Farinelli

[Ex-DrKarg]

Farinelli

©Hans Hartmut Karg
2017

Die gute alte Zeit war keine gar so gute,
Sonst hätte es Kastraten schon damals nicht gegeben.
Es galt damals ja auch noch Rute, Knute –
Und für die Armen nur ein Hundeleben.

Auch Haydns Vater musste so verhindern,
Dass man den eigenen Sohn kastrieren konnte,
Denn wenn der Stimmbruch einsetzte bei Kindern
War der Kastrat gefragt – weil es sich lohnte!

So wurde Farinelli auch Kastrat,
Um seine Knabenstimme zu erhalten.
Man führte aus verstümmelnd die Untat,
Um Hörgenuss für Fürsten zu gestalten.

Was hat dem Mann man damit angetan,
Der künftig den Sturm makellos besang?
Schrie nicht Verzweiflung aus dem Mann,
Dem musikalisch alles groß gelang?

Da ist doch unsere Zeit bedeutend besser,
Die mit der Kopfstimme dasselbe wohl erreicht
Und nicht als Leibversehrer mit dem Messer
Den schönen Körper und die liebe Seele bleicht!

*

[DieSilbermöwe]

Ich wollte mir einen Film über Farinelli aus genau diesem Grund nicht ansehen, aber im Film wurde gezeigt, dass er sehr wohl noch GV haben konnte, nur eben weniger Lust dazu hatte. Wenn es ihm zu viel wurde, sprang sein Bruder bei den Damen ein.

Zum Gedicht selbst: Hier sollte man sich meiner Meinung nach entscheiden, ob man ein Gedicht über Farinelli ODER diese Zeiten und solche Untaten schreiben sollte. Es wirkt hier irgendwie unausgegoren miteinander verquickt (mein Eindruck zumindest). Die Idee, über Farinelli ein Gedicht zu schreiben, finde ich aber sehr interessant.

[Ex-DrKarg]

Liebe Silbermöwe,
mir schien beides wichtig zu sein, der Umgang mit dem männlichen Körper in früheren Zeiten und der Bezug der historischen Person im Hinblick auf unsere heutige Zeit.
Allein die Frage, ob er GV haben konnte oder nicht ist nicht der Knackpunkt, sondern die Tatsache, dass er einfach kastriert wurde und er sich gegen die Kastration ja nicht hat erwehren können.
Liebe Grüße!
H. H. Karg

[DieSilbermöwe]

Lieber Dr. Karg,

laut Film wurde ihm erzählt, er habe auf Grund eines Reitunfalles kastriert werden müssen, sein Bruder ließ die Kastration durchführen, als er im Fieberwahn lag, die Wahrheit über den eigentlichen Grund erfährt er erst viel später:

http://www.dieterwunderlich.de/Corbiau_Farinelli.htm

mir schien beides wichtig zu sein, der Umgang mit dem männlichen Körper in früheren Zeiten und der Bezug der historischen Person im Hinblick auf unsere heutige Zeit.

Das kann ich schon verstehen, aber ich fände es besser, wenn sich das Gedicht, das den Titel "Farinelli" trägt, dann auch ausschließlich auf Farinelli konzentrieren würde.

Das hier:

Da ist doch unsere Zeit bedeutend besser,
Die mit der Kopfstimme dasselbe wohl erreicht
Und nicht als Leibversehrer mit dem Messer
Den schönen Körper und die liebe Seele bleicht!

passt meines Erachtens überhaupt nicht da hinein.

[Thing]

Ich habe einen italienischen Farinelli-Film gesehen, ein Ohrenschmaus und eine Augenweide.
In diesem Film wurde Farinelli, der Sänger, bereits als Knabe kastriert.
Wie sich die Schicksale von Musikern und Sängern in diesem Film verquicken - das ist mit viel Fortune ausgebreitet.

Der Countertenor oder Altus kann betörend schön klingen.

Ich glaube, es ist nicht besonders erwähnenswert, daß in der heutigen Zeit nicht mehr kastriert wird, um eine schöne Sopranstimme zu erhalten.

Lieben Gruß
von
Thing

[Ex-DrKarg]

Liebe Thing,
trotzdem war es mir wichtig gewesen, noch einmal auf diesen Umstand hinzuweisen, dass Kastration heute nicht mehr üblich ist, denn das zeigt ja auch: Nicht alles war wunderbar in der sogenannten "Guten Alten Zeit"!
Herzliche Ostergrüße DIR!
H. H. Karg

[Heinz]

Dr. Karg,
es möge ein jeder nur davon reden, was er versteht.
"Weil die Fürsten sich ihren Hochgenuss erhalten wollten" - das ist nur eine Seite der Medaille. Vorher kamen Deine Glaubensbrüder auf die Idee, den Frauen das Singen in der Kirche zu verbieten (später durften Frauen auch in der Oper nicht auftreten). In Conservatorien wurden Knaben gesammelt und im Namen Jesu Christi zwangskastriert - wieviele dabei elend verreckt sind, darüber schweigt die Kirchenchronik. Nebenbei: Das Wort Konservatorium hat sich erhalten - konserviert wurden ab etwa 400 nChr die Knabenstimmen.
Einen Kastratensänger in die Nähe eines heutigen Countertenors (Altus) zu rücken und eine Kastratenstimme mit der von der Brust unterstützten Kopfstimme (Falsett) zu vergleichen, das bringt nur ein Dr. Karg fertig.
Ein Kastrat kann nur mit der erhaltenen hohen Stimme sprechen; ein Countertenor, wenn er nicht singt, spricht mit ganz normaler männlicher Stimme.
Die Basis, das wollen wir doch nicht vergessen, für die Kastrationen legte die Kirche in ihrem Frauenhass.
Dass Du Dich mit dem völlig irrelevanten Thema - der Kastration Farinellis (wahrscheinlich unter Mitwirkung seines Bruders) beschäftigst und die zugrunde liegende Frauenfeindlichkeit, deren aktuelle Problematik durch täglich zu Tausenden (!!!) Genitalverstümmelungen führt, wäre ein brennendes Problem.
Ich hätte das alles kürzer machen können: Sprich nicht über Dinge, von denen Du keine Ahnung hast.
H.

[Eisenvorhang]

Soweit ich weiß, haben nur 10 von 100 oder 1000 Eunuchen die Kastration überlebt.
Die Hoden wurden mitunter im heißen Wasser aufgeweicht und zerquetscht. Andere wurden aus dem Scrotum herausgeschält oder gleich totalkastriert.
Ich will mir das nicht vorstellen.
Kirche heißt Unmündigkeit.

Sorry für das Gedichtferne OT.

vlg

EV

[Heinz]

Lieber Eisenvorhang,
aber bitte nicht Eunuchen mit Kastraten verwechseln!
Der Grund für die "Entmannung" - Du hast die schrecklichen Zahlen der Todesopfer genannt, die sich auf Kastraten beziehen - war (bei gleichen körperlichen Resultaten) - ein völlig anderer.
Die Erhaltung der Knabenstimme durch Kastration im kindlichen/jugendlichen Alter war die Idee der Kirche.
Eunuchen waren sehr oft hoch angesehene Leute mit großer Machtfülle und großem Einfluss auf ihre "Herren". Die Stimme der Eunuchen war den jeweiligen Herrschern sch...egal.
Liebe Grüße,
Heinz

[Ex-DrKarg]

Lieber Heinz,
es ist doch egal, ob angesehen oder nicht. Es handelte sich dabei immer um eine Verstümmelung, gegen die sich der Verstümmelte nicht wehren konnte.
Liebe Grüße!
H. H. Karg

[Thing]

Zitat von DrKarg

Liebe Thing,
trotzdem war es mir wichtig gewesen, noch einmal auf diesen Umstand hinzuweisen, dass Kastration heute nicht mehr üblich ist, denn das zeigt ja auch: Nicht alles war wunderbar in der sogenannten "Guten Alten Zeit"!
Herzliche Ostergrüße DIR!
H. H. Karg

Die sog. gute, alte Zeit war wohl die Biedermeierzeit.
Als Biedermeier wird die Zeitspanne vom Ende des Wiener Kongresses 1815 bis zum Beginn der bürgerlichen Revolution 1848 in den Ländern des Deutschen Bundes bezeichnet. Mit dem Ausdruck Biedermeier ist in der politischen Geschichte der Begriff der Restauration verknüpft, der sich auf die staatspolitische Entwicklung nach dem Ende der napoleonischen Zeit und des Wiener Kongresses bezieht. Bedeutsam ist der Begriff als Epochenbezeichnung der Kulturgeschichte, als solcher jedoch kaum klar konturiert, da viele Assoziationen zum Biedermeier aus dem späteren 19. Jahrhundert stammen und oft als projizierte Zuschreibungen gelten müssen

(Wikipedia)

Daß in dieser Zeit Abgründe zwischen den "Klassen" klafften, wird heut gern übersehen, ebenso die Tatsache, daß damals ein unbestechliches Beamtentum entstand, über das vielleicht noch nicht genug geschrieben wurde.
Hier wäre Larkin gefragt (das mach ich).

Du siehst, wie anregend dieser Faden auf uns wirkt!

Lieben Gruß
von
Thing

[Heinz]

Wer hilft mir?
Wo ist der Zuammenhang zwischen Farinelli und der Biedermeierzeit?
H.

[Thing]

Du warst zwar nicht angesprochen, aber es ging Herrn Dr.Karg um die "gute, alte Zeit"*, die ich im Biedermeier verorte, obwohl sie nicht gut war.
Darüber kann mich Larkin bestimmt gründlich informieren.

* Hast Du bei Dr.Karg übersehen. Was mich nicht wundert.

[Ex-DrKarg]

Heinz,
gibt es denn nicht einen Zusammenhang zwischen Verstehen w o l l e n und Verstehen k ö n n e n ?
Verstümmelung ist und bleibt Verstümmelung, egal wann geschehen und wie begründet. Dazu hatte und hat niemand ein Recht!
H. H. Karg