Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 05.10.2011, 20:10   #1
Andraika
 
Benutzerbild von Andraika
 
Dabei seit: 01/2011
Alter: 33
Beiträge: 12


Standard Fantasy-Geschichte

Ich hab mal angefangen, eine Geschichte zu schreiben. Leider habe ich noch keinen originellen Titel, deswegen muss erstmal "Fantasy-Geschichte" herhalten.
Viel Spaß beim Lesen und bitte, bitte scheut euch nicht, mich zu kritisieren





Es wurde mittlerweile Nachmittag.

Hätte man sich in der Nähe eines eher selten benutzten Pfades in einem nicht allzu dichten Teil des Waldes befunden, könnte man dort vier Männer beobachten. Sie folgten diesem Weg schon eine geraume Zeit. Da diese sicher geradeaus gingen und bisher noch keine Pause gemacht hatten, schienen sie ein bestimmtes Ziel erreichen zu wollen. Andererseits erweckten sie nicht den Anschein einer besonderen Eile, da sie locker ins Gespräch vertieft waren.

Was sie nicht wissen konnten: Sie wurden tatsächlich beobachtet.

„Ja, Dylaan, das war schon eine von unseren interessanteren Geschichten, aber berichte Chris besser, was wir in Hrunay erlebten.“ – „Oh ja, Hrunay war wirklich eine spannende Angelegenheit!“

Dylaan lächelte. „Mach du das, Rico, du erzählst das doch so gerne.“

„Hör zu, Chris. Es begab sich letzes Jahr im Herbst. Wir gelangten gerade nach Hrunay, als die Ernte vorbereitet wurde. Wie uns zu Ohren kam, war die Gegend berüchtigt für die Gesetzlosen in den umliegenden Wäldern. Und gerade jetzt fürchteten die Einwohner sich vor Überfällen. Es war ein eher karges Jahr, so dass jedes Korn gebraucht wurde. Also wurden alle Männer rekrutiert, um eine Wehrarmee bilden zu können. Der Sold klang mehr als verführerisch, wir meldeten uns.

Es vergingen ein paar Tage, ein paar Wochen, die Ernte lief bereits an und wir hatten ein beachtliches Trainingspensum hinter uns gebracht. Nun ja, wir lernten natürlich nichts Neues, doch ein wenig Übung und Auffrischung schadet bekanntlich nie.

Jedenfalls wurden die Männer langsam unwillig. Die Ernte war nun schon größtenteils eingebracht und nichts passierte. Einige hatten sich bereits von der Armee entfernt. Erinnerst du dich beispielsweise noch an diesen Smeik, Dylaan? Er gehörte mit zu den ersten, die gingen.“ – „Oh ja, Rico. Ihr hattet euch prächtig verstanden. Wolltest du nicht auch schon weiterziehen?“ – „Ich denke, ich erzähle die Geschichte, nicht du. Also, Chris, wir waren nun schon geschlagene drei Wochen–“

Chris spürte einen heftigen Stoß in die Seite. Er verlor den Halt und schlug hart auf den Boden auf. Das erste, was er dann sah, war Bjarne, einen Schwerthieb abwehrend. Sofort waren alle seine Sinne geschärft, die Muskeln zum Zerreißen gespannt. Einer Ahnung folgend rollte Chris sich zur Seite und sprang auf. Gleichzeitig krachte eine Klinge dort hernieder, wo er gerade noch gelegen hatte. Sofort griff er nach seinem Schwert und schlug zu. Der Angreifer schien kurz verwirrt, reagierte aber umgehend. Die Klingen krachten aufeinander, Funken flogen, sie stoben auseinander, nur um die Begegnung erneut zu suchen. Für Chris lief alles automatisch. Alles um ihn herum war auf einmal weit entfernt, er hörte weder das Singen der Vögel noch das Krachen der Schwerter, sah weder den Wald noch seine Gefährten, bloß seine eigene Klinge, die ein Teil seiner selbst wurde, abwechselnd abwehrend und zuschlagend, sowie die des Angreifers, stets seine Bewegung erwidernd. Chris Geschwindigkeit erhöhte sich, die Angriffe wurden kraftvoller, der Fremde wich immer weiter zurück. Ein entscheidender Schlag von rechts unten, die Klinge des Angreifers wich der Kraft, sein Griff lockerte sich, die Augen weiteten sich, das Schwert drehte sich einmal um sich selbst, dann prallte es auf den weichen Waldboden auf. Nur einen Moment verharrten die Blicke der beiden Männer darauf. Das nächste, was Chris sah, war der Rücken des Fremden, der im Unterholz verschwand.

Langsam kehrten die Geräusche des Waldes zurück an Chris Ohr, er hörte das Rascheln der durch das Unterholz fliehenden Angreifer, merkte, dass sein Atem schwerer ging, das Herz schneller schlug. Schweiß stand ihm auf der Stirn und die Arme fühlten sich schwer an.

Chris schaute sich um. Seine drei Begleiter hatten die anderen Angreifer ebenfalls in die Flucht schlagen können.

Jetzt standen sie da, ihre Klingen in den Händen und sich schwer atmend anschauend. Sie fingen an zu realisieren, dass sie ihr Leben erfolgreich verteidigt hatten. Erleichtert lachten sie auf.

----------

„Die Stelle erscheint mir optimal. Leute, wir sind fertig für heute.“

Wie auf Kommando ließen die anderen drei gleichzeitig ihr Gepäck von ihren Schultern gleiten.

Die Gefährten waren noch ein paar Stunden weiter durch den Wald gewandert, zwar mit der gleichen Geschwindigkeit wie vorher, aber einer gesteigerten Aufmerksamkeit. Der Tag hatte sich immer weiter dem Ende geneigt und Dylaan beschloss nun das Lager aufzurichten, bevor der Wald in das düstere Zwielicht des frühen Abends getaucht werden würde.

Für einen potentiellen Beobachter, den es diesmal aber nicht gab, würde die Gruppe sehr eingespielt erscheinen. Dylaan gab kurz ein paar Anweisungen und nur kurze Zeit später war das Lager errichtet, ein Feuer brannte und die vier hockten gemütlich, noch einen frisch gefangenen Hasen grillend, zusammen.

Fakt ist allerdings, dass sie sich in dieser Konstellation erst seit heute Vormittag kannten. Dylaan, Enrico Arcé, genannt Rico, und Bjarne zogen schon einige Jahre zusammen durch die Städte und Dörfer um sich etwas Geld zu verdienen. So hatte sich das Trio die letzten Wochen in Kronsen, eine der größeren Binnenhafenstädten, aufgehalten. Jetzt war die Kasse wieder aufgefüllt und die Lust, etwas Neues zu erleben, hatte alle drei gepackt. Also hatten sie sich, wie es die Tradition erforderte, am Morgen in einer Kneipe getroffen, um das weitere Vorgehen mithilfe einer Landkarte und drei großen Bier zu besprechen.

„Passt auf Männer, der nächste Ort wäre Lenbruck, hier, etwa eine Tagesreise Richtung Süden. Allerdings…“ – „Lenbruck? Das ist ja wohl ein Witz. Bjarne, erinnerst du dich noch, als wir das letzte Mal dort aufschlugen? Nein, nie wieder.“ – „Ja… genau, deswegen wollte ich auch vorschlagen, dass wir uns in Richtung Nordwesten halten. Schaut, dort liegt Keluro, etwa zwei, wenn wir uns ranhalten eineinhalb Tagesreisen von hier entfernt. Dort waren wir bisher noch nicht gewesen. Was sagt ihr?“ Rico und Bjarne nickten langsam. „Keluro… Hab ich schon von gehört… Könnten wir ausprobieren…“

„Ihr hättet nicht zufällig etwas gegen einen Begleiter?“

Die drei blickten gleichzeitig höchst verwirrt in Richtung der Stimme. Vor ihnen stand ein junger Mann mit blonden Locken und der Kleidung eines Seemannes. Sich setzend fuhr er fort: „Mein Name ist Chris. Ich hatte bis vor ein paar Tagen auf dem Handelsschiff Fair Fangold gedient, wurde ausbezahlt und suche nun nach Gelegenheiten, hier raus zu kommen.“

Dylaan nickte kurz, dann drehten er und die anderen beiden sich von Chris weg und steckten die Köpfe zusammen.

„Ich denke, das hier wird sich schnell klären. Dylaan, du denkst doch sicher nicht einen Moment darüber nach, diesen Grünschnabel mitzunehmen!“ Rico wollte sich schon wieder umwenden, doch Dylaan winkte ihn zurück. „Ich weiß nicht. Der Kleine hat eine Art, die mir gefällt. Er scheint zu wissen, was er will und seinen Weg zu gehen. Vielleicht sollten wir ihm eine Chance geben.“ – „Ja natürlich. Draußen sitzen auch noch ein paar arme Bettler und Witwen, die Hilfe benötigen, die sollten wir auch noch durchfüttern. Dylaan, dieser Junge wird uns nur ein Klotz am Bein sein.“ – „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Das wissen wir nur, wenn wir es probieren. Wir können ihn ja bis nach Keluro mitnehmen, dann sind wir ihn übermorgen wieder los.“ Rico rollte mit den Augen. „Ich sage nein. Wir haben noch nie jemanden mitgenommen! Es hieß immer nur wir drei, du, Bjarne und ich. Wo soll da noch Platz für diesen Chris sein?“ – „Es hat uns auch noch nie jemand so direkt gefragt. Wie gesagt, seine Art imponiert mir. Bjarne, was sagst du dazu?“ Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Weiß nicht… vielleicht?“ – „Wir könnten“, schlug Dylaan vor, „ihn noch etwas aushorchen und dann entscheiden.“

Sie drehten sich wieder zurück.

„Du heißt also Chris?“ – Dieser nickte. „Gut, also Chris. Wie lange hast du auf diesem Schiff gearbeitet?“ – „Insgesamt 5 Jahre.“ – „Und als was?“ – „Zunächst natürlich als Schiffsjunge, doch die letzte Zeit war ich Bootsmann.“ – „Bootsmann? Nach fünf Jahren? Wie alt bis du eigentlich?“ – „20 Jahre.“ – „Und Bootsmann? Erzähl uns etwas anderes, Kleiner, wir…“ – Er stockte, als Chris ihm ein Zeugnisschreiben seines Kapitäns vors Gesicht hielt. „Bootsmann. Schwarz auf weiß. Ich lüge euch nicht an.“ Dylaan schluckte einmal. „Tatsächlich… Und, wieso bist du dann hier?“ – „Ich habe meine Gründe.“

Chris wurde während der gesamten Unterhaltung nicht unsicher, seine stahlblauen Augen blickten Dylaan an, ohne zu flackern oder auszuweichen.

„Du hast deine Gründe… gut.“ Dylaan winkte noch einmal, dann drehten sich die drei wieder von ihm weg. „Was sagt ihr?“ – „Ich bin mir immer noch nicht sicher…“ – „Ich mir dafür umso mehr. Rico, zwei Tage, dann sind wir ihn wieder los. Bjarne, was sagst du?“ Dieser nickte. „Doch, wir sollten ihn mitnehmen. Bootsmann. Das ist wirklich mehr als beeindruckend. Ich glaube, ich habe noch nie mit einem Bootsmann geredet.“ – „Gut, dann ist es beschlossen.“ Rico nickte auch. „Einverstanden. Zwei Tage.“

Und sie drehten sich Chris wieder zu.

„Willkommen Chris. Ich würde sagen, du packst jetzt schnell deine Sachen, in einer Stunde geht’s los.“

Einige Stunden später saßen die vier Gefährten zusammen an einem Feuer und aßen einen frisch erlegten Hasen. Zunächst kauten sie schweigend, doch nach und nach ergab sich ein Gespräch und nur kurze Zeit später wurden wieder einmal Geschichten aus der Vergangenheit zum Besten gegeben.

„Nein, nein, Dylaan und Bjarne kennen sich ewig. Sie waren irgendwie Nachbarn oder so etwas. Ich kam erst später dazu. Ich erinnere mich genau, wir waren noch etwas jünger als du jetzt. Ich lebte damals zusammen mit meiner Familie auf einem kleinen Hof in einem Weiler mit vielleicht vier bis sechs anderen Familien. Unser Land war sehr fruchtbar, deswegen ging es uns allen sehr gut, außerdem waren wir ziemlich fleißig. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass mein Vater das Oberhaupt in unserem Weiler war, alle hatten Respekt vor ihm.

Ich war etwa sechzehn Jahre alt. Es wurde schon dunkel, wir hatten bereits die Tiere herein geholt und wollten gerade zu Bett gehen. Ich erinnere mich genau, mein kleiner Bruder und ich schliefen oben im Haus, direkt unter dem Dach. Unsere Betten waren eher bessere Strohhaufen, aber ich habe sie als sehr bequem in Erinnerung. Ich lag an der Walmseite des Daches. Dort war nämlich ein kleines Loch in der Wand, von wo aus ich immer die Menschen auf dem Platz beobachten konnte, bis ich dann eingeschlafen war.

Diesen Abend aber nicht. Aus irgendeinem Grund wollte mein kleiner Bruder heute unbedingt bei mir im Bett schlafen und ich war damit beschäftigt, ihn davon abzuhalten. ‚Wieso denn nicht?‘ – ‚Darum, du hast dein eigenes Bett.‘ – ‚Bitte, nur heute!‘ – ‚Nein!‘ So ging es ständig hin und her, als wir plötzlich ein lautes Rufen vernahmen. Wir zuckten zusammen. ‚Siehst du‘, zischte ich. ‚Mutter hat uns gehört. Das hast du nun davon.‘ Doch es hörte nicht auf. Im Gegenteil, es wurde lauter. Ich stutzte. Dann bemerkten wir, dass es gar nicht aus dem Haus kam, sondern von draußen.

Sofort stürzten wir uns auf mein Bett um hinauszuschauen.

Wir sahen überall fremde Männer auf Pferden und mit Fackeln. Sie trieben unsere Nachbarn zusammen, zündeten ihre Häuser an. Mir wurde klar: wir mussten hier raus. Ich packte meinen Bruder am Arm und eilte runter.

Schon auf der Treppe bemerkte ich, wie Vater versuchte, das Eindringen fremder Männer zu verhindern.

‚Schnell!‘, hörte ich Mutters Stimme aus dem Wohnraum. Wir liefen zu ihr. Gleichzeitig vernahm ich ein lautes, röchelndes Aufschreien meines Vaters. Mutter drückte mir unsere kleine Schwester in die Arme, öffnete eine Tür und schob uns schnell hinaus. Wir drei standen also jetzt hinterm Haus, direkt am Wald. Mein Bruder und ich sahen uns an, dann liefen wir los.“

„Und, was ist aus ihnen geworden?“, fragte Chris gespannt.

Rico schüttelte den Kopf. „Ich war für sie verantwortlich, hätte besser aufpassen müssen…“

„Wir fanden ihn alleine im Unterholz“, setzte Dylaan ein. „Er zitterte am ganzen Leib, war bedeckt von blutenden Wunden und Dreck. In den Armen hielt er ganz fest eine alte Puppe, wohl von der Schwester.“

Rico schaute nur noch stumm unter sich.

„Bis hier hin kennen wir die Geschichte“, meinte Dylaan später zu Chris. „Er erzählt sie immer wieder. Jedoch nie weiter bis zu dieser Stelle.“

Sie schauten zu ihm rüber. Er saß immer noch am Feuer, den Blick gesenkt. Bjarne saß neben ihm und warf regelmäßig Holzscheite nach.

„Was ist eigentlich mit dir?“, fragte Dylaan plötzlich. – „Inwiefern?“ – „Na ja, was ist deine Geschichte? Wo kommst du her?“ – „Sagte ich doch bereits. Ich arbeitete auf einem Handelsschiff.“ – „Ja, das sagtest du. Aber… du hast mit Sicherheit dort nicht so kämpfen gelernt, oder?“ Chris schmunzelte. „Da kämpfen? Oh nein, das nicht. Das… das waren Erinnerungen… Erinnerungen aus einem anderen, einem vergangenen Leben.“ Dabei lies er es bewenden. Dylaan schaute ihn noch länger in die Augen, nach einer Antwort forschend, gab es aber auf und stand auf. „So Männer, morgen geht’s früh weiter, wir wollen schließlich ankommen. Besser, wir gehen jetzt schlafen.“

----------

Schon von weitem sahen die vier Keluro vor sich liegen.

Zunächst fiel ein merklicher Wechsel der Landschaft auf, die Wälder wichen weiten Feldern und Wiesen, nur vereinzelt stachen noch einzelne Bäume, Inseln gleich, heraus. Infolge des fehlenden Schutzes wehte nun der Wind heftiger. Hatten die Gefährten im Wald bloß ab und an eine leichte Brise wahrgenommen, konnten sie den Wind nun deutlich spüren und an den sich biegenden Feldfrüchten sehen.

Dann erschien die Stadt am Horizont. Zunächst war sie nur ein kleiner Fleck, doch Schritt für Schritt wuchsen ihre Mauern und Türme, sowie die Dächer der höchsten Häuser empor.

Hoch motiviert und auch ein wenig aufgeregt schritt Chris mit den anderen auf die Siedlung zu. Was würde sie dort erwarten? Chris stellte sich das rege, lärmende Treiben der Menschenmassen auf der Hauptstraße vor. Die vier kamen ja nicht vom direkten Hauptverkehrsweg auf die Stadt zu, folglich würden sie noch ein wenig um die Stadt herumlaufen müssen, um zum Tor zu gelangen. Dieses würde weit aufstehen, um ein stetiges Ein- und Ausgehen diverser Menschen zu ermöglichen, bewacht von ein paar gut ausgebildeten Männern, die die Situation stets unter Kontrolle haben. Chris würde mit den anderen einfach dem Weg folgen und zwangsläufig am Marktplatz ankommen. Heute würde zwar wahrscheinlich kein Markt sein, doch würden die Menschen kreuz und quer unterwegs sein und ihrer Arbeit nachgehen, oder um etwas anderes wichtiges zu erledigen, oder einfach nur zum Vergnügen. Aus der Kneipe würde schon das erste Gelächter schallen, Kinder würden spielend umherlaufen und so das ganze Bild um eine weitere Nuance bereichern…

Chris romantisierende Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als die Gruppe stehen blieb.

„Mh“, meinte Bjarne nur. „Geschlossen.“

Dylaan klopfte einmal gegen das Tor. Nichts geschah. Er klopfte noch einmal. Eine kleine Luke auf Augenhöhe wurde geöffnet.

„Wer da?“, tönte es unfreundlich heraus. - „Wir sind Tagelöhner auf der Suche nach Arbeit.“ – „Ah“, lautete die kurzatmige Antwort. Dylaan blickte einen Moment lang seine Begleiter an, dann drehte er sich zurück zu dem Augenpaar. „Wir bitten Euch um Einlass, wenn es recht wäre, denn wir hatten uns vorgenommen, hier in ebendieser Stadt nach Arbeit zu suchen.“ Der Angesprochene grunzte kurz, dann schloss er das Sichtfenster.

Chris schaute verwirrt umher. „Und jetzt?“ Die anderen blieben ruhig. Dylaan deutete bloß eine beschwichtigende Geste an. Dann knackte es leicht und eine Tür innerhalb des Tores ging auf. „Tretet ein.“

Chris beobachtete, wie seine Begleiter dem Aufruf folgten. Er musterte die Wache im Vorbeigehen: es handelte sich um einen eher grobschlächtigen, gedrungenen Mann mittleren Alters, ausgerüstet mit einem Lederwams, einer Lederkappe und einem einhändigen Schwert. Sein Blick war in der Tat noch abweisender und verriet eine noch größere Lustlosigkeit als seine Antworten. Chris stutzt kurz ob des seltsamen Erscheinungsbildes dieses Individuums. Und das wohl einen Moment zu lang, denn dieser schnaubte noch einmal verächtlich und murmelte, gerade laut genug, dass es noch verstanden werden konnte, und mit einem Unterton, der höchste Abneigung verriet: „Viel Spaß wünsche ich Euch in der Stadt, Fremde.“

Dann wandte er sich um und schloss die Tür.

Die Hauptstraße, auf der sich die vier nun befanden, führte bogenförmig an dicht gedrängten Häusern vorbei, so dass man immer nur bis zur übernächsten Quergasse schauen konnte. Trotzdem gab es nicht viel zu sehen. Die Straßen waren leer, die Haustüren allesamt geschlossen. Man vernahm weder das Geräusch spielender Kinder, noch schäkernder Weiber oder laut diskutierender Männer, bloß eine Art fernes Gemurmel.

Die vier folgten der Straße weiter, nichts änderte sich, bloß das Murmeln wurde lauter. Und mit einem Mal standen sie auf dem Marktplatz.

Vor ihnen erhob sich ein Meer aus Menschen. Alle Bewohner dieser Stadt waren hier versammelt. Die Geräusche, die Chris in der Straße vermisst hatte, drangen nun mit der doppelten Intensität an sein Ohr. Kinder liefen einzeln oder zu mehreren lachend und rufend durch die Menge, Frauen und Männer standen in Gruppen zusammen, heftig diskutierend, vereinzelnd liefen Menschen mit Bauchläden durch die Masse und priesen rufend ihre Ware an: warmes Fleisch, knackiges Obst, frisch gebackenes Brot, faules Gemüse…

Chris stutze. Bot dieser Junge da tatsächlich faules Gemüse an?

Nun fiel Chris auch auf, wie die Kinder Steine vom Boden aufhoben und damit durch die Menge zum Zentrum des Platzes liefen. Verwundert hob er den Blick, lies ihn über die Menschenmasse gleiten und fand ein Podest. Chris musste gegen die Sonne schauen, deswegen kniff er die Augen zusammen und schirmte diese mit einer Hand ab, um etwas erkennen zu können. Auf diesem Podest befand sich nämlich etwas, soviel sah Chris, eine Art Holzaufbau…

„Eine öffentliche Zurschaustellung!“

Chris schaute zur Seite. Der Ausruf kam von Rico, dieser war außer sich. „Wisst ihr, wie lange meine letzte öffentliche Zurschaustellung zurückliegt? Ich fasse es nicht, haben wir ein Dusel!“ Chris Gefährten hatten wohl einen der Umstehenden gefragt, wo sie hier hineingeraten waren. Dieser hatte anscheinend etwas erklärt, was Rico zum zuvor genanntem Ausruf verleitet hatte und sprach nun weiter: „Das kann man wohl sagen! Jedenfalls mehr als die armen Tropfe an den beiden Haupttoren.“ Chris grinste unweigerlich. „Und das ist nicht nur irgendeine Zurschaustellung!“, fuhr der Dörfler fort. „Unserem Scheriff ist es tatsächlich gelungen, einen Rebellen ausfindig zu machen.“

Chris Herz blieb für einen Moment stehen. Erinnerungen, Gefühle und Bilder überwältigten ihn, so dass er das Drumherum komplett ausblendete. Sein Blick war starr geradeaus ins Leere gerichtet. Doch so schnell dies kam, war es auch wieder weg. Er schüttelte kurz mit dem Kopf, dann kam alles zurück: die Geräusche, seine Gefährten, der Mann aus der Stadt. Ohne bewusst wahrzunehmen ob dieser noch redete, warf Chris ein: „So, ein Rebell? Prima! Ich weiß nicht, was ihr hier so vorhabt, aber ich wird mir jetzt eine bessere Sicht weiter vorne ergattern. Ich wollte schon immer mal so einen Rebellen von nahem sehen.“ Dann wandte er sich um und verschwand in der Menge.

Die drei schauten ihm nur kurz hinterher.

„Zwei Tage. Wie gehabt. Und da geht er schon. Braver Junge“, meinte Rico. „Und was machen wir jetzt?“

----------

Chris bahnte sich seinen Weg stur geradeaus. Er achtete gar nicht darauf, wie er vorwärts kam, sondern nur darauf, bald an vorderster Reihe zu stehen. Die Menschen um ihn herum schrien Beschimpfungen, schubsten sich gegenseitig, um besser sehen zu können, warfen mit faulem Obst oder fuchtelten einfach nur mit den Armen. Sie bildete eine wütende Masse, gleich den Wogen des Meeres. Doch Chris bemerkte das alles nicht. Jedenfalls nicht bewusst. Er achtete primär auf das Schafott, auf den Rebellen, auf sein Ziel. Deswegen war ihm auch egal, wie sehr er aus dieser homogenen Masse herausstach. Er stand mittlerweile direkt vor dem Angeklagten, sein Blick starr gerade aus, den Kopf erhoben, er atmete etwas schwerer als gewöhnlich und seine Lippen bebten leicht. Ständig wurde er angerempelt, oder geschubst, doch das schien er noch nicht einmal wirklich zu bemerken. Für einen Moment waren seine Gedanken ganz woanders, dann fixierte er den Rebellen auf dem Schafott.

Unter anderen Umständen wäre Chris vielleicht aufgefallen, dass dieser auch nur ganz normal aussah, gar nicht gefährlich. Er müsste etwa in seinem Alter sein, war ziemlich schmal, hatte kurze braune Haare und große dunkle Augen die voller Angst unruhig hin und her schauten.

Doch nicht hier. Nicht heute. In Chris Augen spiegelte sich purer Hass. Reiner, intensiver Hass.

Man konnte beobachten, wie er sich verkrampfte. Chris schaute kurz zu Boden und ballte seine Hände zu Fäusten, so fest er nur konnte. So stand er eine Weile da, dann hob er abrupt seinen Kopf, griff nach der Ware eines vorbeigehenden Verkäufers, warf sie in Richtung des Rebellen und fing an, ein Teil der Menge zu werden.
Andraika ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.12.2012, 22:22   #2
weiblich melodi473
 
Benutzerbild von melodi473
 
Dabei seit: 12/2012
Ort: berlin
Alter: 25
Beiträge: 5


Standard cool

find ich echt toll und spannend find ich es auch ,hast du echt gut gemacht muss ich sagen.
melodi473 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2012, 14:04   #3
Andraika
 
Benutzerbild von Andraika
 
Dabei seit: 01/2011
Alter: 33
Beiträge: 12


Danke!
Falls du noch mehr von mir lesen magst, z.B. wie die Story weiter geht:
Ich habe auch eine Homepage, auf der ich meine Sachen neuerdings hochlade.
Kannst das gerne mal vorbeischauen!
sabschraika.wordpress.de
Andraika ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Fantasy-Geschichte



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
fantasy Ex-Sabi de Sombre Tanka-, Haiku- & Senryu-Gedichte 2 11.08.2010 09:47
Fantasy Roman Fascaritas Geschichten, Märchen und Legenden 2 05.12.2009 16:01
[Fantasy]LFighter LFighter Geschichten, Märchen und Legenden 5 05.09.2009 17:12
Die Kraft des Mondes (Fantasy) Lúinwe Geschichten, Märchen und Legenden 12 14.06.2007 22:37
Harads Ende (Fantasy) Schattenwolf Geschichten, Märchen und Legenden 2 28.10.2006 17:31


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.