Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 23.06.2007, 16:18   #1
Erblassenheit
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 21


Standard Der Schnitt

„Ein einzelner Dolch kann wirksamer sein als tausend Schwerter, wenn man ihn in die Eingeweide des richtigen Mannes rammt.“


Sanft zog Apollus, die Orangen-Rot glimmende Scheibe, über den Horizont. Während sie verschwand, zog Lunos an ihr vorbei, um seine silbrig glänzende Fracht über das Firmament zu fahren.

Während die beiden Götter ihre Wägen voran trieben, saß Vibius Tiberius geschicktester Attentäter des Hauses der Tiberier, in seinem Versteck, auf dem Dach eines Gesindehauses, und wartete bis Apollus und Lunos endgültig die Plätze getauscht hatten.
Vor zwei Tagen wurde er in einer geheimen Bucht von einem kleinen Fischerboot abgesetzt, mit dem Auftrag den Statthalter der Klippenstadt Salora zu Exekutieren, und so die Moral der Feinde zu schwächen.

Salora war die letzte Bastion der Koalition auf dem östlichen Eiland, und nach Vibius’ Attentat sollte der Angriff beginnen, denn auch diese Stadt sollte sich der Faust der Republik beugen.

Endlich verglomm das letzte Licht, das spärlich von der See herrührte. Vibius zog sich die Kapuze seines nachtschwarzen Mantels über, und spähte nach den Wachen. Der Hof war recht gut Beleuchtet, was es schwer, aber nicht unmöglich für Vibius machte.
Denn was sie an Beleuchtung hatten fehlte ihnen an Wachen.
Gerade Mal zwei Soldaten die durch den Hof patrouillierten, und einer der den Zugang zum Stadthalterpalast bewachte.
Sie hatten nicht mit Vibius gerechnet.

Seine Achillesverse war schon darauf trainiert tiefe Sprünge abzudämpfen, und so landete Vibius leicht wie eine Katze in einer dunklen Ecke. Zwei Meter neben ihm marschierte einer der Soldaten vorbei, und bemerkte ihn nicht.
Er trug eine Garderüstung der Koalition. Einen bronzenen Helm, auf dessen Oberseite eine weiße Bürste, ähnlich der eines republikanischen Zenturio angebracht war. Eine ebenso bronzenen Brustpanzer, das dem Torso eines durchtrainierten Athleten darstellte. Vibius lachte in sich hinein, diese Dieletanten mussten sich ihre Stärke herbeilügen.
Der Rock, und der Umhang war in weiß und braun gehalten, und er trug eine mannshohe Lanze, und ein Kurzschwert als Bewaffnung mit sich.
Vibius war klar das er sein Messer nicht benutzen würde. Der Hof war zu klein und die Wachen hatten sich gut im Auge, also musste er sich etwas anderes einfallen lassen.

Er könnte sich im Schatten der vielen Säulen zum Eingang schleichen, aber das wäre viel zu riskant.
Doch da bemerkte er dass lauter daumendicker Ranken sich die Fassade hoch schlängelnden, und jede Menge Fenster in den ersten Stock führten.

Jedoch gab es noch ein gravierendes Problem. Wie über den hell erleuchteten Hof?
Die Antwort war mehr als klischeehaft. Ein Stein der vor Vibius Füßen lag war sie. Vibius packte ihn und warf ihn weit über den Hof. Am anderen Ende klapperte, und es klang als hätte ein Spion einen unglücklichen Schritt getan.

Der Wächter an dem Tor wurde als erster aufmerksam „He! Hertuklos! Hast du das auch gehört?“, Sagte er auf Herkisch. Einer der drei Sprachen die man in den Reichen der Koalition sprach. Vibius hatte sich zwei der drei Sprachen angeeignet, denn es konnte recht nützlich sein die Sprache des Feinds zu beherrschen.
„Nein, was?“
„Na das Geräusch. Schau mal nach!“
„Schau doch selber nach!“
„Ich sehe nach!“, Kam es von dem dritten Wachemann, welcher sich sofort daran machte die Dunkle Ecke zu Inspizieren, während die anderen beiden, zu Vibius’ Glück, ihn dabei zu Beobachten.
Wäre Vibius jetzt nicht auf dieser Seite des Hofs, dann würde er in Panik geraten und verzweifelt nach einem Ausweg suchen, aber so lachte er sich in Fäustchen wie sich die Wachen zum Affen machten und einem Phantom hinterjagten.
Blitzschnell huschte Vibius hinter dem Rücken der Wachmänner vorbei, und begann die Fassade zu erklimmen.
Das erste Fenster an das er kam war für ihn weniger Attraktiv, da laute Geräusche aus ihm schallten.
„He da vorne!“
„Was ist?“
„Ich glaube, da ist jemand rumgeschlichen! Schau mal nach!“
„Ja, ja scheuch mich nur rum!“
Vibius’ Atem ging schneller. Diese Worte waren sein Todesurteil. Sollte er jetzt etwa auf der Spitze der Lanze eines Wächters enden?
Da sah er rechts neben ihm ein Fenster. Gedämpftes Licht, und völlige Ruhe.
Vibius spähte hinein. Decke, und Wände des Raums waren mit schönstem Mosaik verziert, und der Boden mit ein, auf einem Meter großen Marmorplatten, aber außer einem plätschernder Brunnen war nichts zu Entdecken, allerdings ging es noch um die Ecke.
Was würde Vibius dort erwarten?
Der Attentäter musste alles auf eine Karte zu setzen, und schwang sich durchs Fenster in den Raum.
„Da ist Niemand!“
„Ich hätte es schwören können...“
Diese Worte lösten sich bei Vibius in unendlicher Erleichterung aus.

Vorsichtig schlich er durch den Raum.
„Ah! Sklave! Massiere mich!“
Vibius erschrak. Es war eine Frauenstimme und sie sprach Herkisch. Tatsächlich lag dort um der Ecke eine nackte Frau auf einer Massagebank. Ihre Haut war leicht gebräunt und ihre Rundungen waren Perfekt. Wäre Vibius nicht auf einer Mission, und würde er deswegen nicht vor Adrenalin kochen, dann bekäme er eine Erektion das man sieben Männer damit Aufspießen könnte.
„Na los!“, Fauchte sie, „Mach schon!“
Vibius musste mitspielen, sie würde sonst die Wachen rufen. „Aber ja, Herrin!“, Hauchte er in gebrochenem Herkisch, um seine Rolle als Sklave auch ja gut zu spielen.

Auf der Bank stand eine Karaffe voll Öl, und Vibius goss etwas über seine Hände, dann glitten seine Hände über ihren Körper. Er war wahrlich kein Anfänger, denn war es doch das Massieren, was er von seinem Vater einst gelehrt bekam, allerdings war Vibius lieber der Legion beigetreten, da sie besser Bezahlten, und es aufregender war als fette Konsulnkörper zu kneten.
Dagegen war das hier ein wahrlichter Genuss.
Seine Hände kreisten über die zierlichen Schulterblätter, und übten immer wieder schwachen Druck auf die kleinen Verspannungen aus, um sie zu lösen.
Dann fuhren sie tiefer über die zarte Haut. Immer weiter in Richtung des appetitlichen im Fackelschein, und vor Öl glänzenden Hinterns.
Sie stöhnte genussvoll auf „Oh! Ah! Etwas tiefer! Genau so!“
Da regte sich doch etwas in Vibius’ Hose, denn gerade griff er in das stramme Fleisch ihrer unendlich langen Waden.

Anscheinend war Vibius’ Massage so entspannend, dass sie schon bald im Land der Träume schlummerte.
Er nahm sich das bereitliegende Tuch und wischte sich das Öl so gut es ging von den Händen. Das hatte er mal wieder beispiellos Gemeistert.

Vibius schrak auf als er eine Stimme aus dem Gang draußen hörte.
„Ja, ich soll die Herrin massieren“
„Glückspilz! Ich muss mir den Statthalter vornehmen, und ihn an den dunkelsten Stellen waschen“
Verdammt! Er brauchte einen Ausweg.
Wenn er den Sklave überrumpeln würde, dann könnte die Frau aufwachen.
Vibius wollte nun kein Risiko mehr eingehen. Er dachte daran was man mit ihm machen würde, wenn sie ihn einfingen.
Es lief ihm kalt den Rücken runter.
Da fiel ihm des Rätsels Lösung ein. Der Boden. Er war warm. Eine Fußbodenheizung, die wahrscheinlich in den Keller führte.
Sofort begann er mit seinem Messer den Mörtel zu lösen, aber es gelang ihm nur spärlich.
„Na dann! Ich will ihn nicht warten lassen, sonst peitscht er mich wieder.“
„Wir sehen uns!“, Klang es von draußen.
Adrenalin schoss durch Vibius’ Venen. Seine Muskeln zuckte wie wild, und er versuchte verzweifelt die Platte zu lösen.
Er hörte die Schritte, die immer näher kamen. Schweiß triefte ihm ins Auge. Es brannte wie Feuer.
Sein Herz pochte schneller als das einer Maus die von einer Eule verfolgt wird.
Der Mörtel war gelöst und Vibius hievte die Marmorplatte hoch. Die Hitze traf ihn wie eine Faust. Es roch dort drinnen nach Ruß und etwas säuerlich.

Die Tür öffnete sich. Der Sklave erschrak, als er es sah. Die Herrin ohne Kleider, das hatte er sich in so manch einem Traum gewünscht.

Unendliche Erleichterung machte sich im Körper des Attentäters breit. Er lehnte an eine Stützsäule. Er hatte schon mörderisches Glück gehabt, da normalerweise, nur das Erdgeschoss eine Fußbodenheizung hatte.
Aber er konnte nicht wirklich aufatmen, die Luft war zu Dick und lag schwer in den Lungen. Langsam begann er die dunklen Gänge entlang zu kriechen. Was jetzt?
Wahrscheinlich war es das Beste in den Heizraum zu gelangen und dort einen weg zum Statthalter zu suchen.
Doch es sollte nicht soweit kommen. Vibius konnte einen Lichtpunkt in dem sonst so dunklen Gewölbe wahrnehmen.
Zielstrebig kroch er darauf zu.

Als er dort war, konnte er in einen großen Baderaum blicken, und was schwamm dort acht Meter weiter unten in mitten eines dampfend, warmen Beckens?
Der aufgeschwemmte Körper des Statthalters planschte fröhlich vor sich hin. Vibius musste sich beherrschen sich jetzt nicht wie wild auf ihn zu stürzen, und ihm das Messer in die Kehle zu rammen.
Warte, bis er schläft! , Flüsterte er sich selbst zu.
Ja, das wäre wohl das vernünftigste, also hockte sich Vibius vor das Loch und wartete.

Etwas später kam ein kleiner Junge hinein. Höchstens elf. Er war ziemlich schmuddelig gekleidet, und sein Gesicht drückte nicht gerade Fröhlichkeit aus.
Er erinnerte Vibius etwas an seinen kleinen Neffen Marcus Tiberius. Er müsste jetzt auch in diesem Alter sein. Aber Vibius hatte ihn solange schon nicht mehr gesehen, seit dem die Republik beschlossen hatte die Koalition vom östlichen Eiland zu verdrängen.
Der Statthalter lachte „Ah! Mein Freudenknabe! Leg deine Kleider ab!“
Der Junge tat wie geheißen.
Die folgenden Stunden schürten in Vibius eine grässliche Wut auf diesen Fettsack der dort unten im Wasser lag.
Der kleine Junge musste Dinge tun, die Vibius nie von der billigsten Hure verlangt hätte. Diese Gottlosen!, Fluchte er in sich hinein.
Nicht nur dass sie es mit Menschen des gleichen Geschlechts trieben, nein sie missbrauchten auch noch kleine Kinder für ihre Zwecke.

Vibius zog seine Klinge aus der ledernen Scheide. Ein schön geschwungenes Messer. Der Stahl war tief blau, und wellige Linien zogen sich über die Klinge. Der Schaft war aus Ebenholz, und stellte in künstlerischer Art und weise einen Fischskopf da.
Einst stahl er es einem Hauptmann der Sirenen. Jenen Wesen, die ihre Städte im innern der Klippen bauen, und ahnungslose vorbeiziehende Schiffe mit ihrem Gesang anlocken, und gnadenlos Kapern.

Vibius war auch einst ein Opfer von ihnen gewesen. Sie nahmen ihn als Gefangenen, und er musste zwei Jahre in einer der Feuchten, von Seegraß bewachsenen Zellen schmoren, bei rohem Fisch und Krustengetier, bis er es schaffe zu entkommen.
Es war eine Flucht gewesen. Und zum Schluss erbeutete er dieses Messer, mit dem der Attentäter schon etliche Ziele aus dem Weg geschafft hatte.
So auch dieses Schwein von einem Statthalter.

Endlich durfte der Junge gehen. Gepeinigt von der Misshandlung des Statthalters und ein paar schäbige Münzen in den Taschen wurde er nun von einer Wache hinaus geführt.
Etwas gutes hatte diese Misshandlung ja gehabt, jetzt würde es nicht mehr lange dauern, und der Statthalter wurde einschlafen.
Ein, „Sklave! Lösch das Licht! Ich will ruhen!“, Bestätigte Vibius in der Vermutung.
Sofort ging er in Lauerposition.

Bald lag der Körper seines Ziel schnarchend in der warmen Brühe. Er würde ihn erwischen, hier und jetzt.
Selbst einen Sprung einer solchen Höhe, wusste Vibius Mithilfe seines Mantels und Beinmuskulatur abzudämpfen. So machte er auch hier kam ein Geräusch, zumindest keines dass das Schnarchen des Statthalter übertönt hätte.
Zwei Meter trennten Vibius nun noch von seinem Ziel. Das Gefühl das er in empfand war unbeschreiblich.
Geduckt schlich er weiter, und überlegte wo er wohl am vorteilhaftesten das Messer ansetzen sollte.
Kehle, oder Herz?
Er entschied sich für das Herz, denn so konnte er gleich noch durch den vermutlich kurzen Schmerzensschrei die Wachen anlocken, und in der so entstanden Panik flüchten.

Gerade wollte den Körper seines Opfers fassen, um zum Todesstoß anzusetzen, da spürte er wie jemand seinen Umschloss. Dann spürte er noch etwas. Etwas kaltes, scharfes an seinem Hals!
Er dachte nur noch, Verdammt! , Dann spürte nur noch den Schnitt, einige Sekunden verweilten und er fühlte wie das Blut ihm den Umhang tränkte.
Verschwommen konnte er noch das grinsende Gesicht seines Mörders ausmachen, dann wurde alles Schwarz.

„Pah! Stümper!“, flüsterte Hertuklos, um den schlafenden Statthalter nicht zu wecken auf den er gerade ein Attentat verhindert hatte, denn er wusste: Er würde es einem einfachen Soldaten nicht danken.
Trotzdem war Hertuklos stolz auf sich, hatte er doch gerade beim vorbei gehen diesen Dilettanten von Attentäter ertappt und zur Strecke gebracht. Morgen würden sie es dem Statthalter berichten, und der Truppenführer würde ihn vielleicht sogar einen Rang aufsteigen lassen.
Also zog der Soldat den Toten aus dem Raum und klopfte sich innerlich auf die Schulter.
Erblassenheit ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Der Schnitt




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.