Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 03.10.2016, 16:30   #1
männlich Gylon
 
Dabei seit: 07/2014
Beiträge: 4.269


Standard Auf dem Weg nach Hause

Ein hochziehen von Halsschleim hallte durch die Nacht und im nächsten Augenblick schoss ein walnussgroßer Klumpen durch die Luft und landete auf einem Laternenpfahl. Langsam rutschte die Masse aus Blut und Schleim die Stange herunter. Noch bevor der Brocken richtig fahrt aufnehmen konnte, übertrug sich die Kälte aus dem Mast und die Masse gefror. Zurück blieb ein langgezogener Streifen der einer Zahnpasta ähnelte. Kevin hatte keinen Blick für das Schauspiel und holte erst einmal schnaufend Luft. Er blickte sich nervös um und schob sich in eine dunkle Ecke, um unentdeckt zu bleiben. In seinem Kopf rotierte es, er zweifelte ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Die Gefahr, dass schon jemand nach ihm suchte, schätzte er zwar als äußerst gering ein, aber Vorsicht ist immer besser als Nachsicht. Er ließ den Abend noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren um seine Entscheidung zu überdenken.

Er war auf eine späte Partie Billard mit seinem Freund Tom im Pub. Der zog es jedoch vor, sich beim spielen mit einem Gedeck nach dem anderen schnell auf die Verliererstrasse zu begeben und so verlor Kevin die Lust am Spiel. Sie setzten sich noch auf einige Runden an die Theke, bevor Kevin beschloss sich auf den Heimweg zu begeben. Es war spät geworden und er wollte übermorgen fit sein. Vorsichtshalber war er bei alkoholfreien Getränken geblieben und mit ausreichend Schlaf, würde er morgen ein leichtes Trainingsprogramm fahren um sich mental für das Turnier vorzubereiten. Als er die Kneipe verließ, war kein Mensch mehr auf den Straßen. Das war nicht ungewöhnlich, denn das Viertel hatte bis auf die eine Schenke nichts zu bieten und wer nicht in der Gaststätte verkehrte blieb zu Hause. Die Altstadtgassen waren eng und düster und wurden nur spärlich vom Mond erhellt. Kevin zog den Kragen seines Mantels hoch damit die Kälte möglichst lang draußen blieb. Er überlegt zuerst ob er ein Taxi nehmen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Der Spaziergang würde ihm gut tun und ihn Müde machen. Er folgte seinem Atem, der bereits langsam die Gasse hinunter schwebte. In Gedanken versunken lief er an den Häusern entlang, möglichst nah an den Mauern mit der Hoffnung, dass diese noch etwas Wärme vom sonnigen Tag abstrahlten. Es war wirklich eisig kalt in dieser Nacht. Plötzlich meldete sich sein siebter Sinn, er hob den Blick und sah aus der nächsten Quergasse Nebel durch seinen Weg ziehen. Zuerst dachte er an einen dampfenden Gully, von denen ihm einige auf seinem Weg begegnet waren. Doch als ihn Sekunden später eine Faust unvermittelt im Gesicht traf, wurde er eines besseren belehrt. Wenn sein Körper auch blitzschnell reagierte, war der Schlag nicht ohne Wirkung und er schmeckte Blut während er dem nächsten Hieb katzenartig auswich. Die dunkle vermummte Gestalt vor ihm war sichtlich überrascht über die Reaktionsschnelligkeit seines vermeintlichen Opfers, aber anstatt das Weite zu suchen, zog er nicht weniger flink ein Kampfmesser aus dem Ärmel und knurrte „Börse und Handy her, Arschloch“. „Mist“ schoss es Kevin durch den Kopf „ein Straßenkämpfer der gefährlichen Sorte“. Auch wenn er von dieser Gattung schon etliche als Sparringspartner vermöbelt hatte, war er gewarnt. Da waren übelste Schläger dabei, die nicht nur einstecken sondern auch kämpfen konnten. Er dachte kurz über Flucht nach, doch bevor er noch den Gedanken zu Ende gebracht hatte, stieß sein Angreifer nach ihm um seiner Forderung empfindlich Nachdruck zu verleihen. Kevin zog reflexartig den Bauch ein und machte einen Satz nach hinten. „Börse und Handy her, Arschloch“ wiederholte der Aggressor jetzt deutlich gereizter. „Im Leben nicht“ entgegnete Kevin möglichst laut, während er sich auf die nächste Attacke vorbereitete, die nicht lange auf sich warten ließ. Der Kerl meinte es todernst und holte erneut mit dem Messer aus. Doch diesmal wich Kevin nicht aus, sondern griff sich den Messerarm, drehte seinen Körper ein und warf den Mann mit aller Kraft über seine Schulter. Der Angreifer schlug erst hart gegen die Häuserwand und dann mit dem Schädel auf den Boden. Er blieb regungslos liegen. Das Geräusch beim Aufschlag verriet Kevin sofort, das der Kampf beendet war. „Ach du Scheiße“ ging es ihm durch den Kopf „hoffentlich nur Bewusstlos“. Er hob das Messer auf und beugte sich zu der regungslos daliegenden Gestalt hinunter. Augenblicklich bemerkte er das kleine Rinnsal, das sich an der Maske des Mannes bildete. Leichte Panik erfasste ihn, was sollte er tun? Als Kampfsportler war er eine Waffe und es gab hier keinerlei Zeugen die ihn entlasten konnten. Mit seinem Handy konnte er auch nicht die Polizei oder einen Krankenwagen holen, dann war er sofort geliefert. Er hob die Maske des Banditen an und suchte hektisch nach dem Puls am Hals. Seine Finger waren kalt und so brauchte er eine gefühlte Ewigkeit, bis er endlich das erlösende Signal ertastete. Der Mann lebte! Er öffnete die Jacke des Messerstechers und suchte in der Innentasche nach dessen Handy. Er fand es sofort, drückte auf den On Knopf, das Gerät leuchtete und war nicht gesperrt. „Yes, dein Glück du Penner“ nuschelte Kevin in seinen Mantel und steckte das Gerät ein. Eine kurze weile betrachtete er den Mann und prägte sich sein Gesicht ein, dann schaute er sich sorgfältig um und lief los.

Nachdem sein Atem sich beruhigte, streckte Kevin vorsichtig den Kopf aus seiner Deckung um erneut zu überprüfen ob niemand in der Nähe war. Er war extra nicht zu weit gelaufen, damit nicht zuviel Zeit verging. Er nahm das Handy des Verwundeten aus seiner Tasche, rief mit verstellter Stimme die Polizei an und machte die wichtigsten Angaben zum Tathergang. Abschießend legte er das Handy auf den Boden und verschwand geräuschlos in der Nacht.
Gylon ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Auf dem Weg nach Hause



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Nach Hause Ilka-Maria Geschichten, Märchen und Legenden 13 09.05.2016 04:07
Nach Hause Ababax Geschichten, Märchen und Legenden 0 11.11.2015 20:22
Nach Hause Ilka-Maria Kolumnen, Briefe und Tageseinträge 6 23.03.2012 23:55
Nach Hause Ian Düstere Welten und Abgründiges 1 07.10.2009 10:59
Nach Hause! Orange Geschichten, Märchen und Legenden 10 21.08.2008 12:43


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.