.

Ich sehne mich zurück zu Pflasterstein, Asphalt und Mörtel,
zu grauem Gussbeton. Und Kacheln seh am Wegesrand ich sprießen,
statt Unsinnsgräser hoher Rispenstände oder Pflücksalat,
will ich Bitumen, Eternit und Kalksandstein genießen.

Motoren brummen, nicht die Hummel, Kabelstränge summen Strom,
mit Estrich schütt ich zu die Wiesen. Fliesenbeete will ich auch.
Die Fugen streich ich zu mit grüner Kittverdichtungsmasse,
aus Stahl die Blume, die ich pflanze. Rostfreier Baum und Strauch.
lyrwir ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.10.2007, 09:40   #2
Last One Left
 
Dabei seit: 03/2005
Beiträge: 151

Hey Lyrwir,

deine Art jede zweite Zeile zu reimen funktioniert. Der 7-hebige Jambus tut seinen Rest dazu, so dass genug Abstand, zwischen den Reimwörtern ist. Dadurch wird dem leser der Reim nicht aufgezwängt, sondern reiht sich als melodische Unterstätzung des Leseflusses in den Text ein.
Inhaltlich beschreibst du mit verstohlener Ironie ein lyr. Ich, dem die klassische Natur auf den Sack geht und der lieber "Modernes" möchte. Eine Verkehrung der romantischen Naturdichtung offenbart sich besonders in Strophe 2: "Ich sehne mich zurück zu Pflasterstein, Asphalt und Mörtel." Statt der Natur, die sich zivilisierte Plätze zurückerobert, wird hier die Natur erobert. Essenz des Gedichtes ist wohl die Stahlblume als Symbol einer neuen, härteren Natur, die nicht mehr schwach und zerbrechlich ist.
Über die Strophen hinweg vollzieht sich eine Steigerung. Zunächst wird Abneigung gegen die Natur kundgetan (Strophe 1), dann die Vorzüge des Bebauten angepriesen (Strophe 2), schließlich aktiv eingegriffen (Strophe 3).
Zunächst war mir diese Steigerung zu lasch und mir fehlte die Aufklärung, warum lyr. Ich die Natur nicht mag. Für ein beobachtendes Naturgedicht reicht es aber allemal und nach und nach geht auch mehr und mehr Interpretationen auf. Sprachlich sowieso sehr stark gemacht, weiß es als einer jener Texte zu überzeugen, die erst aufgehen, wenn man sie wieder und wieder liest und bietet sogar Erinnerungspotential.

LG
Last
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Alt 08.10.2007, 21:20   #3
lyrwir
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 449

Hallo Last One Left,
da dies schon eine Art von Naturgedicht sein soll, wollte ich es möglichst sanft halten. Aggresiv durch die Beete zu stiefeln wäre natürlich auch reizvoll gewesen, aber das hätte die Form zerstört. Das mit der Steigerung habe ich selbst gar nicht so gesehen, aber jetzt, wo du es schreibst . Eine Aufklärung über die Beweggründe des LyrI halte ich nicht für nötig, der eine mag (und muss das auch nicht begründen), die andere nicht.
Danke auch für deine Beschäftigung mit der Form, das ist ja eher selten heutzutage und hierzulande.
Ich freue mich darüber, dass dir dieses Gedicht gefällt und dass du es nominiert hast.
LG
lyrwir
lyrwir ist offline   Mit Zitat antworten
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