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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 10.08.2016, 22:29   #1
männlich oktavianus
 
Dabei seit: 11/2012
Beiträge: 30

Standard Halbschlaf

Es sind die fahlen Morgenstunden,
Die ihre stummen Lieder singen,
Mir kalte Zweifel, bange Furcht
Und deine schönen Augen bringen:
Mit schweren Blicken formst Du Worte,
Dein Mund bleibt, wie der Morgen, stumm,
Ich will Dir helfen, kann es nicht
Und frag mich nur: Warum? Warum?
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Alt 11.08.2016, 00:54   #2
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Standard Halbschlaf

Hallo, oktavianus
Dein Nickname hat mich neugierig gemacht, ich kenne nur den Begriff Oktavist (Bassisten, die noch eine Oktave tiefer singen als "normale" Bässe).
Jetzt aber zu Deinem Gedicht.
Erster Eindruck: Ein Gedicht, das von tiefer Traurigkeit, Rat- und Hilflosigkeit spricht und dieses Gefühl auch vermittelt.
Zur Form:
Du hast mit den vierhebigen, ungereimten Jamben eine der traurigen Stimmung gemäße Form gewählt. Nichts wäre diesem Gedicht schädlicher als klapprige Paarreime.
Mit anderen Worten: Sehr gelungen!
Zur Wortwahl: Du verwendest sehr zahlreiche helle Vokale, vielleicht prägt sich deshalb der Vers "Mit schweren Blicken formst Du Worte" bei mir am stärksten ein.
Insgesamt: Trotz des verzweifelnden LI ein Gedicht, das sich mit seiner Qualität wohltuend von vielen anderen abhebt. Chapeau!
Heinz
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Alt 11.08.2016, 09:51   #3
männlich oktavianus
 
Dabei seit: 11/2012
Beiträge: 30

Danke

Oktavianus ist angelehnt an Octavian, Roms ersten Kaiser (bei uns besser bekannt als Augustus), der Rom eine ziemlich lange Periode des (zumindest inneren) Friedens brachte und Förderer von Kunst und Kultur war. Er hat sich auch an Lyrik versucht, war sich da aber seiner Unzulänglichkeiten bewusst...
oktavianus ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2016, 10:58   #4
Stachel
 
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Hallo Heinz,

eine sehr aufschlussreiche Kritik hast du hier geschrieben, mit der ich mich gerne mal näher befassen möchte.

Zitat:
Du hast mit den vierhebigen, ungereimten Jamben eine der traurigen Stimmung gemäße Form gewählt.
Das Reimschema ist („x“ für Waise“/ungereimt) xAxAxBxB. Die „wichtigen“ geraden Verse sind sehr wohl gereimt. Ich interpretiere ein solches Schema gerne als eine Art „halben Kreuzreim“ (aber das nur am Rande).
Wenn man besonders viel Wert auf Korrektheit legen wollte, könnte man anführen, dass es keine „vierhebigen Jamben“ gibt, sondern jambische Vierheber. Ein Jambus kann als Versfuß nur genau eine Hebung enthalten. Aber ich finde, solche Kleinigkeiten sind verzeihlich bei Leuten, die auch sonst nicht mit Goldwaagen spielen. Die eigentliche Aussage, nämlich dass es sich um einen jambischen Rhythmus mit vier Hebungen handelt, ist richtig. Da fehlt dann nur die Begründung, was ausgerechnet der Jambus (auch „Heber“ genannt) mit „ tiefer Traurigkeit, Rat- und Hilflosigkeit“ zu tun hat.

Zitat:
Nichts wäre diesem Gedicht schädlicher als klapprige Paarreime. Mit anderen Worten: Sehr gelungen!
Die Aussage: Du hast etwas schädliches nicht gemacht, also ist es „Sehr gelungen!“, wirkt auf mich etwas dünn. Dein Urteil hat zwar sicherlich auch den vorstehenden Satz einbezogen, aber die Bewertung war in meinen Augen unzulänglich und wäre auch selbst dann noch sehr dünn geblieben.

Zitat:
Zur Wortwahl: Du verwendest sehr zahlreiche helle Vokale
Zur Wortwahl wäre es schön, ein paar Worte zu den Wörtern, nicht nur zu einzelnen Buchstaben zu verlieren. Begriffe wie „stumm“, „fahl“, „kalt“, „bang“, „schwer“ unterstützen die in der Kritik eingangs geschilderte Stimmung. Andere arbeiten dagegen: „Lieder singen“, „schöne Augen“. Die vorhandene Ambivalenz bleibt unerwähnt.

Was ist aber nun mit den Vokalen? Im folgenden führe ich die Laute auf (ie=i, ei=ai, eu=oi - [hell]/[dunkel]):
e i i a e o e u e – 6/3
i i e u e i e i e – 8/1
i a e ai e a e u – 5/3
u ai e ö e au e i e – 6/3
i e e i e o u o e – 6/3
ai u ai i e o e u – 5/3
i i i e e a e i – 7/1
u a i u a u a u – 1/7

Wir erkennen sofort: Der Kritiker hat recht. Es werden überwiegend helle Vokale verwendet. Was sagt das über das Gedicht aus? Lässt sich die Umkehrung im letzten Vers in ein Konzept einordnen?
Die aus meiner Sicht interessanten Fragen bei einer Detailbetrachtung bleiben unbeantwortet. Schade!
Das recht veraltete Schema von hell/dunkel ist übrigens nur ein kleiner Teilaspekt, so viel sei am Rande erwähnt. Die Länge von Vokalen kann betrachtet werden, ebenso z.B. das Auftreten von Diphthongen oder die Häufung von Konsonanten, Plosivlauten, usw.

Zitat:
Trotz des verzweifelnden LI ein Gedicht, das sich mit seiner Qualität wohltuend von vielen anderen abhebt.
Ich möchte dem Gedicht keine Qualität absprechen, denn es liegt nicht im Fokus meiner Betrachtungen. Bemerkenswert finde ich jedoch, dass die Qualität „trotz des verzweifelnden LI“ zugesprochen wird. Der Bezug erschließt sich mir nicht. Letzteres bezieht sich auf das Thema, ersteres offenbar auf die Umsetzung. Beide haben wenig miteinander zu tun. Grundsätzlich ist jedes Thema aus lyrischer Sicht wert- und gehaltvoll.

Ich bin mir nicht sicher, ob der Kritiker hier mit einer absichtlich dünnen und in Teilen falschen Kritik vielleicht einen Testballon starten wollte.

Freundliche Grüße von
Stachel
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Alt 11.08.2016, 11:24   #5
männlich Nöck
 
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Hallo octavianus,

das LI ist bedrückt und ratlos. Die Stimmung ist düster. Geht es nur um den Halbschlaf oder um ein Wesen, das sich immer dann zeigt?

Für die "bange Furcht" solltest du dir etwas Passenderes einfallen lassen. Furcht ist ja selbst etwas Banges.

Liebe Grüße
Nöck
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Alt 11.08.2016, 12:21   #6
Thing
R.I.P.
 
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Hallo, Oktavianus -

wie wäre es mit kalte Furcht? Oder nackte Furcht?
Ansonsten kann ich es mir einfach machen und Heinz lauthals zustimmen.

Freundlichen Willkommensgruß
von
Thing
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Alt 11.08.2016, 13:54   #7
männlich Nöck
 
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Zitat:
Zitat von Thing
Oder nackte Furcht?
Bingo! Schade, dass es nicht von mir ist!
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2016, 17:56   #8
männlich Heinz
 
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Standard Halbschlaf

Hallo, Stachel
eigentlich geht es hier weniger um Kommentare zu Kommentaren, sondern eher um Kommentare zum eingestellten Gedicht.
Aber gut, wer sich so weit aus dem Fenster lehnt wie ich, muss auch mal was zwischen die Hörner kriegen. Den Dämpfer akzeptiere gern, weil er in sachlicher und begründeter Form geschrieben ist und größtenteils meine Zustimmung findet. Tenor meines Kommentars ist: Ein gelungenes Gedicht, das sich von anderen Werken im Forum qualitativ abhebt.
Ich sprach von vierhebigen Jamben - o.k., ich bin kein Philologe und ziehe respektvoll den Hut vor Deiner Sachkenntnis. Der Versfuß ist der Jambus und der wird in jedem Vers viermal verwendet. Das ist, wie Du völlig richtig sagst, ein jambischer Vierheber. Aber bitte - Du wirst doch niemand für so dusselig halten, dass er auf Grund meines Lapsus glaubt, es gäbe einen Jambus mit vier Hebungen? Bei acht Versen, bei denen zwei gereimte (singen/bringen und stumm/warum) auftauchen, liege ich nicht ganz falsch, wenn ich von einem (o.k., ich formuliere ein bisschen anders) weitestgehend ungereimten Gedicht spreche. Tenor ist hier: Weitestgehender Verzicht auf Reime. Ob man bei sechs von acht Versen dann noch von Waisen sprechen kann, solltest Du noch einmal überdenken. Wenn ich einen Achtzeiler schreibe und darin käme ein ungereimter Vers vor, ist die Bezeichnung Waise wohl eher angebracht.
Warum diese Verse "wichtig" sind (und die anderen demzufolge unwichtig)
erschließt sich mir nicht:
"Die ihre stummen Lieder singen"
"Und deine schönen Augen bringen"
"Dein Mund bleibt, wie der Morgen, stumm"
"Und frag mich nur: Warum? Warum?"
Für mich sind bei so einem kurzen Gedicht alle Verse wichtig; der mir einprägsamste ist "Mit schweren Blicken formst Du Worte", der (wie zufällig) sich im goldenen Schnitt des Gedichts befindet. Du wirst in keiner Verslehre etwas über die Gültigkeit der Regel des goldenen Schnitts finden, aber darüber können wir an anderer Stelle diskutieren. Mein "sehr gelungen" bezieht sich nicht auf etwas schädliches, was der Autor nicht gemacht hat, sondern auf seine Entscheidung, das Gedicht weitestgehend ungereimt zu schreiben. (Das ist ein Hinweis auf viele Möchtegernpoeten im Forum, die meinen, ein Gedicht sei dann ein Gedicht, wenn es sich "hinten" reimt, um dann auf Teufel komm raus die von mir so genannten paarweisen Klapperreime zusammen kleben, Satzverdrehungen in Kauf nehmen und abenteuerliche Neogolismen erfinden). Dass ich dem Gedicht Qualität zuspreche trotz des "verzweifelnden" LIs, bitte ich so zu verstehen: Trotz der traurigen Situation bzw. dem Grundton des Gedichts, hat der Autor ein in sich stimmiges "Bild gemalt" und - ich will mich eigentlich jeder Spekulation enthalten - möglicher Weise eigene Erfahrungen verarbeitet.
Zu der Verwendung der Vokale: Was Du als "kleinen Teilaspekt" bezeichnest ist meine Erwähnung der häufigen hellen Vokale. Ich hatte sie nicht gezählt, nur meinen Eindruck geschildert. Netterweise gibst Du mir Recht. Nun können wir lange trefflich darüber streiten, ob es hier um einen kleinen oder um einen wichtigen Teilaspekt geht. Ich denke, eine noch so lange Diskussion verliefe fruchtlos. Meine Erwähnung war ein Hinweis für den Autor, künftig seine Wortwahl auch unter diesem Aspekt zu überdenken.
Mein Fazit: Ich sollte morgens kurz vor ein Uhr keine Kommentare schreiben, weil sich dann Ungenauigkeiten einschleichen. (Auf den Octavian hätte ich musikalisch Verblendeter auch ohne die Erläuterung des Autors kommen können, hatte aber als Begleitmusik gerade russische Kirchenlieder mit jeweils einem Oktavisten (basso profundo).
Für Deine ausführliche Kritik der Kritik (sagen wir lieber Kritik am Kommentar) bin ich dankbar, weil ich gern immer noch was dazulerne.
Mit bestem Gruß,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2016, 19:20   #9
Stachel
 
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
eigentlich geht es hier weniger um Kommentare zu Kommentaren, sondern eher um Kommentare zum eingestellten Gedicht.
Ich denke, es geht um beides und darüber hinaus noch um viel mehr: Philosophische Diskussionen, Zwischenmenschliches, fachlichen Austausch und Selbstdarstellung, um nur ein paar Punkte zu nennen.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
und ziehe respektvoll den Hut vor Deiner Sachkenntnis..
Das halte ich nicht für notwendig. Du bist nach meinem Eindruck bestrebt, das fachliche Niveau in diesem Forum anzuheben. Mir kommt das sehr entgegen, weswegen ich gerne auf solche Kleinigkeiten hinweise, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Wir sind ja auch nicht die einzigen beiden, die gerne dazulernen wollen.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Bei acht Versen, bei denen zwei gereimte (singen/bringen und stumm/warum) auftauchen
Nach meiner Rechnung sind das vier Verse, also genau die Hälfte. Wieso gehst du von nur zweien aus? In dem Fall würde ich dir zustimmen, die zwei könnten Zufall sein.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Tenor ist hier: Weitestgehender Verzicht auf Reime. Ob man bei sechs von acht Versen dann noch von Waisen sprechen kann, solltest Du noch einmal überdenken.
Vier von Acht, aber Waisen sind es nicht. Danke für den Hinweis auf dieses Missverständnis. Die Erklärung wie ich das "x" im Reimschema nutze war allgemein gemeint. Ich hätte den Begriff "Waise" in diesem konkreten Fall besser gar nicht angeführt.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Warum diese Verse "wichtig" sind (und die anderen demzufolge unwichtig)
erschließt sich mir nicht
Die Verse sind nicht per se wichtiger. Die "Wichtigkeit" bezieht sich auch nicht auf den Inhalt der Verse, sondern rein auf ihre Position im Reimschema.
Probiere es aus: xAxA wirkt gereimt, AxAx wirkt eher ungereimt. Wir sind Endreime gewohnt und teilen ein Gedicht gedanklich eher an den geraden Versen. Es wirkt auch dann noch "normal" gereimt, wenn sich "nur" jeder zweite Vers reimt, vor allem aber, wenn es die geraden sind.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Für mich sind bei so einem kurzen Gedicht alle Verse wichtig;
Vollkommen richtig. Bei einem langen übrigens auch, sofern gut gedichtet

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
der (wie zufällig) sich im goldenen Schnitt des Gedichts befindet. Du wirst in keiner Verslehre etwas über die Gültigkeit der Regel des goldenen Schnitts finden, aber darüber können wir an anderer Stelle diskutieren.
Ein sehr interessanter Aspekt. Ich freue mich, von dir eine weitere mögliche Perspektive bei der Betrachtung von Lyrik zu lesen. Auf zukünftige Anwendungen bin ich gespannt.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Dass ich dem Gedicht Qualität zuspreche trotz des "verzweifelnden" LIs, bitte ich so zu verstehen: Trotz der traurigen Situation bzw. dem Grundton des Gedichts, hat der Autor ein in sich stimmiges "Bild gemalt" und - ich will mich eigentlich jeder Spekulation enthalten - möglicher Weise eigene Erfahrungen verarbeitet.
Genau dieses "Trotz" hat mich nachdenklich gemacht. Das Thema ist imA ebenso gut oder schlecht lyrisch umsetzbar wie jedes andere. Aber das soll nur nochmal zur Erläuterung dienen. Ich kann dir deine Meinung nicht absprechen. Du hast sie und das ist natürlich vollkommen okay.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Zu der Verwendung der Vokale: Was Du als "kleinen Teilaspekt" bezeichnest ist meine Erwähnung der häufigen hellen Vokale. Ich hatte sie nicht gezählt, nur meinen Eindruck geschildert. Netterweise gibst Du mir Recht. Nun können wir lange trefflich darüber streiten, ob es hier um einen kleinen oder um einen wichtigen Teilaspekt geht..
Ich finde nicht, dass es darüber Streit geben muss. Mir fehlte auf der einen Seite bei diesem Punkt die Einordnung der Wirkung auf das Gedicht, denn helle Vokale laufen der traurigen Stimmung zunächst entgegen. Auf der anderen Seite (wir erinnern uns daran, dass auch andere fachlich interessierte Leser diesen Faden verfolgen mögen) kam es mir darauf an, weitere Teilbereiche zu nennen.
Dir sind die Vokale wichtig. Das ist völlig okay. Jeder hat sein Steckenpferd, jeder seinen wichtigen Teilbereich oder auch mehrere. Kein Dichter kann sinnvollerweise alles auf einmal beachten. Er muss immer bei den Stilmitteln auswählen und die meisten außen vor lassen, schon aus technischen Gründen.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
(Auf den Octavian hätte ich musikalisch Verblendeter auch ohne die Erläuterung des Autors kommen können, hatte aber als Begleitmusik gerade russische Kirchenlieder mit jeweils einem Oktavisten (basso profundo).
Ich hatte mich schon gewundert und danke dir daher für die Erklärung. Nicht dass sie nötig gewesen wäre, denn das Gehirn verrennt sich bisweilen in seltsamen Bahnen, aber ich freue mich dennoch darüber, denn es wirft ein Schlaglicht auf deine Welt.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Für Deine ausführliche Kritik [...] bin ich dankbar, weil ich gern immer noch was dazulerne.
Immer wieder gerne. Dieser Punkt betrifft mich umgekehrt ebenfalls und ich freue mich über dein großes Interesse an ein wenig tieferer Betrachtung von Lyrik.

Freundliche Grüße von
Stachel
Stachel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2016, 21:51   #10
männlich Heinz
 
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Guten Abend, Stachel
sich mit einem Interessierten zu unterhalten, macht einfach Spaß. Ich versuche mal, der Reihe nach zu antworten:
Du hast Recht, es geht um mehr. Aber lies mal die vielen unsinnigen Beiträge, dann verstehst Du, warum ich auf das Grundanliegen eines Gedichteforums soviel Wert lege. Oft besteht der Wunsch nach eitler Selbstdarstellung, es werden Bösartigkeiten ausgetauscht usw., aber es gibt auch Lichtblicke und ich habe auch einige User persönlich kennen gelernt (und sogar eine Userin geheiratet; inzwischen sind wir aber geschieden). Also: 1. Punkt da core

Ein Kompliment - nee, "nötig" ist das nicht. Aber man wird doch mal was Nettes sagen dürfen!?

"... bestrebt, das fachliche Niveau in diesem Forum anzuheben... Wir sind ja auch nicht die einzigen beiden, die gerne dazulernen wollen."
Ersteres stimmt, aber die Niveauschwankungen in den Jahren, die ich im Forum tätig bin, sind immens. Ich werde richtig nostalgisch, wenn ich an die vielen fachlich orientierten Diskussionen denke und sie mit den derzeitigen vergleiche.
Da es, wenn wir von Endreim sprechen, mindestens zweier Verse bedarf, habe ich von zwei Reimen gesprochen. Aber über Peanuts müssen wir nicht lange diskutieren. Spreche ich von einem gereimten Gedicht, dann meine ich, dass alle Verse (eine Waise nicht ausgeschlossen) sich reimen. Gut, einverstanden: Es ist ein halb gereimtes, halb ungereimtes Gedicht - o.k.?

"Wir sind Endreime gewohnt..." - das ist nur bedingt der Fall. Ich habe nicht nachgezählt, wieviele meiner Gedichte (so sie diese Bezeichnung verdienen) gereimt oder ungereimt sind. Manchmal "bade" ich in Blankversen, vom Daktylus oder, wenn mich das Fell juckt vom Anapäst regierten Versen. Und nebenbei: Viele der "großen" Werke der Weltliteratur kennen den Reim überhaupt nicht.

Für mich sind bei so einem kurzen Gedicht alle Verse wichtig;
Vollkommen richtig. Bei einem langen übrigens auch, sofern gut gedichtet.
Da core

der (wie zufällig) sich im goldenen Schnitt des Gedichts befindet. Du wirst in keiner Verslehre etwas über die Gültigkeit der Regel des goldenen Schnitts finden, aber darüber können wir an anderer Stelle diskutieren.
Ein sehr interessanter Aspekt. Ich freue mich, von dir eine weitere mögliche Perspektive bei der Betrachtung von Lyrik zu lesen. Auf zukünftige Anwendungen bin ich gespannt.

Hier habe ich eine eigene "Theorie" entwickelt. Im Telegrammstil: In der bildenden Kunst ist der Goldene Schnitt ein unübersehbares Gestaltungsmittel. Als Hobbyfotograf beachte ich die Regel, die kurz lautet: Setz das Objekt nicht in die Mitte des Bildes, sondern rück es so weit nach rechts (oder links), nach oben (oder unten), dass das Verhältnis 0,618 zu 0,382 ist. D.h.: Wenn ein Bild 1 m breit ist, sollte das Objekt 61,8 cm vom linken (oder rechten) Rand entfernt sein. Ist das Bild kleiner, sagen wir 70 cm, dann bedeutet das: Ich multipliziere die 70 cm mit 0,618 und komme auf rund 43,3 cm. Bei sich selbst kann man das leicht überprüfen. Du nimmst Deine Körpergröße, sagen wir mal 1,75 m. Multipliziert mit 0,618 ergibt rund 108 cm. Jetzt nimmst Du einen Zollstock und voila - da sitzt der Nabel (vom Boden aus gemessen.
Von dieser altbekannten Tatsache ausgehend (siehe Michelangelos Skizze),
habe ich das gleiche Prinzip an Gedichten überprüft. These: Bei einem 10-strophigen Gedicht müsste "der Nabel" anfangs der sechsten Strophe zu finden sein. Ich werde Dir jetzt keine Dutzend Gedichte aufschreiben, aber nimm mal Goethes "Mailied" (Seitenbemerkung: auch unter dem Aspekt der verwendeten Vokale), das hat 9 Strophen. 9 x 0,618 = 55,62 aufgerundet 6 .
Die ersten Strophen: Wie herrlich leuchtet mir die Natur - und mit der Natur und der Schönheit der Liebe gehts von der 1. bis zur 5. Strophe. In der 6. Strophe: O Mädchen, Mädchen, wie lieb ich dich. Der zentrale, wichtige Vers, der "Bauchnabel" des Gedichts steht im Goldenen Schnitt. Ich habe es an Dutzenden Gedichten überprüft und sehr oft versucht, in eigenen Gedichten
die wichtigste Passage in den Goldenen Schnitt zu legen. Auf die Spitze habe ich es mal getrieben, wo in einem Gedicht ein Steinmetzlehrling ein zerbrochenes Marmorweib wieder zusammen bastelt. Ich habe die Wörter des Gedichts gezählt und genau im Goldenen Schnitt des Gedichts hat der Bengel bei der kaputten Aphrodite den Nabel eingesetzt. Wenn Du Spaß an der sache hast - überprüf es. (Beim Prometheus kommt fast haargenau die Verse "Hast du nicht alles selbst vollendet/heilig glühend Herz" (diese Aussage brachte den Prometheus auf den Index der katholischen Kirche).

Mein "trotz" - lass es einfach weg. Vielleicht hat das seine Ursache in den vielen wehleidigen Gedichten in der entsprechenden Rubrik. Ich finde das Gedicht ist dem Autor gut gelungen. Es allzu sehr zu sezieren führt entweder zu dem Mephistoseufzer (ob das Zitat wörtlich genau ist, hoffe, aber weiß ich nicht: Da hat er die Teile in der Band/fehlt - leider - nur das geistge Band oder zu der Erkenntnis des Knaben, der die farbschillernde Libelle fängt, oooch, nur ein graues Insekt.

"Dir sind die Vokale wichtig."
Jein - beim Verfassen eigener Werke verlasse ich mich auf mein Sprachgefühl,
bemerke aber bei flüchtigem Hinsehen, dass bei fröhlichen, heiteren, frivolen Sachen die hellen Vokale überwiegen, bei trübsinnigen die dunklen. Ein Hobby ist das nicht, aber durchaus ein Gestaltungsmerkmal, das ich beim Überarbeiten beachte.

(Auf den Octavian hätte ich musikalisch Verblendeter auch ohne die Erläuterung des Autors kommen können, hatte aber als Begleitmusik gerade russische Kirchenlieder mit jeweils einem Oktavisten (basso profundo).
Ich hatte mich schon gewundert und danke dir daher für die Erklärung. Nicht dass sie nötig gewesen wäre, denn das Gehirn verrennt sich bisweilen in seltsamen Bahnen, aber ich freue mich dennoch darüber, denn es wirft ein Schlaglicht auf deine Welt.

Darüber habe ich in mich hineingegrinst. Zu meinen bevorzugten musikalischen Interessen gehören nicht die russischen Kirchengesänge und die abgrundtiefen Oktavisten. (Hör da mal rein, findest Du bei Youtube unter
Basso profundo und/oder Oktavisten). Nee, mein bester Freund ist Armenier und Heldentenor - also bei Oper hättest Du einen Blick in Teile meiner Welt. Ein gemeinsamer Freund ist Bassist und mit dem habe ich mich vorige Woche unterhalten. So kam es zum Hineinhören in Opernarien von Bässen und so kam es zu den Oktavisten

So, jetzt stöbere ich noch ein bisschen im Forum.
Herzliche Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2016, 21:56   #11
männlich Ex-Poesieger
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2009
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Unglaublich scharfsinniger Schwachsinn!
Ex-Poesieger ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2016, 22:05   #12
männlich Heinz
 
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Po...,
es ist schon nach 22.00 Uhr - lassen sie Dich noch ins Heim rein?
F.
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.08.2016, 23:31   #13
männlich Ex-Poesieger
abgemeldet
 
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Deine Zeitphobie spielt in meinem Leben keine Rolle. Ich trainiere mit der Ewigkeit.
Ex-Poesieger ist offline   Mit Zitat antworten
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