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Alt 25.10.2012, 15:54   #1
männlich nurdean
 
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Standard Ein Ende (25.10.12)



In einem kleinen ZimCDPhen – die letzte Kerze war schon lange erloschen – sitzt zusammengekauert ein junger Mann. Klein sieht er aus, wie er da am Boden hockt, die Beine zum Körper herangezogen, den Kopf auf die Knie geneigt, das Gesicht verborgen zwischen dem herunterhängenden Haar. Unkontrolliertes Schluchzen zuckt durch seine Brust und seine Schultern heben sich krampfhaft. Er hat die Kontrolle schon lange verloren. Ein konstantes, leises Wimmern entrinnt seinen Lippen, alleine durchbrochen durch dieses zuckende, japsende, rollende Schluchzen. Dieses Schnappen nach Luft, dieses Stöhnen...

Salzige Ströme fliessen seinen Wangen entlang, tropfen vom Kinn zu Boden, als wäre es Blut. Seine nackten Füsse sind umgeben von einem glitzernden See aus salzigem, durchsichtigem, kaltem Blut. Es ist kühl in dem Zimmer, eiskalt, und doch ist ihm warm. Als brenne da ein inneres Feuer, als würde es ihn auffressen, langsam von innen verbrennen... Leise redet er vor sich hin, bewegt kaum die Lippen. Immer wieder dieselben Worte, Wiederholung desselben Gedankens. Dann entfährt ihm ein Schrei, wie ein Stromschlag durchfährt es seinen Körper, er hebt den Kopf, seine Hände, drückt sie auf die Ohren...

NEIN!

ruft er mit voller Kraft.

Nein, nein, nein, nein...

Er wird wieder ruhiger, wimmert, schluchzt...

Nein, nein, nein...

Er fühlt sich taub. Blind. Spürt nicht mehr seine Hände, seine Füsse. Wie erstarrt blickt er in die Dunkelheit, mit weit aufgerissenen Augenlidern. Weiterhin fliesst das Wasser über sein Gesicht, in seinen Mund. Er schluckt die Tränen runter. Die salzigen Tropfen brennen wie Feuer. Langsam wandern sie, verbrennen seinen Mund, seinen Hals. Graben sich schliesslich tief in das Herz hinein. Zitternd vor Schmerz streckt er seine Hände aus, malt in der Dunkelheit entlang der unsichtbaren Umrisse ihres Gesichts. Er sieht sie vor sich, in dem tiefen Schwarz, ihre leuchtenden Augen blicken ihn offen an und ihr Blick ist – voller Verachtung!

Er zuckt zusammen, drückt sich die Augen mit den Fäusten zu, wimmert wieder lauter, nein, nein, nein, nein, blickt zwischen seinen Fingern durch – und sieht nichts als Dunkelheit. Weg ist das Gesicht! Verschwunden die schreckliche Fratze! Die entstellte Maske! Weg! Langsam wandern seine Mundwinkel nach oben, seine Stimme hebt sich und ihm entfährt ein abscheuliches, schauderhaftes Lachen. Wie ein Unmensch lacht und grunzt und gurgelt und lacht er vor sich hin, ein hartes, zynisches, hämisches Lachen, ein...

Jetzt ist sie in seinem Kopf! Wie es schreit! Wie es schreit und kreischt und schreit! Wie tausend Stimmen, wie schrille, grässliche Stimmen, wie sie ihn quälen und... die Worte! Die Worte! Derselbe Vorwurf! Immer und immer wieder dieselben Worte in ihm!

Er krümmt sich, er rollt sich über den Boden, sein Gesicht ist schmerzverzerrt, er winselt und schreit, von ihrer Stimme gefoltert, gequält durch die Wahrheit, das unendliche Echo ihrer Stimme zerreisst sein Gehör, ihr Antlitz, welches er nun klarer denn je vor sich sieht, es blendet ihn, es brennt, in jeder Faser seines gepeinigten Körpers brennt es, brennen ihre Worte und die Last des Vorwurfes wiegt schwer, liegt auf ihm wie ein Gebirge aus Angst...

Dann ist plötzlich alles weg. Stille. Absolute Taubheit. Schwärze. Einsam. Da sind nur diese Worte, jetzt leise, klar und hart.

...

Du hast mich verraten!
Ich weiss, dass du mich verraten hast!
Du hast mich Betrogen!
Verlogen...
Verraten...
Verraten...


...

Als man ihn fand, war nichts mehr lebendig in ihm. Er sass an die Wand angelehnt in der Dunkelheit, blind und taub, unfähig zu spüren, zu reagieren, unfähig jemals wieder ein Wort zu sagen, leer, leer, vernichtet, dunkel, trüb, tot. In völliger Apathie blickte er den Rest seines Lebens in die Dunkelheit. Er war leer, wie eine Hülle. Sprach nie mehr ein Wort, bewegte nie wieder seine Pupillen, war erstarrt, leer, war eine Skulptur, eine Salzsäule, war verloren in der Unendlichkeit...

Doch Etwas blieb übrig. Etwas überdauerte. Ein kleiner Funke. Ein Fünkchen Hoffnung. In seiner Hand. Ein sorgsam zusammengefaltetes Zettelchen. Ein winziges Kleinod, beinahe übersehen. Es war gefunden worden als man ihn mitnahm. Er hatte es mit letzter Kraft beschrieben. Hastig, in zittriger Schrift, eine letzte Nachricht, ein letzter Lebenshauch bevor die unendliche Leere kam...

Es tut mir leid!

...

Doch auch diese Worte sollten nie mehr ankommen. Er hatte es gespürt, gewusst. Tief drinnen hatte er es gewusst. Sie hatte sich in jener Nacht das Leben genommen.

...

Und die Tränen der Trauer liessen die Tinte verblassen.

Wuschen sie sanft vom Papier.

Und so war es, als wäre nie etwas dagewesen.


...





Geändert von nurdean (25.10.2012 um 20:30 Uhr)
nurdean ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.10.2012, 19:45   #2
männlich Tschatscha
 
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Sehr schön.
Da ist großes Talent zu erkennen.

Trotzdem möchte ich dir nahelegen, dass die Adjektivlastigkeit deines Textes kaum auszuhalten ist. Verwende Eigenschaftswörter immer sparsam, noch sparsamer - zwei beschreibende Wörter unmittelbar aufeinander, und eine dreifache Ausführung vor dem Hauptwort solltest du gar meiden wie die Tinte den Tintentod.

Prüfe den Text auf Wortwiederholungen, und auf im Sinne Gleiches, das bloß aus anderen Worten besteht.

Grüße
Tschatscha
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Alt 25.10.2012, 19:53   #3
männlich nurdean
 
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Die Wiederholung ist ein tragendes Motiv, welches ich hier ganz bewusst eingesetzt habe. Meiner Ansicht nach klingt es besser, wenn ich es laut vorlese - die verschiedenen Tempi werden klarer. Ich lese es gerne, als stünde ich vor Publikum. Ja die Adjektive, die rotten sich zusammen, sind eine Masse, überfluten den Leser... wie sie auch den Protagonisten überfluten und begraben... - Macht es so mehr Sinn für dich?


Ich danke für deinen Kommentar und freue mich darüber

Nurdean
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Alt 25.10.2012, 20:03   #4
männlich Tschatscha
 
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Zitat:
Zitat von nurdean Beitrag anzeigen
Macht es so mehr Sinn für dich?
Nein, in keiner Weise.
Die vielen Adjektive machen den Text zu einem wässrigen Süppchen.
Es ist ganz einfach: Möchtest du Gefühle beschreiben, oder ist es dir lieber, wenn der Leser beim Lesen eigene Gefühle spürt?

Die Antwort erübrigt sich wohl.

Tschatscha
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Alt 25.10.2012, 20:09   #5
weiblich Ex-sternschnuppe
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Hallo nurdean,

mir gefällt deine Geschichte auch. Ich empfinde sie als sehr bildhaft.
Was die Adjektive betrifft, gut, da könntest du vielleicht einige streichen, insgesamt empfinde ich sie aber jetzt nicht als störend, es scheint mir durchaus zu deiner Geschichte zu passen.

Kleinigkeiten:
Zitat:
Es ist kühl in dem Zimmer, eiskalt, und doch ist ihm warm.
Ich meine, zwischen kühl und eiskalt ist schon ein Unterschied. Wenn es dir um eine Steigerung ging, fände ich "Es ist kalt in dem Zimmer, eiskalt, ..." passender.

Zitat:
Graben sich schliesslich tief in das kleine Herz hinein.
Wie wichtig ist es, dass das Herz "klein" ist? Ist das von Bedeutung?

Zitat:
... ihre leuchtenden Augen blicken ihn offen an und ihr Blick ist – voller Verachtung.
Vielleicht sehe ich es hier falsch, aber leuchtende Augen sind für mich eher positiv belegt, daher empfinde ich sie in Verbindung mit Verachtung eher unpassend.

Sehr gern gelesen.

Lieben Gruß
sternschnuppe
Ex-sternschnuppe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.10.2012, 20:16   #6
männlich Tschatscha
 
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Beispiele:

Zitat:
durch dieses zuckende, japsende, rollende Schluchzen.
Zitat:
ein hartes, zynisches, hämisches Lachen,
In beiden Fällen verliert das Hauptwort all seine Kraft.
Tragende Worte werden von beigestellten Beschreibungen zu Ramsch gemacht.
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Alt 25.10.2012, 20:25   #7
männlich nurdean
 
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kühl -> eiskalt
=> vielleicht hast du Recht, aber kalt-> eiskalt schien mir so langweilig... Werd noch darüber nachdenken, vielleicht fällt mir noch etwas besseres ein. Oder ich lasse es einfach weg...
Augen, die vor Verachtung leuchten
=> einzel gesehen auch eher etwas fehl am Platz

==> wenn man die beiden (und viele andere Stellen der Absurdität) zusammennimmt, entsteht (zumindest hoffe ich das) ein surrealer, wirklichkeitsferner oder zumindest leicht schräger Eindruck, der dann, im Kontrast mit den minutiösen, realistischen Beschreibungen einen Effekt erzielen soll, für den ich kein Adjektiv finde. Nennen wir es künstlerischer Stil oder ein subversiver Versuch, gewisse Assoziationen und Gefühle zu wecken... Es wird halt irgendwie verbildlicht und bleibt doch ein Schemen... Psychedelisch, was weiss ich... Ich kann dir nicht ganz genau erklären, weshalb ich das mache, vielleicht ist es auch einfach sinnlos. Jedenfalls fehlen mir die Worte.

Was halt so alles aus einem herausfliesst, wenn man eine Geschichte schreibt ^^

Dass das Herz "klein" ist, ist tatsächlich absolut unnötig. Ich werde es streichen. Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.

Schön, dass dir die Geschichte im Grossen und Ganzen gefällt! Ich hatte dabei tatsächlich ein ganz klares Bild vor Augen und habe es hoffentlich erkennbar wiedergegeben

Gruss und Dank

Nurdean
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Alt 25.10.2012, 20:28   #8
männlich nurdean
 
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Zitat:
Zitat von Tschatscha Beitrag anzeigen
Beispiele:
In beiden Fällen verliert das Hauptwort all seine Kraft.
Tragende Worte werden von beigestellten Beschreibungen zu Ramsch gemacht.
Weil der Fokus auf
das Zucken, das Japsen,
die Härte, die Zynik, die Häme
liegt...
Aber du hast gewissermassen schon recht. Ob ich solch einen Text lesen würde, wenn er von einer anderen Person geschrieben wäre.... Ob er mir wohl gefallen würde...
nurdean ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.10.2012, 20:54   #9
männlich Tschatscha
 
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Zitat:
Zitat von nurdean Beitrag anzeigen
Weil der Fokus auf
das Zucken, das Japsen,
die Härte, die Zynik, die Häme
liegt...
Jeder Satz beinhaltet eine Aussage, sie ist wichtig und es gilt, sich auf diese konzentrieren. Du möchtest dem Leser mitteilen, dass der Mensch aus seinem tiefsten Inneren heraus schluchzt, und bestimmt nicht, auf wieviele verschieden Arten er zu Schluchzen vermag.
Ich empfehle dir, dich mit den Lektüren von Franz Kafka auseinanderzusetzen, um ein Gefühl für den richtigen Umgang mit den beschreibenden Worten zu bekommen.
Tschatscha ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.10.2012, 21:52   #10
Ex-zonkeye
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Mein lieber nurdean,

da bei deinem Avatar die Schweiz angegeben ist, lass uns mit einem Schweizer beginnen.

Jeder (ältere) Schweizer kennt Albert Anker, und jeder (ältere) Schweizer schätzt ihn über die Maßen, hat der doch einst, mit feinstem, allerfeinstem Pinselstrich, das Schweizervolk exakt so erfasst, wie es sich, damals jedenfalls, gern gesehen hat. Auch die Deutschbürger, von den Schweizern nicht immer geliebt und mitunter in Bausch und Bogen als „Schwaben“ bezeichnet, schätzten und schätzen die Akkuratesse Herrn Ankers selig, wie sie ja auch die handgefertigten mechanischen Schweizer Chronografen schätzen und sie – vor allem dieses Weihnachten – besonders teuer einkaufen werden: Präzision hat nun mal seinen Preis.

Obwohl Du uns hier keine Idylle vorstellst und vielleicht auch gar kein Schweizer bist, hab ich sofort an diesen Maler denken müssen, als ich dein opulentes „Wasserwerk“ las: Jedes Tröpfchen, jedes Härchen, jeder Muskelzuck ist bis ins Feinste ausgemalt. Da war jemand nicht am Schreib-, sondern am Seziertisch zu gange, und wo das natürliche Licht nicht zureichte, hat der die Lampe angeknipst und hingeleuchtet. Dem Leser bleibt nicht die geringste Chance, sich von dem bedauernswerten Tropf ein eigenes Bild zu machen oder in dieser Vivisektion so etwas wie die Handschrift des Operateurs zu erkennen: Leider ist das, was wir erhalten, nichts als ein Protokoll.

An sich wäre das nicht weiter schlimm, und das vorher erwähnte Anker-Bild hätte gleichwohl noch seine Chance, wäre da nicht eine Reihe von Patzern, die das Gesamtbild ziemlich entwerten:

Wessen Zusammengekauertem der Kopf hinter einem Haarschleier auf den Knien ruht, dem rollen die Tränen nicht sichtbar über die Wangen; selbst wenn das Gesicht wie durch einen Zauber hervorträte: Die Träne ränne nicht, sondern sie tropfte;

die zuckende Brust ist in dieser Körperhaltung nicht sichtbar; ebensowenig lässt sich beim Kauernden die Körpergröße so genau einschätzen, wie suggeriert wird;

wenn nebenbei schon so viel Salzwasser fließt, können (oder sollten) Wimmerlaute nicht auch noch rinnen, sondern irgendwie anders beweglich werden;

über die Unsitte, wirr in den Erzählperspektiven herzumzugeistern, hab ich mich an anderer Stelle gerade bis zum Abwinken verbreitet. Auch hier: entweder drinnen oder draußen. Beides zugleich geht nicht.

Albert Ankers Bilder sind inhaltsreich und voluminös. Gleichwohl gibt es Kritiker, die ihm vorhalten, sie seien zu akribisch; sie wirkten wie erstarrt, sie seien „zu Tode gemalt“. Dein Bild, nurdean, ist zwar auch voluminös, aber inhaltsarm: Wenn man den Stöpsel zieht, laufen gefühlte drei Tonnen sich wiederholender Adjektive und Adverbien ab und zurück bliebt eine banale „Scheiße-sie-ist-weg“-Nummer, die man mit einem Bruchteil des getriebenen Aufwandes gewiss ebenso gut oder ebenso schlecht hätte darstellen können.

Untersteh dich jetzt, enttäuscht oder beleidigt über diese Kritik und ihre Art zu sein!

Freu Dich viel mehr, dass ich Dir und Deinem Text mehr als eine halbe Stunde gewidmet und ihn gehörig verrissen habe. Du bist noch jung und wirst zusammen mit deinem Talent wachsen. Du wirst lernen, dass vor allem in der Literatur viel nicht immer viel hilft und, vor allem, das Kritiken wie diese mit das Beste sind, was einem als jungem Kerl vor die Füße gelegt wird.

Mag sein, dass du das jetzt noch nicht einsehen kannst. Aber falls Du das Zeug aufhebst (was Du tun solltest!) und in ein paar zehn Jahren noch einmal anguckst (was Du auch tun solltest!), bevor du entscheidest, ob es beim Umzug noch einmal mitmuss, dann wirst Du mich verstehen. Denn Du wirst gelernt haben, dass gut malen und gut schreiben nicht zuletzt in der Kunst des Weglassens und der Aussparung besteht.

Da bin ich mir ganz sicher!

lg zonkeye
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Alt 08.11.2012, 20:59   #11
männlich nurdean
 
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Lieber zonkeye

Hmm wo fang ich denn da an? Ja, du hast dir viel, sehr viel Zeit genommen und viele Gedanken gemacht. Allerdings gleich zu Beginn: "Zerrissen" würd ich das nicht nennen. Die kleinen Fehler, die du ab der Mitte erwähnst sind korrigierbar und ich danke dir für den Hinweis darauf. Dadurch werden aber die starken Lobensworte des Beginns kaum entwertet.

Dir gefällt die Akribik und Genauigkeit nicht, es ist ein langweiliges Protokoll. Doch ist es nicht auch ein Einblick in einen Menschen? In sein Innerstes, seine Seele?

Mag sein, dass dir vielleicht auch die Thematik an sich nicht gefällt. Immehin hast du bloss den Schriebstil kommentiert, nicht den Inhalt selbst... Was meinst du denn dazu? Ist das 'exakt' auch als 'authentisch' zu werten? Gefällt dir, was du da liest?

Jedenfalls, ein Gemälde, das soll es sein. Und ein Gemälde kennt keine Perspektive, wie du sie suchst, es ist nicht persönlich. Man sieht von aussen drauf, stellt sich davor und denkt sich was zu den Details oder dem Gesamteindruck. Keine starre Perspektive, keine Abfolge von Perspektiven, einfach nur der Eindruck und die Gesamtheit. Das versuche ich zu beschreiben. Dass ich mich dabei über die "logik der Perspektiven" hinwegsetze mag richtig sein. Es ist halt kein Ich-Erzähler und auch keine Kamera... Verstehst du, wie ich das meine?

Ein illustrierendes Beispiel: Du erzählst von deinem eigenen Erlebnis einem Freund: Du sagst, wie die Situation ist, dann, wie du dich dabei fühltest und dann wieder Situation / Handlung. Die PErspektive interessiert nicht, du hast es erlebt. Dieses Ich und Du gibts auch in meinem Text: Nurdean ist das Ich. zonkeye ist das Du. Dazwischen ist nicht. Keine diegetischen Ebenen, wozu auch? Dieser Text ist eine Botschaft, ein Geschenk, eine Erfahrung. Kein Roman, keine Unterhaltung. Dafür könnte es die Wahrheit sein.

Ich überlege noch, ob du das mit der banalen "scheisse-sie-ist-weg"-Nummer ernst meinst. Ziemlich entwertend und nicht wirklich wahr. Oder anders gesagt, man kann auch ein Leben auf diesen Satz zusammenkürzen. viele Menschen leben so. Aber deswegen gibt es da doch trotzdem mehr zu erzählen.

Bitte entschuldige die späte Antwort. Ich musste erst einmal Abstand gewinnen, bevor ich mir nochmal Gedanken dazu amchen konnte.

Ich rechne es dir wirklich hoch an, dass du dir so viel Zeit genommen hast.

Natürlich gehe ich auf deine Vorschläge auch ein, die Aktuellste Version hat einige Änderungen erfahren. Vor Allem die Adjektivhäufung habe ich stark zurückgefahren. Leider kann ich hier keine Änderung mehr machen. Im Kommentar nochmal den ganzen Text hochzuladen wäre wohl auch übertrieben...

Zuletzt: Nein einsehen werd ich nicht alles. Muss ich auch nicht. Es ist ein Feedback und dazu ein ehrliches. Aber auch eines von vielen. Der Text polarisiert und provoziert, das ist mir klar.

Ich danke für deine Einschäötzung betreffs meines Talents und den Vorschlag weiterzumachen. Sei versichert: Das werde ich bestimmt

Ich hoffe die Antwort entspricht deinen Aufwänden und führt zu Resonanz. Ich möchte verstanden werden und hoffe dass auch ich dich richtig verstanden habe.

In diesem Sinn grüsse ich herzlich und freue mich auf eine konstruktive Fortsetzung dieser Diskussion

Liebe Grüsse

Nurdean

P.S.: Jap, ich bin tatsächlich Schweizer
nurdean ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.11.2012, 22:54   #12
Ex-zonkeye
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Zitat:
Jedenfalls, ein Gemälde, das soll es sein. Und ein Gemälde kennt keine Perspektive, wie du sie suchst, es ist nicht persönlich. Man sieht von aussen drauf, stellt sich davor und denkt sich was zu den Details oder dem Gesamteindruck. Keine starre Perspektive, keine Abfolge von Perspektiven, einfach nur der Eindruck und die Gesamtheit. Das versuche ich zu beschreiben. Dass ich mich dabei über die "logik der Perspektiven" hinwegsetze mag richtig sein. Es ist halt kein Ich-Erzähler und auch keine Kamera... Verstehst du, wie ich das meine?
Ein Bild, nurdean, fängt erst in dem Moment an, ein Gemälde zu werden, wenn es Perspektiven hat. Sogar die Künstler, die der Altamira-Höhle die Tapete verpasst haben, wussten das schon und haben keine Fotos an die Wand geklebt, sondern was ganz tolles Anderes: ihre Perspektive, ihre Sicht der Welt.

Wenn man Deiner Theorie folgte, dann genügte es, irgendeinen banalen Vorgang so darzustellen, dass man (etwa eine Heulsuse) dreizehnmal mit dem gleichen Winkel, der gleichen Blende und der gleichen Verschlusszeit mehr oder weniger unbeholfen abbildet, an die Wand hängt und den Betrachter auffordert, sich dabei etwas zu denken.

So einfach geht's aber nicht mit Bildhauern, dem Malen, dem Schreiben und dem Komponieren: Ohne erkennbar eigenen Beitrag bleibt's unsinspiriertes, belangloses Gekrumpel, Gekrakel, Gekritzel und Gedöns.

Mach aus der bloßen Stoffsammlung, die Dein Heulmeier noch darstellt, eine eigene Nummer und zieh damit die Fantasie der Leser auf eine neue, höhere Ebene.

Nur so wirst Du zum Schriftsteller.

lg z
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Alt 08.11.2012, 23:34   #13
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Zitat:
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Mach aus der bloßen Stoffsammlung, die Dein Heulmeier noch darstellt...
lg z
Ist das eine Antwort auf meinen Kommentar, oder siehst du in meinem Text tatsächlich genau das? Dann hättest du zu Beginn nicht so grossmütig schreiben sollen. Wie soll ich nach solch einem herabwürdigenden Kommentar den Vorherigen, scheinbar gut gemeinten noch ernst nehmen können?

Es gefällt dir nicht, das ist völlig ok. aber kannst du bitte auch sachlich bleiben?

"Wer begint, seine alten Argumente zu wiederholen, hat keine neue mehr".

Frei interpretiert, ich glaub von Goethe wars...

Cheers

Nurdean
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Alt 08.11.2012, 23:37   #14
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Zitat:
Zitat von zonkeye Beitrag anzeigen
Ein Bild, nurdean, fängt erst in dem Moment an, ein Gemälde zu werden, wenn es Perspektiven hat.
Und noch was dazu. Ein Bild ist IMMER zweidimensional. Platt. Es sei denn du hockst im Kino und hast ne 3D-Brille.

Und gerade die Perspektive, die du forderst, findest du im Bild nicht. Du stellst dich davor und es sieht aus jedem Winkel gleich aus. Meine Worte hingegen, können so oder so interpretiert werden, sie besitzen Tiefe. Es sind Gefühle, die je nach Leser verchiedene Assoziationen verursachen können, manche Leser sind zu Tränen gerührt, andere, wie du, finden die Perspektive, oder soll ich besser sagen, den ZUGANG dazu nicht. Ist das wirklich mein Fehler?

Sorry, jetzt hast du es doch geschafft, mich auf dein Niveau runterzuziehen. Das im vorherigen Kommentar zitierte Stück Text hat mich wirklich wütend gemacht.

Trotzdem, zum Grusse

Nurdean
nurdean ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.11.2012, 01:22   #15
Ex-zonkeye
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Ich glaub nicht, dass es Sinn machte, Dir weiter Ratschläge zu erteilen. Es wäre verschwendete Liebesmüh.

Ich wünsch Dir viel Erfolg mit Deinen "Werken".

lg z
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Alt 09.11.2012, 03:38   #16
männlich Brutha
 
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Zitat:
Zitat von nurdean Beitrag anzeigen
Ein Bild ist IMMER zweidimensional. Platt.
Das kann man so nicht unterschreiben. Wenn du mal in Galerien gehst, siehst du das man Malen kann, das mehr Ebenen entstehen. Wenn du einen Würfel zeichnest, als beispiel, dann ist dieser auch 3D, erweitert durch die Z-Achse.
Nur so nebenbei.

Dies soll keine Ich-Erzählung sein (ja sieht man und ist offensichtlich) aber dennoch ist es eine Kamera-Perspektive bzw. dritte Person-Perspektive. Was ein bisschen auffällt ist, das Gefühle und Tatsachen geschildert werden, die man von außen aber nicht sehen kann. z.b.

Zitat:
Es ist kühl in dem Zimmer, eiskalt, und doch ist ihm warm. Als brenne da ein inneres Feuer, als würde es ihn auffressen, langsam von innen verbrennen...
Woher weiß man, dass ihm warm ist? Davon gibt es noch ein paar weitere Beispiele, aber du weißt nun sicher was ich meine. Wäre nett, wenn du das ein wenig mehr erläutern würdest.

mfg.

Brutha
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Alt 09.11.2012, 14:06   #17
männlich nurdean
 
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Zitat:
Zitat von Brutha Beitrag anzeigen
Das kann man so nicht unterschreiben. Wenn du mal in Galerien gehst, siehst du das man Malen kann, das mehr Ebenen entstehen. Wenn du einen Würfel zeichnest, als beispiel, dann ist dieser auch 3D, erweitert durch die Z-Achse.
Zitat:
Zitat von Brutha Beitrag anzeigen
Woher weiß man, dass ihm warm ist? Davon gibt es noch ein paar weitere Beispiele, aber du weißt nun sicher was ich meine. Wäre nett, wenn du das ein wenig mehr erläutern würdest.
Kennst du das Bild 'La trahison des images' von René Margritte? Der hat eine Pfeife gemalt und drunter geschrieben 'ceci n'est pas une pipe' (das ist keine Pfeife). Richtig, denn es ist nur ein BILD einer Pfeife. Dein Würfel IST de facto flach, denn das Papier, auf dem er gemalt wurde, ist flach. Er erhält seine interpretation als dreidimensionales Objekt erst durch den Betrachter.

Fragt sich jetzt, wie man das mit einer geschriebenen Geschichte vergleichen soll. Kann man nämlich kaum. zonkeye hatte vorher geschrieben, dass ein Bild erst durch die Perspektive zum Gemälde wird. Meint er damit Schatten, andeutung von Tiefe und dergleichen Hilfsmittel, mit denen man die dritte Dimension vortäuschen kann? Oder spricht er von Gefühlstiefe, philosophischer Tiefgründigkeit etc? In diesem Fall würde er das Wort Perspektive synonym mit 'Interpretation' oder 'Assoziation' oder vielleicht auch einfach 'ausgelöste Gefühle / Empathie beim Leser' verwenden.

Wir müssen erst mal die Begriffe klären, bevor wir wild diskutieren!

Aber ich schweife ab, zurück zu deiner Frage. Du hattest mich gefragt, wie ich das verstehe.

Aus meiner Sicht ist es durchaus möglich, eine Geschichte sowohl auf der Gefühlsebene als auch in der dritten Person zu schreiben. Stelle dir den Leser als allwissenden Gott dar. Oder den Erzähler. Es ist nicht wichtig, woher der Erzähler das weiss, solange er es dem Leser direkt erzählt. Schliesslich hat er die Figur erfunden.

Ein Beispiel dazu, aus Georg Büchners Lenz:

Zitat:
Da rauschte die Quelle, Ströme brachen aus seinen Augen, er krümmte sich in sich, es zuckten seine Glieder, es war ihm als müsse er sich auflösen, er konnte kein Ende finden der Wollust; endlich dämmerte es in ihm, er empfand ein leises tiefes Mitleid in sich selbst, er weinte über sich, sein Haupt sank auf die Brust, er schlief ein, der Vollmond stand am Himmel, die Locken fielen ihm über die Schläfe und das Gesicht, die Tränen hingen ihm an den Wimpern...
etc. etc. etc.

Wie du siehst, weist dieses Meisterwerk scheinbar dieselben Mängerl auf, die ihr auch meinem Text vorwerft. Es wechselt dauernd von 'innen' nach 'aussen', dann geht der Blick sogar mal hoch zum Himmel, dann wieder sein Gesicht, seine Augen, was er fühlt...

Ich kann nur wiederholen, was ich früher schon sagte: Mich stört es nicht. Ich habe das Gefühl, dass die Geschichte so funktioniert...

Ich hoffe, es ist hier im Forum erlaubt, so etwas als Beispiel zu zitieren. Ansonsten hier noch die Quellenangabe:

Georg Büchner, Lenz, Reclam-Nr. 7955, S 11, Z. 10-19.


Ich hoffe mein Text macht jetzt ein bisschen mehr Sinn für dich. Besser kann ichs auch nicht mehr erklären...

Nurdean
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