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Alt 17.11.2013, 23:31   #1
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
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Beiträge: 1.747


Standard The Return Of The Ghostrider

Ich habe das Tal der Leiden, das der namenlosen, oft genug durchritten.

Reite ich in eine schmale Schlucht mitten hinein in einen Hinterhalt, gibt es ein mächtiges Feuerwerk von links und rechts und oben, die Kugeln surren hin und her wie ein dichtgewebtes Spinnennetz, ich komm’ ohne Kratzer rausgeritten, die Bandidos, Kopfgeldjäger, Texas Ranger, Bürgerwehrler - oder wer auch immer da seine Magazine leergeschossen haben mag um mich zu erledigen- haben sich gegenseitig niedergemacht, mir ist es völlig schnurz.

Ich bin Geisterreiter.

Hufspuren, die aus dem Nichts im Staub der Straße auftauchen, das ist alles was von mir zu sehen, dumpfes Geklapper ohne zu wissen woher es kommt, alles was zu hören ist. Verlorene Söhne, verlorene Welten, verlorene Träume, verlorene Völker, verlorene Zeiten, verlorene Seelen, das ist alles was ich finde. Der Geisterreiter reitet durch Menschen hindurch, ohne dass sie es merken, ein flüchtiger kühler Schauer den sie spüren, ein blitzendes Irrlicht vor ihren Augen und die furchterregende Ahnung, wie schrecklich so ein Leben sein könnte, das alles gesehen hat und in dem es nichts mehr gibt, was noch zu tun übrig bleibt. Der süße Frieden, den so ein abgeklärtes Dasein in sich birgt jedoch bleibt ihnen verborgen, weil nur der ihn kennt, der mit allem durch ist und alles hinter sich gelassen hat. Noch so viele einsam schwindelnde Höhen kannst du erklimmen, dich noch so grenzenlos frei und kühn fühlen wie ein schwebender Adler, dem die ganze Welt zu Füßen liegt, wenn der Lebensbogen sich nach unten neigt, ist alles was dir bleibt Erinnerung.

Einen Geisterreiter schreckt das Totenreich nicht, es ist sehr viel friedlicher als das der Lebenden.

Das unheimliche Geheimnis eines Geisterreiters ist unergründlich, weil es grundlos ist, sein Ritt über die Bodenlosigkeit des immerfort gähnenden Abgrunds menschlichen Seins kennt nur den Halt von Luft und Liebe, weil er spät genug aber rechtzeitig dahintergekommen ist, dass es sonst nichts gibt, was für die Tragfähigkeit eines Lebens taugt und nie etwas anderes gegeben hat. Der wirkliche Grund dafür, weshalb der Mensch geradezu verzweifelt behauptet, dass er nicht von Luft und Liebe leben kann ist der, dass er genau weiß, dass er sonst nichts zum Leben braucht, und all das große Drumherum nichts weiter ist als Schall und Rauch, ein lärmendes Spektakel steter Vergeblichkeit. Im tiefsten Grunde seines Herzens weiß das jeder Mensch von Geburt an, darum fürchtet er sich davor, weil ihm der Weg der vermeintlichen Bodenlosigkeit die beunruhigende Wahrheit, dass es keine Sicherheit und niemals Gewissheit gibt und geben kann, so schonungslos vor Augen führt wie keiner sonst.

Die Freiheit des Geisterreiters macht ihm Angst, weil sie alles verleugnet und zunichte macht, womit er sich die seine erkauft zu haben glaubt, ja ihn vor die unangenehme Frage stellt, ob er denn wirklich frei ist oder nur der Gefangene seiner selbst und seiner Umwelt, ihn befällt nagender Zweifel an der Richtigkeit seines Denkens und Handelns, der nicht selten trotzigen Zorn, Neid und Missgunst auf den Vogelfreien in ihm weckt. So simpel ist das und so kindlich schlicht, weder hat der Desperado irgend etwas zu tun damit, noch ist er ursächlich verantwortlich dafür, außer durch sein bloßes Sein und dadurch, dass es ihn nun mal gibt, und soweit er sich erinnern kann, kann er dafür noch viel weniger.

Wo auch immer der Geisterreiter auftaucht, ruft es bald von allen Seiten „zeige dich und mach dich sichtbar, damit wir dich erkennen können!“, was nützt dem müden Desperado seine ehrliche Antwort „mich kann nur sehen, wer sich selbst sieht und nur erkennen, wer sich selbst erkannt hat“ wenn niemand da ist, der ihm Glauben schenken will und alle ihm stattdessen Geheimnistuerei vorwerfen. Und die ihn sehen können murmeln nur „schau an, ein Desperado, gibt’s die immer noch, gut zu wissen“.

Aber nun, so ist das eben, ein Desperado, der zum Geisterreiter geworden ist, kann gut damit leben, und wahrscheinlich tun alle Bewohner jedes Village gut daran, ihn nicht zu fragen, was er sich eigentlich davon verspricht, durchs Dorf zu geistern. Denn wie immer und überall und in allem hat er nicht den Hauch und Dunst einer Ahnung davon, was er wann wo warum weswegen und wofür tut, er macht es einfach, das genügt ihm vollends.

Gibt es denn einen wirklich einen einleuchtend erklärlichen Grund für irgendwas unter der alten Sonne?

Der Desperado schert sich nicht drum, was ihm die Leute Schlechtes nachsagen. Er weiß, dass er nichts ist von alledem, was ihm mit voller Wucht an den Kopf geworfen und mit großer Ausdauer unterstellt wird, das genügt ihm völlig. Er macht sich noch nicht einmal die Mühe, aufzuzählen geschweige denn sich zu merken, was ihm da so alles um die Ohren fliegt. Es rührt ihn nicht, er hat es weder nötig sich zu wehren, noch sich zu rechtfertigen noch sich zu verteidigen. Nun denn, das ist nichts Besonderes, auch andere können das.

Vielmehr aber kümmert es ihn noch viel weniger, warum manche Leute im Einzelnen und Allgemeinen so mit ihm verfahren, ob nun die Ursache eine simple Verwechslung ist, ob sie selbst genau das sind, was sie ihn nennen und schimpfen, ob schlechte Erfahrungen dahinterstecken, Demütigungen, Enttäuschungen, was auch immer - er fragt schon sehr lange nicht mehr: „Warum tun die das? Ich hab ihnen doch gar nichts getan?“. Und das ist es, was den Desperado von sonstigen Hartgesottenen unterscheidet: Seine Widersacher interessieren ihn einfach nicht.

Klar, das macht sie rasend. Was ihn erst recht nicht beschäftigt.

Ein Desperado, ein Mann ohne Hoffnung also, der hat nichts mehr zu verlieren. Und wer nichts mehr zu verlieren hat, dem ist alles zuzutrauen. Und wem alles zuzutrauen ist, der ist gefährlich. Und wer gefährlich ist, der ist böse.

So lautet die Schlussfolgerung der hoffnungsbeladenen Menschen.

Wer bitte hat denn nichts mehr zu verlieren? Immer wenn er glaubt, alles verloren zu haben, fällt ihm noch ein ganzer Haufen ein, den er noch verlieren könnte, er hat ihm bis dahin lediglich keine Beachtung geschenkt oder auch nichts gewusst davon. Und wenn wirklich alles verloren und gar nichts mehr da ist, bleibt da immer noch das nackte Leben, das man verlieren kann, und das ist eine ganze Menge, auch dann noch, wenn es eins ohne Hoffnung ist.

Ich bin im Laufe meines Lebens mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt, dass jedem Menschen alles zuzutrauen ist, womit sich auch dieser Trugschluss als beliebige Binsenweisheit herausstellt, ebenso ist jeder Mensch bis zu einem gewissen Grade und in bestimmten Situationen als brandgefährlich einzustufen, mitnichten und beileibe nicht nur der Hoffnungslose.

Der größte Unsinn an dem Unsinn aber ist der, dass das Gefährliche gleichbedeutend sei mit böse. Also das, was einen Menschen gefährlich macht, sonstige Naturgewalten mal ausgenommen. Ist ein Gebirgspfad böse, weil er die Möglichkeit eines Absturzes offenlässt? Ist ein Sandsturm böse, der wie aus dem Nichts zu toben beginnt und ganze Wagentrecks blindlings in die Irre ziehen lässt? Ist eine Bärenmutter böse, wenn sie einen Waldläufer zerfetzt, um ihre Jungen zu beschützen? Ist eine Klapperschlange böse, die dich in die Wade beißt, wenn dein unachtsamer Fuß auf sie getrampelt ist?

Ist also nun ein Mensch böse, der zu kämpfen versteht, wenn er zum Kampf gezwungen wird? Ist Geronimo deshalb ein Dämon, weil er sich mit all seiner List gegen eine erdrückende Übermacht gewehrt hat und den habgierigen weißen Mann das Fürchten gelehrt? War Crazy Horse deshalb böse, weil er den Angreifern der Blauröcke am Little Bighorn die empfindlichste Niederlage beigebracht hat, die es in ihrer gesamten „glorreichen“ Geschichte gibt bis heute? Ist der Desperado deshalb böse, weil er sich nicht alles gefallen lässt und kein Unrecht in seiner Nähe ertragen kann? Wenn ihm ab und zu mal eine Kugel aus dem Colt flutscht, weil er keinen besonderen Bock darauf hat, ohne jeden Grund und für nichts und nochmal nichts abgeknallt zu werden? Oder dabei zuzusehen, wie vor seinen Augen Unschuldige ausgeraubt, misshandelt, gequält und zu Tode geschunden werden?

Meinetwegen. Dann ist er eben böse, und er ist es gerne. Obgleich 's ihm bei Weitem nicht immer Freude macht, böse ja der Böse sein zu müssen, um entweder seine eigene Haut zu retten oder Schlimmeres zu verhindern für wehrlose oder weniger wehrhafte Leute. Und nicht etwa deshalb, weil das nicht immer ein leichter und schon gar kein dankbarer Job ist, nein, sondern weil er im Grunde ein friedliebender Geselle ist, der wie alle Hoffnungslosen nur eines will - in Ruhe gelassen werden und seine Ruhe haben. Die allerdings ist ihm heilig, so dass er auch keinerlei Bedenken hat, seine heilige Pflicht zu erfüllen, wenn es gilt, sie gegen Ruhestörer und Unruhestifter zu verteidigen und vor Störenfrieden zu schützen.

Treib's ihm zu wild und rück ihm zu unverschämt auf die Pelle, du wirst eine gnadenlose Seite an ihm kennenlernen, die er selber nicht besonders mag, er wird dir mit einer Erbarmungslosigkeit begegnen, wie du sie bis dahin nie für möglich gehalten hättest. Klar macht es das umso einfacher, ihm den Schwarzen Peter zuzuschieben und ihn böse zu nennen, aber gib dich nicht der trügerischen Hoffnung hin, dass ihn das auch nur insoweit kümmert, Gnade vor Recht walten zu lassen, wo das Recht nur noch unverdiente Gnade zulassen könnte. Wer keine Gnade verdient, dem gewährt er sie auch nicht, das überlässt er getrost dem höchsten Richter, sein Ding ist derlei gönnerhafter Leichtsinn nicht, noch nie gewesen. Das Gesetz der Wüste erlaubt den Fehler selbstmörderischer Vergebung dieser großmütigen Sorte nicht, und wer die Wüste nicht kennt, der sollte sich da besser raus halten, einfach weil er nicht mitreden kann.

Weshalb es ihn auch nichts angehen muss, wenn der Desperado einen toten Mann macht aus jemandem, der es bis zuletzt herausgefordert und demzufolge nicht anders gewollt hat. Das liegt sozusagen in seiner Natur, befindet sich also jenseits von Gut und Böse. Hat eben alles seine Zeit, der Winter und der Sommer, das Schlafen und das Wachen, der Frieden und der Krieg, das Geben und das Nehmen, das Betteln und das Stehlen, das Lieben und das Hassen, das Leben schenken und das Leben nehmen, genannt Töten. Alles hat seine Zeit, und der Mensch wird nicht danach gefragt, ob's für ihn die rechte ist.

Was er braucht und ob er's braucht, fragt sich der Desperado nur dann, wenn er's braucht. Was er nicht braucht, das ist für nichts zu gebrauchen. Immer und immer wieder findet er sich mit diesem einen Gebet auf den Lippen: Lord I need some time to kill. Nun gut, das ist wenigstens eins, das Erhörung findet. Ist ja auch keine allzu große Sache für den Ewigen, mal ein paar Minuten locker zu machen, meistens sind's sogar nur ein paar Sekunden.

Damit geizt er nie.

Ich habe inzwischen nichts mehr zu verlieren und genieße diese gewonnene Freiheit in vollen Zügen. Von nun an kann sich keine Menschenseele im Südwesten mehr sicher sein, nicht dem schwarzen Reiter in die Hände zu fallen, um von der gespenstischen Gestalt vertrauensvoll zu einem umfassenden Geständnis all ihrer heimlichen Untaten und geheim gehaltenen Schweinereien überredet zu werden. Und entsprechend ihrer Missetaten zur verdienten Rechenschaft gezogen.

Der Bürgermeister und Senatskandidat von Pomp City macht keine besonders gute Figur.

Fachmännisch in das Geschirr eines Zugpferdes gespannt, auf Schultern ein Kummet, eine Kandare in den Mund gesteckt und vom Scheitel bis zur Sohle mit Rossmist beschmiert, zappelt er bis auf die Unterhosen ausgezogen am oberen Ende des Fahnenmastes vor seinem Rathaus. Das Volk, das sich neugierig unter ihm zusammenschart, scheint keine Eile zu haben, ihn aus seiner peinlichen Lage zu befreien, belustigt ergötzt es sich an dem Anblick und spart nicht mit spöttischen Bemerkungen.

Der Gemeindevorsteher von Heavens Pik sitzt im Nachthemd auf einen Toilettenstuhl gefesselt auf dem Gipfel eines dampfenden Misthaufens, offenbar hat er ein erfrischendes Güllebad hinter sich, als Stirnband schmückt seinen Kopf ein roter Damenstrumpf, in den naturgetreu ein paar prächtige Hahnenfedern gesteckt sind, sein stattlicher Bart ist zu zwei Zöpfen geflochten und dick mit knallroter Farbe beschmiert, in der Schüssel seines Thrones stinken ein paar faule Eier. Ein paar Lausebengel tanzen um ihn herum, gackern und krähen ausgelassen, ein dicht geschlossener Kreis angeregt plaudernden Publikums umringt seinen Hochsitz.

Der Bankier von Wellfaring Town ist mit Händen und Füßen verkehrt herum an den Bauch eines Esels gebunden, sein splitternackter Körper mit Goldlack bemalt, sein Gesicht befindet sich genau unterm Hinterteil des Grauen und hat bereits Bekanntschaft mit der gesunden Verdauungstätigkeit seines Lasttieres gemacht, gnädigerweise wurde sein spuckender Mund von der klebrigen Masse befreit, an der ansonsten schön gleichmäßig aufgetragenen Verjüngungsmaske flattern zwei Dollarnoten dort, wo sich für gewöhnlich seine Augen befinden, um die Hüfte hat er einen mit Steinen gefüllten Geldsack gebunden, der unter ihm über den Boden schleift und eine fette Spur in den Straßenstaub zieht, während der Esel gleichmütig mitten auf der Prachtallee durch die aufgeregt zusammenströmende Menge trabt.

Der mit allen Vollmachten ausgestattete Gutsverwalter und Aufpasser des größten Ranchers der Gegend ist splitternackt in eindeutiger Pose auf den Rücken einer fetten Sau gefesselt, die erbost und grimmig versucht, ihren ungebetenen Freier abzuschütteln, sich zu diesem Zwecke ausgiebig in der Suhle wälzt und wie ein wildes Pony auf der schlammigen Weide herumspringt. Am Zaun sammeln sich alle Mägde und sämtliche Knechte und genießen das unwirkliche Schauspiel mit stillem Vergnügen.

Ein stinkender Speiteufel ist in der Maske des bösen Narren aus der Hölle heraufgestiegen, um unbescholtene und ehrbare Bürger mit Pech und Schwefel zu übergießen und ihre achtbaren Verdienste für das Wohl der Menschheit ihres Distrikts, ihrer City oder ihrer Ländereien in den Dreck seiner verleumderischen Lügen zu ziehen, empören sich hellauf die entsprechenden Honorationen. Helfen tut ihnen ihre Entrüstung indessen nichts, im Gegenteil, sie bestätigt die raunenden Verdachtsmomente der niederen Zeugenschaft, die unbedarften Leute ihrer Refugien haben sehr wohl und sehr viel besser verstanden, was sich hier an Ungeheuerlichem abspielt, als ihnen lieb sein kann.

Das Merkwürdige und Bemerkenswerte an diesen absonderlichen Vorkommnissen, die sich in gleichmäßigen Abständen über den ganzen Landstrich hinziehen, ist der Umstand, dass keiner der Betroffenen bei der Befragung durch den Sheriff mit einem vagen Hinweis auf die Urheberschaft ihrer misslichen Lage herausrückt, nicht einer von ihnen Anzeige erstattet, die Gelackmeierten wie belämmert von ihren Ämtern zurücktreten, ihren Posten aufgeben und mit Sack und Pack und Kind und Kegel die Gegend Hals über Kopf verlassen. Die Sheriffs sind zwar sauer wegen ihrer mangelnden Mitarbeit und fühlen sich in ihrer Berufsehre gekränkt, andrerseits ist in ihrem Ermessen nach eingehender Untersuchung der Sachlage niemand wirklich zu Schaden gekommen bei der unleidlichen Angelegenheit, und sie lassen das Ganze dahingehend auf sich beruhen, Augen und Ohren offen zu halten, will sagen Gras über die Sache wachsen zu lassen.

Selbst ein Sheriff denkt mitunter pragmatisch wie ein Pferd.

Die einen bringen die allegorischen Inszenierungen mit jenem legendären schwarzen Reiter in Verbindung, der jedoch seit längerem nicht mehr gesehen ward, andere munkeln was von einem oder mehreren Nachahmungstätern, wieder andere verdächtigen anarchistische Gruppierungen oder die Suffragetten.

Jedenfalls pflegt der geheimnisvolle Rächer seine Opfer auf derart entblößende und spöttische Weise der Lächerlichkeit preiszugeben, sie in hochnotpeinlichem Erscheinungsbild in äußerst verfänglichen Situationen hilflos zurückzulassen und auf diesem Wege ihr wahres Naturell für alle überdeutlich sichtbar zu machen, dass ihr guter Ruf und Leumund für immer dahin ist und ihr gesellschaftlicher Aufstieg ein für allemal erledigt. Aus dem Schrecken der Wüste ist nacktes Grauen geworden, und war der Zorn Gottes vorher freizügig genug, sich wenigstens ab und zu sehen zu lassen, agiert er nun in vollkommener Unsichtbarkeit und hinterlässt lediglich eine höhnische Spur der Vergeltung als Zeichen seines unbestreitbaren Vorhandenseins.

Und mit einem mal ist Schluss, niemand kann sagen warum, der geheimnisvolle Reiter scheint verschwunden, seiner Tätigkeit überdrüssig geworden oder verstorben zu sein. Nur er allein kennt den Grund für sein Innehalten. Letztendlich hat mich Luzifers etwas umtriebig ungeduldiges Naturell von meinem unbefriedigenden Partisanendasein abgebracht, wenn ich es recht bedenke, mit ihm im Verbund bekommen die Nacht-und Nebelaktionen im Lauf der Zeit immer uneinheitlichere Züge.

Mein glänzender Rappe stand sogar dann noch verlässlich hinter mir, als ich mich gezwungen sah, den unschuldigen Pferden der Bandidos den Gnadenschuss zu erteilen, zwar betrauerte er ihr unvermeidliches Opfer, konnte aber die Notwendigkeit der zahlenmäßigen Verminderung der Schurken nicht nur nachvollziehen, sondern unterstützte auch meine sonstigen „Vergeltungsaktionen“ mit vollem Einsatz. Auch jetzt ist er der unverbrüchlichen Überzeugung, dass es allerhöchste Zeit und vollkommen angemessen sei, diesem ehrlosen Gesocks heimzuleuchten, das sich an die gehobenen Positionen der Macht betrogen und gelogen hat, ich kann mich bedingungslos auf seine Mitarbeit verlassen, doch macht sie ihm offenbar keine rechte Freude mehr.

Ich erinnere mich noch genau an die Nacht, in der ich einen betrügerischen Spekulanten, tätig im Auftrag der Ölkonzerne, bis zum Hals in einen Leimtrog gesteckt hatte und geduldig auf das Trocknen seines weichen Lagers wartete, um ihm ein für allemal zu verkleckern, dass die Tage, da er skrupellos seine Mitmenschen leimte, gezählt und vorbei sind und er sich nie wieder erdreiste, arglose und einfältige Farmerfamilien um Land, Haus, Hof und Vieh zu bringen und die mittellos Gewordenen dem Elend der Straße zu überlassen. Luzifer unterdessen schnaubt, prustet und wiehert verdrossen vor sich hin, schart ungeduldig mit den Hufen und zappelt pausenlos herum, das Unternehmen sei pure Zeitverschwendung, er wolle gar nicht darüber nachdenken, wie viele Hügel wir in dieser Zeit überfliegen hätten können, wie viele Täler durchqueren und wie viele Berge überklettern, dieses vergebliche Unterfangen bewirke lediglich, dass der Schweinehund sein Revier wechselt und sein böses Treiben woanders ungehindert und unvermindert fortsetzt.

Als ich das trotz aller Angst verstockte und unbelehrbare, von Verschlagenheit und Habgier verzerrte Gesicht meines Opfers betrachte, sehe ich mich gezwungen, seiner Vermutung uneingeschränkt beizupflichten.

Und ich sitze nachdenklich da und mache mir bewusst, dass für jeden Mordbrenner, den ich Charon zur Überfahrt in seinen Nachen gesetzt habe, fünf Ausgeburten der Hölle in demselben versammelt sein werden, wenn der höllische Fährmann über den Styx zurückgerudert kommt, gierig darauf, das Werk des Verdammten nicht nur fortzusetzen sondern zu vervollkommnen. Ich führe mir vor Augen, dass all die kleinen braven Leute, die ich versehentlich von dem Übel lynchlüsterner Brandschatzer befreit habe, nur vorübergehend aufatmen können, ehe sie in die Fänge gut organisierten und staatlich geförderten Verbrechertums geraten, dass also all mein Mühen keinen Beitrag zu einer gerechten und sicheren Welt geschaffen hat. Und mir ist ebenso klar wie Luzifer, dass diesem einen der Köpfe, dem ich grade eine unvergessliche Lehre erteile, längst ein noch Schlimmerer nachgewachsen ist, dem ich mit dieser sinnbildlichen Enthauptung sogar noch einen gefälligen Gefallen erweise. Am liebsten würde ich den Schuft auf der Stelle in seinem Leimbad ersäufen, aber mir ist das Töten ganz allgemein zuwider, so schwinge ich mich auf Luzifers Rücken und galoppiere von dannen, ich habe kostbare Zeit vergeudet, Zeit des Sinnens, Singens und Lachens, ohne etwas anhaltend Gutes damit zu bewirken, diese meine ehedem halbwegs heile Welt ist rettungslos verdorben und nicht mehr zu retten.

Und das schon seit geraumer Zeit.

Desperados verfolgt man grundsätzlich, das ist ungeschriebenes Gesetz der Wüste und liegt vermutlich daran, dass sie so gut wie nie erwischt werden können. Ob nun -ich wiederhole mich wie es sich stetig wiederholt- Bandido, Pistolero, Caballero, Gunman, Blaurock, Marshall, Sheriff oder Texas Ranger, wer grade nichts zu tun hat –und von den Kerlen hat nie einer was zu tun- der hetzt eben einen Desperado. Das gehört sich so, und daran wird sich auch nichts ändern. In schweren Zeiten kommen ab und zu noch miteinander verfeindete Indianerstämme dazu, die dich jeweils für einen Vertreter der Gegenseite halten, oder grade gut genug gelaunt sind, ein Bleichgesicht zu skalpieren, mit dem sie gestern noch feixend am Feuer saßen. Wie auch immer, Kriegsgeschrei angestimmt und hinterher.

Ich denke das ist Kismet, wie der Pilgrim das Schicksal nennt, darum bin ich mehr oder weniger unbewaffnet, ich müsste ja unablässig um mich schießen, das kann ganz schön nerven und macht außerdem fürchterlichen Krach. Mein Pferd und ich, wir fliehen lautlos.

Geisterhaft.
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