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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 11.01.2015, 23:19   #1
männlich nimmilonely
 
Dabei seit: 12/2010
Ort: Mainz
Alter: 35
Beiträge: 853

Standard Sprengstoff

Sprengstoff

Er ist deutsch, er lebt in Deutschland und wurde hier geborn.
Seine Eltern brachten Farbe nach der braunen Uniform.

Er spricht deutsch und seine Träume sind so deutsch, wie das Wort Traum.
Und was seine Eltern sprechen, unter sich, versteht er kaum.

Doch sein Vater spricht Gebete, jeden Tag kniet er sich hin.
Er lebt einen fernen Glauben, dieser gibt ihm Lebenssinn.

Und er sagt, dass dieser Glaube Frieden, Liebe propagiert.
Du darfst keine Fliege töten, ganz egal was auch passiert.

Ramadan, die Zeit des Fastens; man entbehrt, um zu verstehn,
dass das Leben nicht für alle einfach ist. Um zu bestehn,

muss man auch den Armen helfen, Schwache stützen, Gäste schätzen.
Jeder Reichtum ist vergänglich – nichts kann Menschlichkeit ersetzen.

Und so sieht er viele Männer, lange, schwarze Bärte tragen.
Sie sind freundlich und sie scherzen, antworten auf seine Fragen.

Bis ihr Lachen ganz verschwindet, als die beiden Türme stürzen.
Terror, Angst und Propaganda Menschlichkeit und Freundschaft kürzen.

Und in Deutschland hat er jetzt kein Gesicht, nur schwarze Haare.
Seine Stimme riecht nach Sprengstoff, ohne nur ein Wort zu sagen.

Er steht unter Tatverdacht, weil er einen Glauben hat,
der missbraucht und pervertiert/ wird bei jedem Attentat.

Auf der Straße diese Blicke – als ob er ein Affe wäre.
Sie begaffen und beschimpfen ihn, um ihren Hass zu mehren.

Polizeibeamte stoppen ihn jetzt öfter ohne Grund.
Kontrollieren die Papiere mit der Hand am Waffenbund.

Fernsehbilder, die erklären: Der Islam sei Krieg und Hass.
US-Militärbefehle suggeriern: wir regeln das.

Länder werden überfallen, ausgebombt und leer gepumpt.
Blut und Öl am Überfließen, Menschenrecht in Dung getunkt.

Der Islam steht jetzt am Pranger und der erste Stein flog längst.
An Klischees und Vorurteilen wird die stille Angst getränkt.

So vergehen ein paar Jahre, alles läuft ab wie gewohnt.
Ein paar Bomben, ein paar Tote. Al-Qaida? Kenn’ wir schon.

Doch jetzt kommen neue Demos. Der Pegidazug fährt auf.
Tausend gehen demonstrieren, Fremdenangst im Abendland.

Bis an einem grauen Tag in Paris 12 Menschen sterben,
Meinungsfreiheit gegen Terror – und es wird noch schlimmer werden.

Und in Deutschland hat er jetzt kein Gesicht, nur schwarze Haare.
Seine Stimme riecht nach Sprengstoff, ohne nur ein Wort zu sagen.

Er steht unter Tatverdacht, weil er einen Glauben hat,
der missbraucht und pervertiert wird bei jedem Attentat.

Alle Medien berichten, alle Zeitungen sind voll.
Und im Grunde weiß doch niemand, was er wirklich sagen soll.

Tausende Experten reden, tausend Quellen, tausend Stimmen.
Und Millionen bilden sich Meinungen in stillen Zimmern.

Wieder Blicke auf der Straße, wieder gaffen sie ihn an,
als ob er ne Bombe hätte, die er gleich mal zünden kann.

Er spürt Wut in sich aufsteigen, wenn er sieht und wenn er liest,
weil er weiß, dass vieles Lüge, Vorurteil und Unrecht ist.

So beschließt er sich zu wehren, er will diese Sache klären.
Jeder soll es jetzt erfahren – wie die Dinge wirklich stehen.

So bereitet er sich vor, tüftelt, bastelt, fügt zusammen,
inspiriert von den Gedanken, die aus seinem Herzen stammen.

Und er findet einen Ort, um sich bald zu revanchieren.
Alle werden es bald hören, alle werden es kapieren.

So steht er dann auf der Bühne, Montagabende, kurz nach 8.
In den Händen hält er “Sprengstoff” und er liest aus voller Kraft:

Sprengstoff

Er ist deutsch, er lebt in Deutschland und wurde hier geborn.
Seine Eltern brachten Farbe nach der braunen Uniform.

Er spricht deutsch und seine Träume sind so deutsch, wie das Wort Traum.
Und was seine Eltern sprechen, unter sich, versteht er kaum.

Doch sein Vater spricht Gebete, jeden Tag kniet er sich hin.
Er lebt einen fernen Glauben, dieser gibt ihm Lebenssinn.

Und er sagt, dass dieser Glaube Frieden, Liebe propagiert.
Du darfst keine Fliege töten, ganz egal was auch passiert.

Ramadan, die Zeit des Fastens; man entbehrt, um zu verstehn,
dass das Leben nicht für alle einfach ist. Um zu bestehn,

muss man auch den Armen helfen, Schwache stützen, Gäste schätzen.
Jeder Reichtum ist vergänglich – nichts kann Menschlichkeit ersetzen.

Und so sieht er viele Männer, lange, schwarze Bärte tragen.
Sie sind freundlich und sie scherzen, antworten auf seine Fragen.

Bis ihr Lachen ganz verschwindet, als die beiden Türme stürzen.
Terror, Angst und Propaganda Menschlichkeit und Freundschaft kürzen.

Und in Deutschland hat er jetzt kein Gesicht, nur schwarze Haare.
Seine Stimme riecht nach Sprengstoff, ohne nur ein Wort zu sagen.

Er steht unter Tatverdacht, weil er einen Glauben hat,
der missbraucht und pervertiert/ wird bei jedem Attentat.

Usw.
nimmilonely ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.01.2015, 23:31   #2
Richard L.
 
Benutzerbild von Richard L.
 
Dabei seit: 11/2014
Alter: 53
Beiträge: 1.592

Hallo nimmilonely,
würdest Du mir gestatten diesen Text beizeiten in unserer Bürgerfunksendung "Radiowahn" zu lesen?
LG, U.
Richard L. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.01.2015, 23:44   #3
männlich nimmilonely
 
Dabei seit: 12/2010
Ort: Mainz
Alter: 35
Beiträge: 853

Hallo Farrell,

ich würde das Gedicht gerne selbst vorlesen.
Wenn das okay ist, dann bin ich gerne damit einverstanden, wenn es bei euch gesendet wird.
nimmilonely ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.01.2015, 23:51   #4
Richard L.
 
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Dabei seit: 11/2014
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Beiträge: 1.592

Ok..!? Sehr gerne, ich denke mal, Du verfügst über eine geeignete Aufnahmequelle?
Richard L. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.01.2015, 23:56   #5
männlich nimmilonely
 
Dabei seit: 12/2010
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Beiträge: 853

Ja, ich nehme das Gedicht bald auf.
Schreib mir bitte per PN, wohin ich die Aufnahme schicken soll.
nimmilonely ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.01.2015, 23:59   #6
Richard L.
 
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Alles klar, mache ich. Vielen Dank...!? Der Text ist sehr gut.
Gruß in die Nacht, Farrell
Richard L. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.01.2015, 00:09   #7
männlich nimmilonely
 
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Ich danke auch für deinen Kommentar und dein Angebot.
nimmilonely ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.01.2015, 17:31   #8
männlich Gylon
 
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Beiträge: 4.269

Hallo nimmilonely,
starker Text!

MfG gylon
Gylon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.01.2015, 22:30   #9
weiblich simbaladung
 
Dabei seit: 07/2012
Alter: 67
Beiträge: 3.073

Hallo, nimmiloneley,

auch von mir ein ganz großes Lob für dieses Gedicht. Der besonnene Ton und die besondere Perspektive haben mich deine Zeilen sehr, sehr gern lesen lassen.

Danke.
lg, simba
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.01.2015, 12:54   #10
männlich nimmilonely
 
Dabei seit: 12/2010
Ort: Mainz
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Beiträge: 853

Vielen Dank.
Ich freue mich, dass das Gedicht so gut ankommt.
nimmilonely ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.01.2015, 12:31   #11
männlich nimmilonely
 
Dabei seit: 12/2010
Ort: Mainz
Alter: 35
Beiträge: 853

Hier ist das Gedicht vertont:

https://www.youtube.com/watch?v=DkUR5LtaIyE

Beim Vertonen ist mir aufgefallen, dass das Wort “Sprengstoff” in sich eine kleine Explosion beim Aussprechen enthält. Ich hab damit etwas gespielt, vielleicht hört man es raus.
nimmilonely ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.09.2015, 09:02   #12
männlich Wolf65
 
Dabei seit: 09/2015
Ort: Dresden
Beiträge: 60

Standard Denksprengstoff

Hier mein Sprengstoff zum Thema: https://www.youtube.com/watch?v=fPdYrluIfx8
Wolf65 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.09.2015, 12:16   #13
männlich Pit Bull
 
Benutzerbild von Pit Bull
 
Dabei seit: 08/2012
Ort: Berlin
Alter: 57
Beiträge: 1.878

Zitat:
Zitat von Wolf65 Beitrag anzeigen
Hier mein Sprengstoff zum Thema: https://www.youtube.com/watch?v=fPdYrluIfx8
@ Wolf65: Eigenwerbung unter dem Thema eines anderen Poeten zu betreiben, finde ich völlig deplatziert.

Hallo nimmilonely!

Der Textinhalt hat Hand und Fuß.
Die Vertonung dazu ist dir akustisch sehr gut gelungen, obwohl du einen leichten Akzent hast.

Und ja, das wohl bewusst gerollte „r“ im Wort „Sprengstoff“ wirkt etwas scharf.

Gute Arbeit.

VG Pitti
Pit Bull ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.09.2015, 12:29   #14
männlich Wolf65
 
Dabei seit: 09/2015
Ort: Dresden
Beiträge: 60

Zitat:
Zitat von Pit Bull Beitrag anzeigen
@ Wolf65: Eigenwerbung unter dem Thema eines anderen Poeten zu betreiben, finde ich völlig deplatziert.
VG Pitti
Liebe VG (Verbrauchergemeinschaft),

nochmals Dank für Deine Komplimente für meine "Eigenwerbung" in einem anderen Thread. Schön auch, wie Du die hier betriebene Eigenwerbung des "Sprengstoff"- Autors komplimentierst. Gerne würde ich auch Dich loben für Deine Eigenwerbung durch Deine Beiträge.
In Hoffnung auf Lobenswertes grüße ich Dich. Pittiplatsch.
Wolf65 ist offline   Mit Zitat antworten
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