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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 12.06.2008, 12:00   #1
männlich Pianoman
 
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Dabei seit: 11/2005
Ort: Berlin
Alter: 45
Beiträge: 23

Standard Der alte Mann und sein Klavier

Sitzend in dem dunklen Zimmer
Auf dem Hocker vor'm Klavier,
Blicken seine Hände wartend
Auf ein leeres Blatt Papier.

Schwarze Tasten, weiße Tasten,
Nirgendwo entspringt ein Ton,
Nur in seinem wachen Geiste
Musizier'n die Noten schon.

Flink bewegen sich die Finger,
Gleiten auf der Klaviatur,
Und entfesseln die Gedanken
Tanzend in der Partitur.

Bald erklingen warme Lieder,
Und ergreifen den Verstand,
Wollen seine Welt betören,
Hand auf Herz mit Herz in Hand.

Leben flutet durch die Kammer,
Feierlich entsteht ein Saal,
Kronenleuchter hell erstrahlen,
Lächelnd, lachend, tausend mal.

Und in seinem Kopfe dreht sich,
Inspiriert durch sein Klavier,
Die Erwählte auf dem Tanzball,
So, als wär' sie wirklich hier.
Pianoman ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.06.2008, 13:22   #2
männlich Schattenfuchs
 
Dabei seit: 03/2008
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Beiträge: 70

finde ich gelungen! hat irgendwie eine stimmung...
aber einen tieferen sinn hat es nicht oder?

Ich mag auf jeden fall den rhythmus! Außerdem kenne ich es selber... man hat eine Melodie im kopf, aber sie will nicht wirklich raus. Serh verträumt und schön

Der Schattenfuchs
Schattenfuchs ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.06.2008, 13:56   #3
männlich Pianoman
 
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Dabei seit: 11/2005
Ort: Berlin
Alter: 45
Beiträge: 23

Danke! Einen Sinn hat es schon - den Sinn, sich das Herz zu entleeren,
sich die Gefühle von der Seele zu schreiben
und die Auserwählte damit zu beschenken.

Einige Dinge sind wahr,
einige frei hinzugedichtet,
so dass ein rundes Ganzes entsteht.

Weil du gerade den Rhythmus erwähnt hast.
Ich bin es grad nochmal durchgegangen und habe germerkt,
dass ich tatsächlich durchgängig 8 7 8 7 Silben je Strophe verwendet habe.
Gibt es für so etwas auch einen Fachbegriff?
Scheint ja dem Knittelvers nicht ganz unähnlich zu sein, nur das das
Reimschema diesbezüglich nicht stimmt, aber es sollte ja auch kein
Knittel werden. ;-)
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Alt 12.06.2008, 14:49   #4
Hans Werner
 
Dabei seit: 03/2008
Beiträge: 84

Hallo Pianoman,

gerade habe ich Dein Gedicht gelesen, das mir nicht übel gefällt. Es baut sich auf zu einem stimmungsvollen Höhepunkt. Und das Erscheinen der nicht anwesenden Geliebten ist gut gelungen.

Zur Form: Du verwendest vierhebige Trochäen mit weiblicher und männlicher Kadenz. Nach der männlichen Kadenz, also der zweiten und vierten Zeile, entsteht eine kleine Pause. Die weibliche Kadenz leitet im Gegensatz dazu zur nächsten Zeile über. Ich denke, es ist die deutsche Volksliedstrophe. Knittelverse sind es nicht, weil der metrische Rhythmus sehr regelmäßig ist. Das ganze Gedicht hat etwas Tänzerisches, Beschwingtes.

Viele Grüße

Hans Werner
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Alt 12.06.2008, 15:04   #5
männlich Schwarzbeere
 
Dabei seit: 02/2007
Ort: Paris
Alter: 92
Beiträge: 16

Lieber Pianoman,

Trochäen haben etwas Hüpfendes an sich und sollten eigentlich als energievoll angesehen werden. Das widerspricht jedoch dem Titel deines Textes, in dem du – und seltsamerweise nur dort – von einem „alten Mann“ sprichst.

Wenn also „alt“, und ich fühlte mich etwas angesprochen, dann ist das wohl als Gegensatz zu jung und verwegen und so aufzufassen und das sehe ich, leider, in deinem Text nicht ausgedrückt. Wenn du von der passiven Ausgangsposition der beschriebenen Person über das dunkle Zimmer und das leere Blatt zur Ekstase im Erscheinen der Erwählten im lichtstrahlenden Tanzsaal gelangst, so lässt diese Beschreibung Zweifel über das Verharren in der Passivität des erlebenden Subjekts zu, d.h. Unsicherheit darüber, ob diese Vorstellungsbilder durch begleitende physische Aktivität (bewegen die flinken Finger sich nur in der Phantasie?) unterstützt werden.

Überlegenswert auch, ob die Anfangssituation (regloses Kauern vor dem Klavier…) nicht auch zum Abschluss des Textes wiederkehren sollte, was mit einem Hinweis auf das Alter (alle diese Erinnerungen gehören vielleicht einer längst vergangenen Zeit an) den sonst unfundierten Titel rechtfertigen könnte.

Freundliche Grüße. Schwarzbeere
Schwarzbeere ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.06.2008, 16:47   #6
männlich Pianoman
 
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Alter: 45
Beiträge: 23

Lieber Hans Werner, liebe Schwarzbeere,

vielen Dank für eure Meinungen und die Aufklärung über die Form des Gedichts, die ich schon oft verwendet habe, weil sie eben sehr beschwingt und leicht über die Lippen fließt - eben wie ein Volkslied.

Die Sache mit dem "alten Mann" soll darauf hinweisen, dass es eben eine Erinnerung an früher ist. Aber der Zustand des Alt-Seins steht in dem Gedicht nicht im Vordergrund, denn es geht um die Liebe zu Musik und die Liebe zu einer Frau. Und eben diese Liebe allein schafft es auch die Geister des alten Mannes zu neuem Leben, das er selbst vielleicht schon verloren und vergessen glaubte, zu erwecken.

Das Gedicht soll Hoffnung machen, ist eine Mischung aus (trauriger) Realität, Phantasie und Traum, deren Grenzen einfach verschwimmen. Die Gedanken des Mannes steigern sich in etwas hinein ... und es bleibt dem Leser selbst überlassen, für sich heraus zu finden, wieviel davon wirklich und was doch nur Phantasie ist.
Aus diesem Grund springe ich am Ende auch nicht wieder in den Anfangszustand des Gedichts zurück, weil ich die magische Energie, die dann durch den Raum schwebt, nicht zerstören, ganz im Gegenteil, sich entfalten lassen möchte.
Pianoman ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.06.2008, 21:13   #7
Sim
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In S1 sitzen also die Hände auf dem Hocker und blicken auf das Papier. Wo ist denn der Rest des „Er“ abgeblieben? Ich würde die Strophe etwas umstellen, und die beiden Partizipien rausnehmen, die mich persönlich so kurz hintereinander stören und klar machen, dass da ein kompletter Mensch sitzt.

S2: die Erwähnung der Tasten und ihrer Farbe finde ich überflüssig, es weiß jeder wie ein Klavier aussieht. Dass die Noten musizieren ist unglücklich formuliert. Erstens sind keine Noten da, das Blatt ist leer. Zweitens werden mit Noten nur Töne aufgeschrieben, die machen ja selbst eher selten Musik.

S3: Klaviatur stört das Versmaß, das du sonst gut durchziehst. Dann müsste es wohl korrekt „auf der Partitur“ heißen.

S4: mit „Hand auf Herz mit Herz in Hand“ hast du einfach zwei Plattheiten zu einer Zeile zusammengefügt. Außerdem klingt das echt dämlich.

S5: „Leben flutet durch die Kammer“ gefällt mir gut.
In V3 verdrehst du die Grammatik, was doch gar nicht nötig ist, denn in der Zeile musst du dich an keinen Reim halten. Bei Kronenleuchter muss ich an Hamlet denken …

S6: Tanzball … was’n das? Ich kenne Tanz und ich kenne Ball.

Den Titel finde ich nicht besonders, ist mir zu allgemein und erinnert an irgendwas, gell.

Alles in allem sind gute Ansätze drin. Die Metrik passt (fast) und du konzentrierst dich auf den einen Augenblick, was ich gut finde.
Allerdings würde die Sprache einfacher halten, es ist teilweise arg geschwollen, da kann so was leicht ins Lächerliche abgleiten. Und nicht die Sätze unnötig verdrehen, auch Wortverstümmelungen wie musizier’n würde ich wirklich nur im Notfall verwenden.

Gruß
Simone
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Alt 13.06.2008, 09:04   #8
männlich Pianoman
 
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Beiträge: 23

Hallo Simone,

wer die Überschrift gelesen hat, weiß natürlich dass es sich um einen Mann am Klavier handelt, also brauch ich das nicht mehr in der ersten Strophe in gleicher Weise (quasi doppelt) erzählen. Man solll ein bisschen Phantasie beim Gedicht habe, und es nicht nur theoretisch betrachten.

Das Klavier umschreibe ich durch die Tasten. Natürlich weiß jeder, dass ein Klavier schwarze und weiße Tasten hat. Das ist ja auch der Sinn des Ganzen, denn zum Klavier im Gedicht immer nur Klavier zu sagen ist einfach langweilig.

"auf der Partitur" wäre auch möglich, habe mich aber für das "in" entschieden, weil ein "auf" nur etwas Oberflächliches ist, ein "in" bedeutet aber etwas wie hineindringen, aufnehmen.

Hand auf Herz: zwei romantische Symbole, die ich mag.

Hätte ich "Kronenleuchter erstrahlen hell" genommen, wäre der Rhythmus (Betonung) etwas durcheinander gekommen.

Ein Tanzball ist ein Ball auf dem man tanzt. Sicherlich steckt eine gewisse Dopplung drin, es ist aber ein gebräuchliches Wort, um zu signalisieren, dass dort das Tanzen im Vordergrund steht. Vermutlich gibt es auch Bälle, die einfach nur dem Sehen und Gesehen werden genügen und das Tanzen nahezu unwichtig ist.

Mein Gedicht ist nicht geschwollen, sondern romantisch. So soll es auch sein, das ist so gewollt. Ich kann nur eine Vermutung anstellen, dass du lieber realistische Gedichte mit klarer einfacher Sprache (wenig Bilder) magst. Mein Gedicht soll aber den Romantiker oder die Romantikerin ansprechen. Trotzdem danke ich dir für deine Kritik.

Viele Grüße.
Pianoman ist offline   Mit Zitat antworten
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