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Alt 18.06.2006, 19:18   #1
Winterkind
 
Dabei seit: 06/2006
Beiträge: 7


Standard Der Tod ist nicht das Ende...

Nun gut, ob diese Geschichte die Attribute "spannend" und "gruselig" verdient, weiß ich nicht... aber mir scheint, daß sie hier am besten hineinpaßt... da sie doch recht lang geworden ist, darf jeder, der Rechtschreibfehler finden, diese behalten xD. Die Geschichte entstand innerhalb einer halben Stunde, als ich mich zu einem "Schreibwettbewerb" verabredet und diesen leider verschlafen habe >_<.

Der Tod ist nicht das Ende

Es war in einer klirrend kalten Winternacht. Das neugeborene Jahr war erst ein paar Tage alt. Die Sterne standen hoch und kristallklar am schwarzen Januarhimmel, während sich weißer, jungfräulicher Schnee wie ein feines Linnen über die Erde gebreitet hatte.
Der aschfahle Vollmond spiegelte sich matt in dem stumpfen Marmor der Grabmale wider, die zu dutzenden den sanften Hügel und den leicht abfallenden Hang dahinter überzogen. Die einstmals so schönen und hellen Blumen ragten nun traurig und ausgedörrt unter dem dünnen Mantel aus Schnee hervor. Leise seufzten sie im ungnädigen Winterwind, der sie gebrochen und des Lebens beraubt hatte. Umschlossen wurde der abgeschiedene Friedhof von einem umdüsterten Wald, über dessen Haupt ein Schleier aus Nebel hing.
Drüben, am Westsaum, wo das Friedhofstor leise in der Brise flüsterte, erhoben sich die groben Umrisse der kleinen Waldkirche. Der schmale Glockenturm stach wie ein Wurfspeer in den schwarzen Nachthimmel empor.
Keine Seele verschlug es in dieser Nacht dorther. Fast keine.
Hoch oben, auf dem schmalem Sims unter dem Fenster, da stand er und genoss die mondklare Nacht, wie es ihrer in der letzten Zeit nur wenige gegeben hatte. Seinen Namen hatte er schon vor vielen Altern vergessen, und vor noch einmal so vielen Altern war er gebissen worden. Jetzt war er einer von ihnen. Ein Blutgetaufter und Wesen der Nacht, kurzum – ein Vampir.
Der Wind spielte mit seinem langen, rabenschwarzen Haar und seinem dunklen Umhang. Sein kreidebleiches Gesicht mit den feine Zügen und den stechend grünen Augen schimmerte hell wie das eines Gespenstes.
Ein unerträglicher Durst materte ihn, seit Wochen schon. Seine Kehle war so trocken und ausgedörrt, dass es beinahe schmerzte. Der Winter war vielleicht die schönste Jahreszeit, aber auch die kargste. Keine Menschenseele verschlug es in den kalten Monaten hierher, und so war er durstig und rastlos.
Einmal mehr verdammte er seine Unvorsicht vor nunmehr 2000 Jahren, als er sich hatte beißen lassen. Den großen Schatten, der weit oben über ihn hinweg gezogen war, hatte er in seinem jugendlichen Leichtsinn als einen großen Vogel abgetan. Welch Unsinn! Hatte das mulmige Gefühl, das ihn damals befallen hatte, nicht Bände gesprochen! Nun war er auf ewig in dieser Hülle gefangen, halb Mensch, halb Engelswesen …
Der schmackhafte Geruch, der in seine Nase stieg, riss ihn aus seinen Gedanken. Blut! Menschenblut! Wie eine Eule spähte er durch die Nacht. Und tatsächlich: Dort unten, zwischen den Gräbern, da lief es ... sein Mahl für diese Nacht …

Ramona fluchte leise, aber vernehmlich. Was zum Teufel hatte sie nur in den Wald herein getrieben, auf dessen ausgetreten Pfaden sie schnurstracks zu diesem gottverdammten Friedhof gelangt war! Die Abkürzung, die sich davon versprochen hatte, entspann sich so gerade als riesiger Umweg! Falls sie sich dort hinten in die Büsche schlagen konnte und ihr Ortssinn sie diesmal nicht völlig trog, würde sie geradewegs wieder auf die Landstraße hinter dem Wald zurückfinden. Setzte sie dann ihren Heimweg wie gewohnt fort, würde sie in etwa einer Stunde daheim sein! In einer Stunde! Verdammt! Nie wieder eine Abkürzung! Sie schlug das blonde, lockige Haar trotzig zurück und stapfte, nicht ohne mulmiges Gefühl in der Magengegend, zwischen den Grabmalen hindurch. Sie musste sich gewaltig beherrschen, damit ihr Marsch über den Friedhof nicht zu einer kopflosen Flucht wurde! Schon wurde sie von einer nie gekannten Furcht beschlichen … Was, wenn die Toten des Nachts tatsächlich ihre Gräber verließen? Woher sonst kamen all diese Volks- und Ammenmärchen? Gründete sich nicht jedes Märchen auf einem Fünkchen Wahrheit?
Und dann hörte sie diese Stimme. Der Schreck fuhr ihr wie Eiswasser in die Glieder.
Es war eine raue Stimme, kälter als der Winter selber, mit einer trügerischen Artigkeit. „Seid gegrüßt.“
Atemlos wirbelte sie herum. Und da stand er. Nur etwa zwei Meter von ihr entfernt. Wie aus dem Boden gewachsen, lautlos und mucksmäuschenstill. Ein Mann. Aber was für einer! Er war groß, sehr groß, dabei von breiten Schultern, die ihm sogar noch etwas von seiner hünenhaften Größe nahmen. Gekleidet war er in einen langen, schwarzen Mantel, einer Art Umhang, den er mit einer verzierten Spange auf Brusthöhe geschlossen hielt.
„Hallo!“, nuschelte sie mit seltsam hoher Stimme. „Schönes Plätzchen.“ Sie lachte hysterisch, fast krankhaft.
„In der Tat.“, sagte der Mann spärlich und schaute sie gierig aus seinen grünen Augen heraus an, die tiefer gingen als jedes Lot.
„Na, ich gehe dann mal weiter!“, nuschelte sie und setzte halb gehend, halb laufend ihren Weg fort.
Und zu ihrem Grauen knirschte hinter ihr der Schnee von Schritten. Er folgte ihr! Sie beschleunigte ihre Gangart. Er tat es ihr nach.
Jetzt rannte sie fast. Die Schritte verstummten. Etwas Großes rauschte durch die Luft. Zwei Hände fassten ihre Schultern. Spitze Fingernägel bohrten sich tief in ihr Fleisch. Schreiend und kreischend entwand sie sich dem starken Griff. Und dann rannte sie wieder – schneller, als sie jemals zuvor in ihrem Leben gerannt war. Der gepflasterte Weg, durch den Schnee kaum sichtbar, endete jäh, und sie hastete zwischen den Gräbern hindurch. Panisch warf sie einen Blick über die Schulter! Der Kerl glitt durch die Luft wie eine riesige Fledermaus. Näher und näher kam er.
Und dann, als sie den Blick gerade wieder nach vorne richten wollte, stieß sie gegen etwas Festes. Ein siedend heißer Schmerz jagte durch ihre Knie. Ihr Körper wurde vornüber geworfen und sie hing kraftlos über einem marmornen Grabstein. Es war vorbei.
Aus den Schürfwunden an ihren Knien rann Blut. Zwei Hände griffen nach ihren Hosen und rissen sie über den Schenkeln entzwei. Das Blut netzte den Schnee und bildete zwei dunkelrote Lachen. Sie konnte sich nicht mehr wehren.
In Todesfurcht ließ sie es über sich ergehen … Aber was tat er da? Sie spürte seinen Mund an ihrem Knie, zuerst am linken, dann am rechter. Und er – trank!
Ihre Sinne schwanden allmählich durch die Blutarmut. Ein dunstiger Schleier vernebelte ihr Blickfeld.
„Nun ist es überstanden.“, sagte diese raue Stimme in einer Sanftheit, die sie diesem grobschlächtigen Kerl niemals zugetraut hätte. Ramona wandte den Kopf mühselig um und sah ihn an, seinen blutverschmierten Mund, seine funkelnden Augen, sein zufriedenes Lächeln.
Er stand auf, machte eine leichte Verbeugung, drehte sich um und flog von dannen. Und Ramona sah ihn vor sich, diesen Trümmerpfad, der ins Leere hinabführte. In dem dämmrigen Zustand zwischen Schlafen und Wachen vegetierte sie vor sich hin, ziel- und planlos, nur die Sterne über ihr, unter ihr, in ihr. Und dann entsank sie ihrem Wissen und Trachten. Als sie wieder zu Bewusstsein kam, verspürte sie großen Durst. Ihre Lippen fanden den Weg zu ihrem Knie, verdreht, verrenkt und halb über dem Grabstein hängend, halb am Boden. Als das warme Nass ihre Kehle durchströmte und ihren Durst stillte, empfand sie kein Grauen, sondern nur eine leise Ahnung, dass der Tod nicht das Ende war.
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Alt 18.06.2006, 19:32   #2
Leanyka
 
Dabei seit: 12/2004
Beiträge: 5


Wow, ich bewundere deinen Stil. Habe die kleine Geschichte regelrecht verschlungen. Mach weiter so!
(Kannst mir glauben, ich sage, was ich denke )

Erinnert mich an den Spruch: Der Tod ist noch lange nicht das Ende, er ist der Anfang etwas viel Größerem.

lg
Leanyka
Leanyka ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.06.2006, 22:17   #3
Askeron
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 59


Mir ist der Titel sofort ins Auge gesprungen Vorweg sei gesagt, dass die Story hier recht gut aufgehoben ist, auch wenn Spannung und Grusel immer im Auge des Betrachters liegen.
Von der Art her hat mir die Geschichte gut gefallen. Der erste Abschnitt erinnerte mich an die ganzen Klassiker des Genres. Vielleicht etwas zu klischeehaft, aber mit passenden Bildern beschrieben. Der zweite Abschnitt war leider halbwegs vorhersehbar. Er verhält sich beinah schon zu Gentlemanvampirlike. Wer weiß? Vielleicht hat er ja noch Pläne mit ihr?
Alles in allem gut. Nicht zu bluttriefend, mit stimmungsvollen Bildern und einer guten, klassischen Atmosphäre.
Askeron ist offline   Mit Zitat antworten
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