|
|
Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
29.04.2011, 17:56 | #1 |
Der höfliche Rassist
Die Augen wurden träg' und träger,
saß neben mir im Zug ein Ne...- na, wie sagt man das jetzt aktuell? Mensch, wie heißt denn das jetzt, schnell? Ein Afro-Afrikaner. Wir sprachen über Léopold Senghor und über Ahnenkulte bei den Tswana. Eine Stunde lieh ich ihm mein Ohr. Ich riss mich stark zusammen, wollte bloß nicht hier aus Deutschland stammen! Doch ich sehnte mich nach Schlaf und so kam es, dass ich voll ins Schwarze traf. Ich glaub', er konnte es nicht fassen, als ich fragte nach Kabilas Schergen: „Eins muss man euch Deutschen lassen: Rassismus könnt ihr wirklich gut verbergen!“ |
|
29.04.2011, 18:34 | #2 |
abgemeldet
|
Sehr schön.
|
29.04.2011, 18:40 | #3 |
Puh, da bin ich erleichtert!
Ich fürchtete, die ganzen Anspielungen seien vielleicht nicht so geläufig. |
|
29.04.2011, 18:44 | #4 |
abgemeldet
|
Jetzt weiß ich auch, wer Leopold Senghor war.
|
29.04.2011, 18:49 | #5 |
Da konnte ich also dem belesenen Schamansky noch etwas mitgeben
Freut mich! |
|
29.04.2011, 19:41 | #6 |
R.I.P.
|
Treffend!
Ich selbst bin politisch noch nicht bei der Korrektheit angekommen. Mein Schnabel ist nicht zuckrig genung. Senghor kenne ich natürlich, aber über Kabila weiß ich sehr wenig. Aber was hat das Schlafbedürfnis mit dem angeblichen Rassismus zu tun? Wird man da unvorsichtiger? Oder wurde was Andres erwartet? Oder sieht man hinter höflichem Geplauder versteckten Rassismus? Trotzdem: Gut! Thing (müde) |
29.04.2011, 20:05 | #7 |
gesperrt
|
Wieso ? Verstehe ich nicht. Darf man nicht Neger sagen ? Soll man lieber ne Rolle Teerpappe sagen ? Übrigens, der Herr Heinigger war mit dem Auto mal in Alabama unterwegs und wurde von einem schwarzen Cop angehalten. Naja, und der fragte ihn nach seinem Namen…..
|
29.04.2011, 20:06 | #8 |
R.I.P.
|
|
29.04.2011, 22:03 | #9 |
Zur politischen Korrektheit: Ich bin kein grundsätzlicher Gegner von pc. Ich finde, dass manche sprachlichen Tabus ihre Berechtigung haben, solange es nicht in Sozialfaschismus ausartet. Ich kritisiere eher die Sinnlosigkeit, mit der so mancher Bann betrieben wird und die fragwürdige Motivation, statt über strukturelle Probleme zu reden, die Umgangssprache zu zensieren. Besonders deutlich wird das bei "Afro-Amerikaner". Die unsinnigste Zensurmaßnahme, die ich kenne! Mit dem Begriff wird doch nicht im Geringsten das ausgedrückt, was man eigentlich sagen will. Man will doch nicht auf die Geschichte eines (nicht rein schwarzen) Kontinents verweisen, sondern auf die Hautfarbe von Menschen, die nichts weiter mit Afrika zu tun haben, als dass deren Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßeltern (Menschen, die sie nicht kennen) von da (und wahrscheinlich noch von ein paar anderen Orten) stammen. Mit einem solchen absurden Begriffsstreit wird die eigentlich wichtige Debatte vermieden.
Zu Kabila: Joseph Kabila ist der Kronprinz von Laurent-Désiré Kabila des ehemaligen Präsidenten Zaires, dessen Weigerung, demokratische Reformen durchzuführen, maßgeblich zum Ausbruch des 2. Kongokrieges beigetragen hat. Unter anderem Simbabwe und Namibia (aus einem der beiden Länder kommt der hier beschriebene "Afro-Afrikaner" offensichtlich) unterstützten Kabila, weswegen das LI wohl einen Nerv getroffen hat. Zum Schlafbedürfnis: Zum einen wird man dadurch unvorsichtiger, wie du treffend gesagt hast. Zum anderen symbolisiert der Wunsch zu schlafen und der auf Höflichkeit zurückzuführende Schlafverzicht die Ungemütlichkeit der Situation. "Der Deutsche" verkrampft historisch bedingt gerne mal in der Konfrontation mit dem Fremden und flüchtet sich dann ins Politische (also Unpersönliche), was er nur politisch korrekt machen kann. Das verschärft die Verkrampfung natürlich noch und bietet eine hervorragende Angriffsfläche für Rassismusvorwürfe. Das LI ist meiner Meinung nach nicht wirklich ein Rassist, es ist bloß die Karikatur eines "typischen Deutschen", der Probleme mit dem "Fremden" hat, weil er Probleme mit dem "Deutschen" hat. |
|
30.04.2011, 09:40 | #10 | |
abgemeldet
|
Zitat:
Das Gedicht gefällt mir insgesamt außerordentlich. Es lässt weder den Tiefsinn noch die angemessene Form vermissen. |
|
30.04.2011, 10:10 | #11 |
R.I.P.
|
Jetzt wundert es mich nicht, daß ich nicht so ganz "durchgestiegen" bin.
Ich hab nämlich weder mit dem "Deutschen" noch mit dem "Fremden" Probleme. Falls man das überhaupt so nennen kann. Probleme habe ich höchstens mit manchen Menschen/Leuten - ganz gleich, welcher couleur. |
30.04.2011, 12:18 | #12 |
abgemeldet
|
Es ist das schlechte Gewissen des weißen Mannes, das hier herumgeistert.
|
30.04.2011, 15:09 | #13 |
abgemeldet
|
Mir leuchtet es nicht ein, warum der Farbige dem Nichtfarbigen aufgrund der Frage nach Kabilas Schergen verborgenen Rassismus unterstellt.
Verständlich wird dies nur, wenn man annimmt, der Autor beabsichtige zum Ausdruck zu bringen, dass nicht nur Deutsche ein Problem mit dem Rassismus haben, welchen Vorzeichens auch immer, sondern auch Nichtdeutsche... |
30.04.2011, 15:33 | #14 |
es gobt viele, gerade schwarze rassisten, und wenn man denen dann auch noch als weißer in deren politik reinreden will hörts meistens sowieso auf
... die schuld der weißen, und die verlangte gerechtigkeit der schwarzen ... |
|
30.04.2011, 20:35 | #15 |
Huch, da sind ja einige Kommentare zu beantworten.
@Odiumediae: Danke! Der Inhalt war mir hier wichtiger, aber wenn die Form auch noch gelungen ist, bin ich natürlich außerordentlich zufrieden. @Thing: Mir geht es da genau so, aber so wie ich das sehe (z.B. in regelmäßig wiederkehrenden "politischen" Debatten), trifft diese Karikatur auf sehr viele Zeitgenossen zu. @Abendstern: Ein Teil der Erklärung von ZychoyZ ist hier meines Erachtens nach ganz richtig: Als Europäer über die politischen Verhältnisse zu urteilen ist natürlich nicht rassistisch, aber darin offenbart sich meist eine ethnozentrische Perspektive (damit meine ich nicht, dass wir nicht über afrikanische Verhältnisse urteilen dürfen, aber wir müssen uns auch ein Stück weit auf die "afrikanische" Perspektive einlassen). Natürlich greift das der Afrikaner auf, nachdem er sich beleidigt fühlt. Der Vorwurf des Afrikaners ist also wohl eher persönlicher als politischer Natur. Genau darin offenbart sich allerdings das problematische Verhältnis des LI zum "Fremden" im Allgemeinen: Dieses Verhältnis ist nämlich gekennzeichnet von einer gewissen Unsicherheit, die das LI dazu veranlasst, die persönliche Ebene zu meiden und genau dadurch unfreiwillig persönlich verletzend zu wirken. Das Verhältnis des Deutschen zum Fremden ist also aus der Ambivalenz des Deutschen mit sich selbst heraus, nur als ambivalentes Verhältnis zu beschreiben, in welchem persönliche und politische Motive entgegengesetzt wirken und so an Kontur verlieren. So zumindest habe ich es gedeutet, aber der Text gibt natürlich auch bewusst Raum für Interpretationen. |
|
30.04.2011, 20:36 | #16 |
P.S.: Dass es auch schwarze Rassisten gibt, war für mich so selbstverständlich, dass ich es nicht bewusst in diesen Text habe einfließen lassen, aber wenn es darauf aufmerksam macht, ist es natürlich auch wertvoll.
|
|
30.04.2011, 21:17 | #17 |
Ach, da hab ich glatt Schamansky vergessen...
Das schlechte Gewissen des weißen Mannes - so kann man es auch sehen. |
|
Lesezeichen für Der höfliche Rassist |
Stichworte |
fremd, fremdheit, rassismus, vorurteil |
|
Ähnliche Themen | ||||
Thema | Autor | Forum | Antworten | Letzter Beitrag |
Armer Rassist | poeasy | Zeitgeschehen und Gesellschaft | 5 | 01.03.2010 18:11 |