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Alt 17.01.2020, 19:58   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Hamlet

Die Autobahn

Hamlet wurde die Fahrt allmählich langweilig. Nur einmal war er so lange eingesperrt gewesen, auf der Reise an den Bodensee, die lediglich für eine Imbisspause unterbrochen worden war. Ungeduldig setzte er sich auf und begann, Herrchens Nacken zu lecken.

„Lass das, Hamlet, du störst mich beim Fahren!“

Hamlet versuchte es bei Frauchen, doch diese gab ihm einen Klaps auf den Kopf. „Hör auf damit. Du weißt, dass ich das nicht mag.“

Hamlet jaunerte kurz und streckte sich auf den Rücksitzen wieder aus. Es dauerte und dauerte, bis Herrchen endlich das Tempo verringerte. Hamlet hob den Kopf, lupfte die Ohren und wedelte mit dem Schwanz. Gleich würde ihm die Tür zur Freiheit geöffnet.

„Ich glaube, das ist weit genug. Hier ist auch gerade niemand.“ Herrchen bremste den Opel bis zum Stillstand, und Frauchen begann zu schluchzen. Hamlet legte den Kopf schief. Was war hier los?

„Lass die Heulerei, Katrin. Ich hatte dir gleich gesagt, dass ein Bernhardiner für eine Achtzig-Quadaratmeter-Wohnung übertrieben ist. Aber du musstest deinen Kopf wieder einmal durchsetzen.“

„Aber … er war doch … so niedlich …“

„Ja, als er klein war. Putzig und niedlich und was noch alles. Und jetzt schau dir diesen Koloss an! Dabei ist er noch nicht einmal ausgewachsen.“

„Wir hätten ihn abgeben können, aber du …“

Herrchen schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad. „Jetzt hör aber auf! Wenn du mir Schuldgefühle unterjubeln willst, bist du an der falschen Adresse. Ich habe Hamlet bei Hinz und Kunz angepriesen.“ Herrchen verstellte seine Stimme, so dass sie hoch und spitz klang: „Guckt mal, ein Prachtstück von einem Hund, tolle Fellzeichnung, guter Charakter, und einen Stammbaum hat er auch.“ Er lachte höhnisch: „Und weißt du was? Alle haben abgewunken und gesagt, ich sollte ihn zum Abdecker bringen und dann nochmal mit dem Fell vorbeikommen, als Bettvorleger sei er vielleicht zu gebrauchen.“

„Du bist gemein!“

„Und du bist unvernünftig. So ein Monstrum will niemand haben, nicht mal für lausige zehn Tage zur Pflege.“

„Er wird mir fehlen.“

„Nicht mehr in zwei Wochen, wenn du an der Adria in der Sonne schmorst und deine Bikinifigur den lüsternen Blicken der Machos präsentieren kannst.“

„Mistkerl!“

Hamlet witterte dicke Luft, aber das war für ihn nichts Neues und somit völlig normal. Sein umsorgtes Hundeleben kannte keine Probleme, ausgenommen im Moment das eine: Wann wurde endlich diese verdammte Tür aufgemacht, vor der er schon minutenlang mit offenem Maul und hängender Zunge sprungbereit kauerte!

Herrchen stieg aus, trat an die Hintertür und öffnete sie. Kläffend schoss Hamlet ins Freie, wedelte mit dem Schwanz, lief ein paarmal im Kreis und sprang übermütig wie ein Fohlen vor Herrchen hin und her. Dieser nahm ein Aststück vom Boden und schleuderte es in den Wald, der an den Rastplatz grenzte. Augenblicklich hechelte Hamlet hinterher, um zu apportieren.

Als er mit seiner Beute zurückkam, sah er den Opel davonfahren. Instinktiv ließ er das Aststück fallen und hetzte hinter dem Wagen her. Das Hupen und Kreischen der Bremsen hinter ihm erschreckte ihn nicht. Sein Ziel auch dann noch fest vor Augen, als es sich immer weiter entfernte, rannte er bis zur Erschöpfung, und als ihn die Kräfte verließen, blieb er ratlos stehen.

Den Zehntonner, der sich ihm näherte, nahm er nur als Schatten wahr. Er spürte einen heftigen Schlag, der seinen ganzen Körper zu erfassen schien, dann wurde es Nacht.

Die Tierklinik

„Der Hundegott muss ein Bernhardiner sein. Jedenfalls hat der Bursche großes Glück gehabt, dass Sie abbremsen konnten und er zwischen die Räder zu liegen kam. Eine Gehirnerschütterung und ein paar Prellungen, nichts weiter.“ Der Tierarzt lächelte und tätschelte Hamlets riesigen Kopf. „Ein wahres Prachtstück von Hund. Sie können ihn jetzt mitnehmen.“

Richard kratzte sich verlegen an der Schläfe. „Aber … aber … das ist nicht mein Hund. Ich wollte nur nach ihm sehen und mich nach den Behandlungskosten erkundigen.“

„Sie haben ihn hergebracht und sind für ihn verantwortlich.“

„Aber doch nur, weil mein LKW ihn beinahe umgebracht hätte. Ich kann den Köter nicht behalten. Bin doch dauernd unterwegs.“

„Hm, ja … als Fernfahrer. Aber in einem LKW muss doch genügend Platz sein. Und nennen sie ihn nicht ‚Köter‘, das ist nämlich ein guter Hund. Wenn ich nicht schon drei dieser Vierbeiner hätte, würde ich ihn selbst nehmen.“

Richard ließ den Blick lange auf Hamlet ruhen, der sich mehrmals vorwärts duckte und wieder zurückwich und freudig mit dem Schwanz wedelte. Der Tierarzt wurde ungeduldig. „Sehen Sie nicht, dass er nur auf ein Wort von Ihnen wartet? Jetzt nehmen Sie ihn schon mit, auf mich warten noch mehr Patienten.“

Aus Hamlets Augen leuchtete Richard ein grenzenloses Vertrauen entgegen. Unwillkürlich streckte er die Hand nach dem Hund aus und kraulte ihn am Hals. Doch zu dem entscheidenden Schritt konnte er sich nicht überwinden. Ein Hund dieser Größenordnung konnte nur Ärger bringen - mit den Nachbarn, dem Vermieter, seinem Beifahrer und letztendlich mit dem Boss. Und überhaupt: Richard hatte nicht die geringste Erfahrung im Umgang mit Hunden.

„Wenn Sie ihn hierlassen, muss ich das Tierheim anrufen.“

Richard sah dem Tierarzt entgeistert ins Gesicht. „Sie wollen ihn in einen Zwinger stecken lassen?“

„Hier kann er nun mal nicht bleiben. Ich führe eine Tierklinik, keine Auffangstation für herrenlose Hunde.“

In Richard stiegen Erinnerungen hoch, die ihm die Brust zuschnürten. Sein Leben im Heim war nicht schlecht gewesen, man hatte ihn anständig behandelt und ihm gut zu essen gegeben. Alles wäre in ungestörten Bahnen verlaufen, hätte es die kinderlosen Ehepaare nicht gegeben, die das Heim besuchten, um ein Mädchen oder einen Jungen auszuwählen. Richard hatten sie nie eines Blickes gewürdigt, und wenn er seine Zimmergenossen fragte, was an ihm falsch sei, guckten sie ihn komisch an und fragten zurück, ob er noch alle Tassen im Schrank habe. Als er sich damit abgefunden hatte, niemals adoptiert zu werden, begann er die Ehepaare zu hassen und gab sich keine Mühe mehr, ihnen ein freundliches Gesicht zu zeigen. Sie übersahen ihn ohnehin.

„Also gut.“ Als der Tierarzt das Telefon von der Station nahm, kam Richard in die Gegenwart zurück. Sein Entschluss war gefasst. Er ging auf Hamlet zu und legte ihm die Hand auf den Rücken. „Komm mit, Shakespeare.“

Der Tierarzt schaute erleichtert, aber auch verdutzt drein, als Richard zur Tür ging und Hamlet ihm folgte. „Shakespeare? Wie kommen Sie auf diesen Namen?“

Richard zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich dachte, er passt, und er scheint ihn zu mögen.“
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Alt 23.01.2020, 14:30   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
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Eine nette, flüssig erzählte Geschichte, der erste Teil aus Sicht des Hundes erzählt, der zweite aus der Sicht des LKW-Fahrers. Aber man ahnt ziemlich schnell, was passiert und auch, wie die Geschichte ausgeht.

Vielleicht bin ich mittlerweile kritischer geworden als früher, aber, obwohl gut erzählt, ist mir die Geschichte zu einfach und der Schluss hat auch keine sehr große Pointe.

LG DieSilbermöwe
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Alt 23.01.2020, 20:05   #3
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Eine nette, flüssig erzählte Geschichte, der erste Teil aus Sicht des Hundes erzählt, der zweite aus der Sicht des LKW-Fahrers. Aber man ahnt ziemlich schnell, was passiert und auch, wie die Geschichte ausgeht.

Vielleicht bin ich mittlerweile kritischer geworden als früher, aber, obwohl gut erzählt, ist mir die Geschichte zu einfach und der Schluss hat auch keine sehr große Pointe.

LG DieSilbermöwe
Ist alles richtig. Anders hätte ich es nicht ausdrücken können.

Zitat:
Vielleicht bin ich mittlerweile kritischer geworden als früher, ...


Mehr ist von mir nicht hinzuzufügen.
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Alt 25.01.2020, 02:37   #4
männlich Eisenvorhang
 
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Penner, dir einen Hund aussetzen, gehören hingerichtet!
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Alt 25.01.2020, 16:24   #5
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Ist alles richtig. Anders hätte ich es nicht ausdrücken können.




Mehr ist von mir nicht hinzuzufügen.
Ich habe über die Antwort lange nachgedacht , ich denke, ich habe sie verstanden.

Hallo Eisenvorhang,

das ist nur eine Geschichte. Ich weiß, das gibt es auch in Wirklichkeit, dass Hunde ausgesetzt werden. Ich finde es trotzdem irgendwie nicht passend, das zu vermischen.

LG DieSilbermöwe
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Alt 25.01.2020, 16:33   #6
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ich finde es trotzdem irgendwie nicht passend, das zu vermischen.
Wo habe ich denn meine Aussage in Bezug auf die Geschichte gesetzt?
Das hätte ich gerne gezeigt.

Jeder, der sowas tut, gehört abgeschafft - mit der Geschichte hat das nichts zu tun.

vlg

EV
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Alt 25.01.2020, 16:37   #7
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
Wo habe ich denn meine Aussage in Bezug auf die Geschichte gesetzt?
Gar nicht. Das meinte ich ja: Dein Kommentar hatte mit der Geschichte an sich nichts zu tun.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.01.2020, 16:38   #8
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ich habe über die Antwort lange nachgedacht , ich denke, ich habe sie verstanden.
Warum ? Ist etwas unklar geblieben?

Ich hatte mich gefreut, dass du so kritisch hingesehen und die Dinge auf den Punkt gebracht hast.
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Alt 25.01.2020, 16:41   #9
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Warum ? Ist etwas unklar geblieben?

Ich hatte mich gefreut, dass du so kritisch hingesehen und die Dinge auf den Punkt gebracht hast.
Schön, und nein, es ist nichts unklar geblieben.
Es ist sicher schon länger her, dass du die Geschichte geschrieben hast?
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.01.2020, 16:44   #10
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Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Jeder, der sowas tut, gehört abgeschafft - ...
Sachte! So radikal geht es nun einmal nicht. Solange der Hund noch lebt, ist nichts verloren.

Mein Cousin hatte mal einen Welpen gefunden, der im Wald ausgesetzt war. Das ist schon eine Stufe, die man perfide nennen kann, denn nicht immer gehen Spaziergänger durch den Wald. Das Kerlchen war wegen seines weißen Fells aufgefallen: eine kanadische Schäferhündin. Mein Cousin hat sie großgezogen und bis zu ihrem Tod gehabt.

Vielleicht versöhnt dich das ein bisschen. Nicht alles ist so schlecht, dass es sich nicht zum Guten wenden könnte. Shela (englisch ausgesprochen) hieß die Hündin, und sie hatte ein tolles Leben.
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Alt 25.01.2020, 16:46   #11
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Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Es ist sicher schon länger her, dass du die Geschichte geschrieben hast?
Nee, sie ist taufrisch. Aber schnell runtergeschrieben, weil ich die Idee festhalten wollte. Habe den Kopf im Augenblick mit zu vielen anderen Dingen voll.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.01.2020, 16:53   #12
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Hunde haben so einen feigen Verrat nicht verdient.
Es werden tagtäglich die armen Tiere ausgesetzt.
Was das angeht bin ich radikal. Das Gleiche gilt für Tierquäler.
Würde ich je auf offener Straße einen sehen der ein Tier quält, würde ich hinter Gitter gehen.
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Alt 25.01.2020, 17:04   #13
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Würde ich je auf offener Straße einen sehen der ein Tier quält, würde ich hinter Gitter gehen.
Das verstehe ich sogar. Wenn meiner Kitty (schwarze europäische Hauskatze) jemand etwas angetan hätte, wäre ich wahrscheinlich auch zu einer unberechenbaren Furie geworden.
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