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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 13.03.2008, 23:25   #1
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

Standard Engel mit wunden Füßen

Inzwischen, wir hatten im Sportunterricht den Mädchen vom Ende der Bahn aus beim Rennen zugeschaut und gestaunt mit dreckigen Vorstellungen im Kopf, sind wir erwachsen geworden. Der Einoderandere baute sich ein Haus, bekommt Kinder, Depressionen oder ein gutes Gehalt.

Ich mag das Licht der Straßenlaternen. Unter manchen wirken die Hände wie mit verschwommenem Gold überzogen und ich frage mich, wie wohl die schöne Isabella mit ihren wunderbaren Haaren in diesem Licht aussehen mag.

Die Nachbarn sind nette Leute. Ich kann zu ihnen gehen und Werkzeug ausborgen. Wir grüßen uns lächelnd und die Kinder spielen zusammen. Ich fühle mich wie eine einzige häßliche Lüge hier. Man nennt das Heimatstadt und Wohnung und Familie. Ich nenne es Aufenthalt.

Das Leben ist ein Weg, sagst Du, hast Dir längst die Flügel von den Schultern gerissen, die ich Dir einst andichten wollte, und gehst barfuss. Ich habe nach Sternen gegriffen und sie gingen einzeln aus. Du schürfst Dir die Haut von den Füßen und lächelst Dein Lächeln. Du bist glücklich. Das macht mir Angst. Du hast gewonnen.
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.03.2008, 00:07   #2
apnoe
 
Dabei seit: 01/2007
Beiträge: 785

lieber tagedieb.
kein text von dir ohne tiefenwirkung.

der hier schnürt mir das herz ab.
warum weiß ich nicht
mir tut die sprache und der inhalt auf eine seltsam berührende weise wirklich weh. ich wünschte, ich könnte ihn wieder wegschieben, wie etwas zu großes, das einem nicht gehört.


lieben gruß,
a
apnoe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.03.2008, 16:22   #3
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

Wie es geht, weiß ich nicht. Aber im Abstand von einem Tag lässt sich für mich der Text anders mustern. Wir haben ja Steine für den See ...
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.03.2008, 17:13   #4
apnoe
 
Dabei seit: 01/2007
Beiträge: 785

ach, in wahrheit musst du das auch nicht wissen.
das schieben geht wie von selber, wenn man die größe der bedeutsamkeit mindert.

ich finde, dass durch die änderungen ein wenig von der schwere der sprache verloren gingen, obwohl das barfuß- bild und die aufgeschürften füße thematisch besser zusammenpassen, als das bild der
hände, das du vorher hattest. für mich hat das barfuß gehen allerdings das bild des sich von konventionen freimachens beinhaltet und die hände ein abstreifen alter dinge..deshalb fand ichs passend.
nun ist das bild des gehens durchgängiger, ich finde aber schade, dass die füße vom frech schmutzigen zum wunden avanciert sind.
auch weil das bild der rennenden mädchen vom anfang gefühlsmäßig nicht mehr wiederhallt.

ich kann den text auch anders mustern nach einem tag.
die steine haben wir. ja.
ja!
lg a
apnoe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.06.2008, 19:50   #5
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007

Standard RE: Engel mit wunden Füßen

Heyho Ro,

ich hab schon eine Weile mit dem Text geliebäugelt. Zweifellos hat er starke Wirkung. Wenn ich aber versuche, es näher zu ergründen, komme ich nicht weiter.
Es ist wieder eine Art Collage - die einzelnen Abschnitte scheinen nicht zusammenzuhängen. Und genau da hänge ich mich auch auf. Ich finde den Zusammenhang nicht. Es ist wie ein Mischmasch aus Gefühlen in einer Geschichte.
Einen Bezug sehe ich im Motiv des Weges, der am Anfang gerannt wird (weil die Zeit schnell verging), später gegangen (Schritte bedächiger gewählt oder einfach fehlender Enthusiasmus).
Barfußgehen könnte Verletzlichkeit symbolisieren oder einfach "mehr spüren". Eingerahmt von beiden Wege-Abschnitten ist ein ruhiger Moment, in dem innegehalten wird (Abschnitt 2) und eine allgemeine Beschreibung von Unzufriedenheit (Abschnitt 3) mit der momentanen Lebenssituation, aus der der Prot aber auch nicht wegzukommen scheint.
Vielleicht ist das Vorwärtsgehen auch als Suche nach Glück zu verstehen. Der angesprochene Engel geht nicht mehr fort, entreißt sich sogar die Flügel, was ein tolles Fortbewegungsmittel gewesen wäre, und macht die Füße laufuntauglich. Deswegen sagt der Prot, der Engel sei glücklich, was allerdings fraglich erscheint bei den genannten Verletzungen, die der Engel auf sich nimmt. Etwas Bitterkeit meine ich auch zu spüren, wenn ich das Ende lese.

So viel zu meiner Lesart. Ich hab noch einen Kritikpunkt:

Zitat:
sind wir erwachsen geworden. Der Einoderandere baute sich ein Haus, bekommt Kinder, Depressionen oder ein gutes Gehalt.
Die Zeitformen sind hier etwas wirr. Einerseits "baute sich ein Haus" im Präteritum, andererseits ist das Kinderkriegen und Bekommen von Depressionen Gegenwart - ich sehe aber keinen Grund dafür.

Liebe Grüße

Igi
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
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