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Alt 31.01.2013, 16:54   #1
männlich Skaldron
 
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Standard Der schwarze Palast

(inspiriert durch das Lied Schwarzer Sand von der Letzten Instanz)


Mir ist kalt. Wo bin ich? Wer bin ich?

Ich schlage die Augen auf und blicke mich um. Ein großer schwarzer Steinblock dient mir als Schlafstätte, aber ich kann mich nicht erinnern, mich hier niedergelegt zu haben. Vom Stein strömt eisige Kälte in meinen Körper, die mich frieren lässt, außerdem geht ein schwacher Lichtschein von ihm aus, der aber nicht ausreicht, die vorherrschende Finsternis bis zu den Wänden oder der Decke zu vertreiben.

An meinem dürren Leib trage ich bloß ein langes weißes Gewand aus Leinen, das sich von meiner dunklen Haut abhebt. Trotz dass es getragen wirkt, erkenne ich im Zwielicht nirgends Spuren von Schmutz oder Verschleiß. Als ich mich aufsetze, verspüre ich Schmerzen im Rücken, ein paar Wirbel knacken protestierend. Auf dem Kopf lastet ein seltsamer Druck, der aber nicht von jener Müdigkeit herrührt, welche sich wie eine Decke aus Bleib auf meinen Verstand legt.

Wie lange habe ich hier gelegen? Und wie kam ich hierher?

Ich stehe auf und als meine nackten Füße den schwarzen Boden berühren, kriecht auch von ihm diese Kälte in meinen Körper. Das ist keine normale Kälte; diese hier ist wie ein gieriger Parasit, der sich tief in die Seele gräbt und dort von der Angst zehrt, die er doch durch seine Anwesenheit erst schafft. Von jäher Furcht gepackt mache ich ein paar Schritte in die Dunkelheit hinein, um dieser fürchterlichen Macht zu entkommen, aber jeder weitere Schritt bringt neue Kälte, so als lauert sie unter den schwarzen Steinplatten, die dicht an dicht den Boden bedecken, um sich dann auf ihr ahnungsloses Opfer zu stürzen.

Jetzt erst stelle ich fest, dass der Steinblock mittlerweile von der Finsternis geschluckt wurde und stattdessen der Bereich um mich herum von dem weißen Schein erhellt wird. Bin etwa ich selbst der Ursprung dieses einzigen Lichtes inmitten einer endlosen Schwärze? Erleichterung erfüllt mich, denn somit bin ich nicht an den bedrohlich wirkenden Altarstein gebunden und kann mich frei bewegen, ohne von der Dunkelheit umschlungen zu werden.

Die eisige Kälte ignorierend mache ich einige Schritte in eine beliebige Richtung, bis eine Wand aus glatt-schwarzem Stein vor mir auftaucht und nach oben in der Dunkelheit verschwindet, was den Raum in meiner Vorstellung in unendliche Höhen wachsen lässt. Panik ergreift mich. Eine neuerliche Angst weckt auch wieder den Parasiten, der sich tief in meine Seele krallt. Was, wenn ich für alle Ewigkeit in einer Kammer ohne Ausgang gefangen bin?

Ich muss mich vom Gegenteil überzeugen, also setze ich mich in Bewegung und laufe die Wand entlang, bis ich nach zwei Ecken endlich den erlösenden Ausgang ausfindig mache.

Schnell trete ich hindurch – und werde von einem eisigen Wind empfangen, der durch den hier beginnenden Gang pfeift. Fröstelnd ziehe ich mein Gewand enger um den Leib und schaue mich um. Der Gang besteht wieder aus dem schwarzen Gestein und ist nur wenig höher als ich selbst. Meine Füße sind inzwischen taub geworden, aber irgendwie weiß ich, dass auch hier die Kälte unter den Bodenplatten lauert. Schritt um Schritt wage ich mich weiter den Gang entlang und entreiße ihn Stück für Stück der Finsternis, während sie ihn sich hinter mir zurückholt, so als hätte er niemals Helligkeit gesehen. Ich fühle mich so fremd hier… dass es einmal eine Zeit vor der Finsternis gegeben hat, weiß ich mit Gewissheit, aber je stärker ich mich zu erinnern versuche, umso vernebelter sind die Erinnerungen, in denen das Licht, das wärmende Licht, eine bedeutende Rolle spielte.

Also, warum bin ich hier in dieser bedrückenden Tristheit gefangen? Ich gehöre nicht hierher, ich gehöre ins Licht! Teilen vielleicht noch andere mein Schicksal? Auf gut Glück rufe ich einige Worte in den Gang, doch werden sie restlos vom ewigen Pfeifen des Windes geschluckt. Traurig gebe ich den Versuch auf und gehe weiter. Wegen der tauben Füße stolpere ich mehr, als dass ich gehe, aber ich komme wenigstens vorwärts.

Nach endlosem Wandern – mein Zeitgefühl ging längst verloren – erreiche ich einen schmalen, unscheinbaren Durchgang in der rechten Wand, hinter dem eine Kammer liegt, die so klein ist, dass sie vollständig beleuchtet wird, sobald ich hineingehe. Die Decke liegt nur unwesentlich höher als die des Korridors und auch sie ist makellos mit schwarzem Stein ausgekleidet, so als könne ihr der ständig nagende Zahn der Zeit nichts anhaben. Nirgends findet sich eine Lücke oder ein Loch im Stein und trotzdem hat sich ein kleiner Haufen schwarzen Sands in der Mitte der windstillen Kammer angesammelt. Hat er etwas zu bedeuten? Ich weiß es nicht.

Er fühlt sich kalt, aber nicht unangenehm an, doch weiß ich nichts mit ihm anzufangen, also verlasse ich die sonst leere Kammer wieder und stolpere müde weiter den Gang entlang. In der nächsten Zeit – Stunden, vielleicht Tage - betrete ich viele weitere dieser Kammern in der Hoffnung, den Ausgang oder wenigstens einen Hinweis auf den Sinn meiner Gefangenschaft in dieser mir ach so fremden Welt zu finden. Jedes Mal verlasse ich die leere Kammer enttäuscht wieder. Dabei sehne ich mich doch so sehr nach der freundlichen lichten Welt, in die ich ganz sicher gehöre! Wärme, Licht und Freiheit sind es, was ich vermisse, stattdessen irre ich müde durch diese Finsternis. Substanzlose Tränen rollen mir übers Gesicht und werden sofort gierig vom eisigen Wind aufgesogen. Nicht einmal Trauer ist mir vergönnt! Wütend schreie ich ins Dunkel, kann das Pfeifen des Windes doch nicht übertönen; trotzdem schreie ich weiter meine aus Trauer geborene Wut hinaus, bis ich selbst fürs Schreien zu müde bin. Dann stolpere ich wieder in die Finsternis des Gangs und nur wenige Schritte weiter schält sich ein Tor aus der Schwärze!

Es markiert das Ende des Korridors und meiner Tortur, da bin ich mir sicher. Verheißungsvoll schimmert Licht unter dem massiven Stein hervor, der mit seltsamen, fremdartigen Ornamenten verziert einen Kontrast zur sonstigen Tristheit darstellt. Nach eingehender Untersuchung muss ich jedoch bestürzt feststellen, dass es nirgends eine Klinke, einen Knauf oder sonstige Türöffner gibt, auch aufdrücken lässt sich das letzte Hindernis nicht! Wie soll ich das Licht dahinter erreichen?

Ist der Schlüssel vielleicht gar kein Gegenstand, sondern etwas Höheres? Ein Geräusch? Nein, dafür ist der Wind zu laut. Eine Kombination zu drückender Ornamente? Auch das ist unwahrscheinlich. Hätte ich den Sand aus der zweiten Kammer mitbringen sollen? Kaum aber habe ich den letzten Gedanken zu Ende gedacht, da kommt mir eine Idee.

Vielleicht… ja, das würde auch erklären, warum ich hier bin…

Heiser flüstere ich die wenigen, aber wichtigen Worte und schlagartig verstummt der Wind. Plötzlich ist es ruhig im Korridor und ich wiederhole mit fester Stimme den einfachen Satz, der mehr über mich preisgibt, als jedes andere gesprochene Wort es vermocht hätte. Und tatsächlich, langsam und knirschend setzt sich der schwere Türflügel in Bewegung, schwingt nach außen und gibt einen Blick auf das preis, was er eben noch so vehement verbarg.

Die Welt dahinter versetzt mir einen weiteren mentalen Tritt, hatte ich doch mein verheißungsvolles Land des Lichtes erwartet! Stattdessen offenbart sich mir ein schwarz ummauerter Innenhof aus schwarzem Sand unter dunklem sternlosem Himmel, an dem eine schwarze Sonne mit blutrot scheinender Korona prangt und unheilvoll auf mich herab scheint. Doch all das ist nur noch Nebensache, als ich des Steinblocks gewahr werde, einer Art Altar, der exakt in der Mitte des Hofs platziert ist. Genau wie sein Pendant am anderen Ende des Korridors wirkt auch er unzerstörbar und sehr mächtig, doch besteht dieser hier aus blendend weißem Gestein, das wohlige Wärme in meinen Körper fließen lässt.

Mich erfüllt eine Ausgeglichenheit, wie ich sie lange nicht mehr gespürt habe. Den Sinn meiner Existenz in diesem Teil der Welt habe ich nun endlich erkannt und auch erfüllt, also lege ich mich auf den Stein und lausche tief in mich hinein. Die Mattigkeit fällt von mir ab und auch meine Füße sind nicht mehr taub, als ich die Augen schließe und bald darauf einschlafe.


Mir ist warm. Wo bin ich? Wer bin ich?
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