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Alt 26.04.2005, 09:09   #1
kinghorst
 
Dabei seit: 03/2005
Beiträge: 1

Standard Drei Tage Regen

Der Wind schmeißt Regen gegen Fensterscheiben
und fingert und hantiert mit dünnen Armen im Kamin.
Man sitzt stumm da und könnte lange Briefe schreiben
und unterläßt sie doch und träumt nur vor sich hin.

In den Regalen warten Akten und Romane
auf Interesse und auf Arbeitswut,
doch man streicht auch vor diesen Aufgaben die Fahne
und starrt durch´s Ofenfenster in die Kohlenglut.

Gedanken tanzen einen wilden Reigen
und durch die Zähne dringt ein leiser Fluch.
Dann seufzt man und verfällt dem Schweigen.
Und wünscht sich die Geliebte zu Besuch.
kinghorst ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.04.2005, 10:19   #2
Don Carvalho
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 180

Standard RE: Drei Tage Regen

Hallo kinghorst,

ein klassisches Strophen- und Reimschema, dass Du hier benutzt, das durch Deine Wortwahl noch gestützt wird. Ebenfalls schön sind die wechselnd weiblichen und männlichen Kadenzen (also der Wechsel von betonten und unbetonten Silben am Zeilenende). Bei soviel Klassik finde ich es legitim, auch Deine Metrik einmal abzuklopfen, nicht selten zeigt sie auf, warum Deine Zeilen an einigen Stellen beim Lesen ein wenig stocken und holpern...

Zitat:
Der Wind schmeißt Regen gegen Fensterscheiben
und fingert und hantiert mit dünnen Armen im Kamin.
Man sitzt stumm da und könnte lange Briefe schreiben
und unterläßt sie doch und träumt nur vor sich hin.
xXxXxXxXxXx 11 (x=unbetont, X= betont)
xXxXxXxXxXxXxX 14
xXxXxXxXxXxXx 13
xXxXxXxXxXxX 12
Als Versfuß nutzt Du durchgängig einen Jambus (xX), metrisch ist hier alles in Ordnung. Einen runderen Eindruck erzeugt man meiner Ansicht jedoch, wenn man zudem darauf achtet, dass die Silbenanzahl der Zeilen der Reimpaare gleich lang sind (und noch besser, wenn dieses Schema in allen Strophen beibehalten wird). "schmeißt" klingt sehr umgangssprachlich und passt nicht zur ansonsten benutzten getragenen Wortwahl. Wie wäre es stattdessen mit "wirft" oder ähnlichem?
Der Reim Kamin/ hin ist wegen der unterschiedlichen Länge des i's ein unreiner Reim, der mich hier jedoch nicht stört (auch größere Dichter haben unreine Reime benutzt).

Zitat:
In den Regalen warten Akten und Romane
auf Interesse und auf Arbeitswut,
doch man streicht auch vor diesen Aufgaben die Fahne
und starrt durch´s Ofenfenster in die Kohlenglut.
xXxXxXxXxXxXx 13
xXxXxXxXxX 10
xxXxxXxXxxxXx 13
xXxXxXxXxXxX 12
Grundsätzlich liegt hier ebenfalls ein Jambus vor mit wechselnden Kadenzen. Die Z. 3 ist diesbezüglich jedoch ein Fehltritt und die Stelle, an der Dein Gedicht am heftigsten holpert. Mit kleinen Umstellungen hebst Du jedoch alles wieder in das von Dir gewählte Metrum:
doch streicht man auch vor diesen Aufgaben die Fahne
xXxXxXxXxXxXx
Aufgaben liest sich zwar eigentlich Xxx, in Gedichten ist derartiges dennoch m.E. legitim...
Der Vorwurf der unterschiedlichen Silbenanzahl bleibt auch hier bestehen.

Zitat:
Gedanken tanzen einen wilden Reigen
und durch die Zähne dringt ein leiser Fluch.
Dann seufzt man und verfällt dem Schweigen.
Und wünscht sich die Geliebte zu Besuch.
xXxXxXxXxXx 11
xXxXxXxXxX 10
xXxXxXxXx 9
xXxXxXxXxX 10
Metrisch ist hier wieder alles bestens, bezüglich Silben siehe oben.

Die von Dir gewählten Reime überzeugen mich, einige (Arbeitswut/ Kohlenglut) finde ich sogar sehr gelungen. Auch die Stimmung dieser Regentage, an denen sich das lyrische Ich nach seiner Liebsten verzehrt, ist gut eingefangen.

Insgesamt finde ich Dein Gedicht gelungen, auch wenn die oben beschriebenen Schönheitsfehler in meinen Augen höhere Weihen verhindern. Dennoch gern gelesen,

Don Carvalho ist offline   Mit Zitat antworten
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