vergeblich

[j.j.remigi]

ohgott ich erinnere mich
wie die kerze sich verbog
als ich sie zu fest in meinen händen hielt
und wie sie deinen kopf mit wasser bespritzten

ohgott ich weiss noch
wie ich unter euch im bett gelegen bin
als ihr einander zum ersten mal küsstet
und wie das fieber mich packte

ohgott meine knie zittern noch immer
wie ich da stehen musste
wie sie deinen vater beerdigten
und dessen sarg mit erde überhäuft haben

ohgott meine augen tränen
wie ich deine gedichte las
wie du das kommende vorwegnamst
und niemals mehr heimkehren wirst

ohgott meine stimme versagt noch immer
wie ich mit dir zusammen war
wie deine hand die meine suchte
und du mit mir über diese ängste sprechen wolltest

ohgott meine stimme versagt
meine augen tränen
meine knie zittern
und ich weiss

wie ich mich erinnere
dass wir uns nie verloren haben
dass deine mutter nichts von deinen ahnungen wusste und weiss
weil ich geschwiegen habe

ohgott mein gefühl verlangt
wie ich mich versuche zu erklären
wie ich vergeblich versuche zu fühlen
und wie ich ob meiner reglosigkeit erschrecke
noch immer eine auszeit

[tagedieb]

Es gibt so viele gute Texte im Forum und man kann sie schon aus Zeitgründen nicht alle beachten.

Jedenfalls hier ... noch einen Favoriten gefunden!

[j.j.remigi]

Thanks

remigi

[j.j.remigi]

Dieses Gedicht steht in direktem Zusammen mit dem Gedicht "Vorausahnung", welches die Person, um die es geht, ungefähr 3/4 Jahr vor ihrem Unfall im Reisebus in den Anden geschrieben hat.

ohgott meine augen tränen
wie ich deine gedichte las
wie du das kommende vorwegnamst
und niemals mehr heimkehren wirst

https://www.poetry.de/showthread.php?t=1886

Am Ende des Gedichts trifft sich die Schreiberin mit ihrem ebenfalls vor Jahren verunfallten Vater, der ihr sehr gefehlt hatte. Auf jeden Fall lese ich dies so.

Ich glaube, diesen Hinweis war ich all jenen schuldig, die diese Zeilen/Gedichte sorgfältig gelesen haben.

LG remigi