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05.09.2014, 20:12 | #1 |
15.8.-5.9.14 und Vierzeiler
Die Schule von Athen
Zuerst fällt wohl der Blick auf diese beiden, die im Gespräch gedankenvoll sich nähern, des Menschen und der Welten Dasein ehern in philosophisches Gepränge kleiden. Dann sieht man Gruppen ihre Schritte säumen, aus deren Boden diese Koryphäen ihr Denken sogen und in den sie säen, was weiter wachsen soll zu großen Räumen. Zuletzt erst steigt der Blick im Vordergrunde hinab ins Reich der Zahlen und der Kreise und merkt in einer jähen Schrecksekunde, was dort ein Globus zeigt als Ketzer leise - Die neue Welt und, kühn mit ihr im Bunde, den Schöpfer dieses Freskos, zart, doch weise. Gemälde von Raffael: http://vts.uni-ulm.de/docs/2005/5271/vts_5271.pdf Enthüllung Noch ist ein Schleier vor den Dingen, entrückt sie zart im Morgenlicht, doch da beginnt, was schwebt, zu ringen um Nähe, Wirklichkeit, Gesicht. Es reißen langsam die Gewänder und nackt und klar schält sich die Welt aus feuchten Hüllen - letzte Bänder verlieren sich. Der Schein zerfällt. Der Enkel Sie kam nicht heim in dieser Nacht. Befragte Schergen meinten: Das Flittchen hat sich weggemacht! Was half es, dass wir weinten. Sie war ja schwanger. Irgendwann erfuhren wir, entbinden ließ man sie noch, betäubt sodann auf hoher See verschwinden. Man gab ihr Kind dem Herrn Major, der Dissidenten pfählte. Dort wuchs es ahnungslos empor, bis jemand was erzählte. (Militärdiktatur in Argentinien 1976-83. Tausende Dissidenten wurden aus Flugzeugen ins Meer geworfen.) Unterschied Alle stiegen sie gemeinsam lachend in das Auto ein und ich winkte, etwas einsam, doch auch froh, allein zu sein. Alle fuhren sie gemeinsam mit dem Auto in den Tod. Erst, wer nie mehr winkt, ist einsam, sein Alleinsein hartes Brot. Für Rosi Dichtend hab ich sie besungen, jede Ode ihr geweiht, und von meinem Lied bezwungen, schwebte sie in Seligkeit. Doch, was konnte ich verrichten, als ein starker Wille kam, und ein Typ, zu stumpf zum Dichten, sie mir von der Seite nahm? Wie mein Herz nach Tröstung durstet, denn die Liebste ist nicht mehr! Frisch geschlachtet und verwurstet hängt sie ab. Mein Stall ist leer. Zweifel In schnellem Richtungswechsel jagen die Schwalben vor dem Fenster sich. So sind in mir die bangen Fragen und schwirren ängstlich nur um dich. Die Luft trägt sie hinfort ins Weite, und plötzlich sind sie wieder da, durcheilen mich in wirrem Streite, weil ich dich all zu lang nicht sah. Ach, bauten sich die Fragen liebend in mir zur Mauer hoch, zum Nest - So wär der Zweifel, rasch zerstiebend, dahin, mein Glaube endlich fest. Das Alter Vergeblich wartend steht ein Alter seit längerem vor einem Schalter. Es wird im Dienstraum aufgeräumt, bis er zuletzt den Zug versäumt. Ein Junger tritt zum Nachbarschalter und wird bedient. Es ist das Alter, sagt sich verzweifelt unser Mann und liest „Hier nicht besetzt!“ sodann. VIERZEILER (Diese (u.a.) Vierzeiler hatte ich früher schon verstreut in der Rubrik Sprüche von poetry.de gepostet) Weihnachtspost Stimmt das Fest die Herzen milder, schickt man mundgemalte Bilder, darf ich endlich wieder Spenden um den ganzen Erdball senden... St. Lamberti Drei Körbe zog man mit den Leichen der Täufer hoch am Turm hinauf, so hörte bald der Unfug auf, vom rechten Glauben abzuweichen… Alte Weisheit Das Alter nimmt, was Jugend gab, mit leerer Hand steigst du ins Grab. Nur, was du freudig fortgegeben, kann dich am Ende überleben. Geschichte Geschichte heißt, es ist geschehen, lebt nunmehr in Geschichten fort, und die, die jeweils oben stehen, entscheiden übers rechte Wort. Die Drei Ein Paar geht ruhig über eine Brücke, entgleitet schon dem Bild im Hintergrund. Wie Blut der Himmel. Irre, seelenwund, ein Dritter vorn, sein Schrei reißt eine Lücke. (Munch: Der Schrei) Fügung Was du mit aller Kraft gemieden, behauptet sich und kehrt doch ein. Vom Bild des Hasses dann geschieden, lässt es dich plötzlich glücklich sein. Erosionen Wer kann heut noch das Leise hören? Die meisten Menschen sind fast taub. Drum schreien sie sich an. Zerstören das Leise so, zerbrüllt zu Staub. Im Wartezimmer Im Dichterforum sitzen immer die Kranken wie im Wartezimmer. Was einsam macht, bedrückt und quält, wird andern aufpoliert erzählt. Blei-Brei Er schrieb nur mit dem weichen Stift, nicht fähig ihn zu spitzen, verschwommen breit war seine Schrift, viel Donnern, wenig Blitzen. Abstieg Traurig tief ist er gesunken, der doch einst so hoch gestrebt, denn er hat nur stark betrunken andrer Aufstieg überlebt. So einfach Volltätowierung ist bei Alten strichweise ausgelöscht durch Falten. Wer Bücher liebt, enthüllt die Pattern: die Haut ist einfach umzublättern. (Pattern, engl. Muster) |
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06.09.2014, 10:27 | #2 |
Danke, dir Jonny. Vielleicht macht sich der ein oder andere die Mühe, in das Paket hineinzuschauen.
Dir ein schönes Wochenende! LG gummibaum |
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06.09.2014, 10:44 | #3 | |
gesperrt
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Zitat:
Was für eine außergewöhnliche Sicht und wie meisterlich ins Bild gesetzt! In Nestern an hohen Mauern lassen sich die Schwalben nur kurz nieder, ihre Fasiznation liegt in ihren halsbrecherischen, freien Flügen. LG shoshin |
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06.09.2014, 13:16 | #4 |
Liebe shoshin,
vielen Dank. Wie ich sehe, kennst du dich mit den Schwalben richtig gut aus. Das Nest, auch wenn es sonst meist nur kurz besucht wird, verspricht doch mit dem Brüten und der Brutpflege eine gewisse Sammlung um Wachsendes. LG gummibaum |
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07.09.2014, 19:49 | #5 | |
gesperrt
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Zitat:
ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein. U. möge mir verzeihen! Was wäre ein Dichter ohne Zweifel? Eine Schwalbe ohne Flügel!? LG shoshin |
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Lesezeichen für 15.8.-5.9.14 und Vierzeiler |
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