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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 24.03.2015, 14:32   #1
männlich Ex-Lichtsohn
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Standard ein Weg

und irgendwann finden sie in Dein Wolkenhaus,
staffieren Dich für Deine allerletzte Reise aus
der Frack, exakt gebügelt, elegant,
die doppelte Manschette ziert ein Knopf mit Diamant
das Steifkragenhemd gestärkt und blütenweiß
beinahe schon ein Treuepfand, ein Liebesbeweis
das schüttre Haar wirkt glatt und akkurat frisiert
du siehst jetzt aus, als hättest du einst irgendwas studiert

doch irgendwann da ist es dann soweit
vorbei der Moderduft, vorbei die so vertraute Einsamkeit
keine weitren lauten Fragen
nach der Stunde nach der Zeit
kein Jammern mehr kein Klagen,
keine versäumbare Gelegenheit
kein unbegründet Hoffen
und kein weitrer Weg mehr offen

Geändert von Ex-Lichtsohn (24.03.2015 um 19:20 Uhr)
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Alt 24.03.2015, 19:12   #2
Thing
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Lieber Lichtsohn,


ich machs - wie üblich - kurz und knapp:

Das gefällt mir außerordentlich gut!
liebevoll frisiert
hätte ich nach dem Liebesbeweis in der vorherigen Zeile irgendwie anders formuliert, evtl. höchst gekonnt
oder ähnlich.
Das weltliche Vorher und ewigkeitlich Nachher ergänzen sich sehr trefflich!


Lieben Gruß
von
Thing
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Alt 24.03.2015, 19:28   #3
männlich Ex-Lichtsohn
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Beiträge: 1.493

Thing

danke für den Besuch

hab das Wörtlein "liebevoll" durch ein "akkurat" ersetzt.

Dein "Das gefällt mir außerordentlich gut!" schneide ich mir jetzt aus und hängs gerahmt an meine Wand im Schreibzimmer, so wie eine Trophäe, aber ich kann Dir versichern, aus diesem Grund habe ich das nicht so geschrieben:

dies Textblättlein hat sehr viel autobiografischen Hintergrund, als ich 7 Jahre alt war habe ich diese Momente die ich jetzt in Lyrik zu packen versucht habe miterlebt, auch das "Herrichten" der Leiche meines Opas ... ich stamme aus einem sehr kleinen Ort in Österreich, hoch in den Alpen, unser Dorf hatte kein Begräbnisinstitut, das haben die Menschen damals selbst gemacht, das "ausstaffieren"
die Zeile ".. als hättest du studiert" ist übrigens immer noch das intensivste: mein Opa war ein einfacher Mensch, ein Fabrikarbeiter, der einen Bauernhof betreut hat und ja: ich vermisse ihn immer noch, das wird aber nicht aufhören und ich finde das gut so, wie es ist

Alles Liebe
Lichtsohn
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Alt 24.03.2015, 19:36   #4
Thing
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Standard Lieber Lichtsohn -

Ich komme ebenfalls von einem kleinen Dorf, in dessen Nähe ich nach langer Abwesenheit zrückgekehrt bin.

Ich habe ebenfalls als Kind die Aufbahrung und Herrichtung meiner Großmutter miterlebt - auf dem Tisch im Eßzimmer.
Eine kleine Leichenhalle wurde erst Jahrzehnte später errichtet.

Ja, das "akkurat" paßt! Gut ausgewählt.

Herzlichen Gruß
von
Thing


Das mit der Trophäe ist heillos übertrieben!
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Alt 24.03.2015, 21:57   #5
weiblich Zaubersee
 
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Ort: Das Meer ist mein Garten aus Kristallen und Träumen ...
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Beiträge: 2.583

Lieber Lichtsohn,

gut, dass Du das liebevoll herausgenommen hast; das
Zitat:
akkurat
passt sehr und das liebevoll verwende ich jetzt: Trotz des Aufzählens, was nun alles nicht mehr ist und nicht mehr geht, hast Du ein liebevolles, friedliches letztes Bild geschrieben, das Du von Deinem Opa hast.
Zitat:
Das Wolkenhaus
gefällt mir sehr und auch der Satz:
Zitat:
als hättest du einst irgendwas studiert
bringt ein sehr persönliches, zärtliches Gefühl herüber, das auch eine vorsichtiges Fremdseins anklingen lässt, denn Du weißt es ja anders, besser.

Ein guter Text mit Nachdenklichkeiten, viel Gefühl, gerade wegen der Schlichtheit des ersten Textteiles, und Unabwendbarkeiten.

Alles Liebe

Zaubersee
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Alt 24.03.2015, 23:47   #6
weiblich Ex-Dabschi
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Beiträge: 2.371

Lieber Lichtsohn,

beim Lesen Deines Gedichtes kamen traurige Erinnerungen in mir hoch. Auf der letzten Reise muss alles perfekt sein - dafür sorgen die lieben Angehörigen. Und das ist gut so.

Beim älteren Herren ist es der Frack, der exakt gebügelt wurde etc.

Beim Kind wird darauf geachtet, dass er seinen geliebten Nuckel dabei hat und sein Lieblingskuscheltier und dass er das Outfit trägt, welches ihm am besten steht.
Wir hatten uns darüber hinaus vor der Beerdigung sogar vergewissert, dass er im Sarg auf seiner Schlafseite liegt, so wie wir es gewünscht hatten. Zum Glück hatten wir uns vergewissert - denn er lag auf dem Rücken, ruht aber nun auf der Seite, so wie er immer schlief ...

Mein Enkelsohn wurde wegen einer schweren Erkrankung leider nur 2 3/4 Jahre alt und er verstarb im September 2011.

Ich möchte Dich mit meinen Zeilen weder erschrecken noch Mitleid erwecken. Ich möchte damit nur zum Ausdruck bringen, wie sehr ich es nachvollziehen kann, wie groß die Trauer ist, wenn ein geliebter Mensch von einem geht.

Ich finde Dein Gedicht sehr berührend.

Liebe Grüße
Dabschi
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Alt 25.03.2015, 13:25   #7
männlich Ex-Lichtsohn
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Beiträge: 1.493

Thing

danke für Deine so persönlichen Worte hierzu. Ich rechne Dir das sehr hoch an.

Zaubersee

tja, so ganz ohne Erinnerung wären wir ziemlich einsam, finde ich - natürlich habe ich im Laufe der Jahre dieses Bild verändert und umgeformt und es ist letztlich immer nur eine Momentaufnahme die sich in jeder Situation wieder anders darstellen kann - allein der Begriff "Opa" reißt die Wunde aber immer wieder irgendwie auf, das soll aber gar nicht klagen, ich bin froh, das ich nicht so abgestumpft bin und werde versuchen mir das so lange wie möglich zu bewahren ... Sensibilität ist ein Geschenk und ich sollte mich jeden Tag dafür bedanken

Dabschi

was ich da lese berührt mich sehr, einige Andeutungen habe ich ja schon aufgenommen beim Kommentarlesen, aber hier sprichst Du so offen und vertraulich drüber, ich möchte mich ganz, ganz herzlich dafür bedanken und bin in Gedanken bei Dir

Alles Liebe für euch
Lichtsohn
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