Es ist als wenn in Bullerbü die Familie vom Nordhof wegzöge

[schwarzfärber]

Unsere Nachbarn ziehen um. Genauer gesagt, sie ziehen nicht nur um sondern richtig weg - 551 km.
Mir geht diese Sache ziemlich nahe. Seit ich vor einem Jahr davon erfuhr, stiegen mir beim Gedanken daran jedes Mal die Tränen hoch. Ich wollte sie nicht verlieren, nicht für mich und auch nicht für unsere Tochter Anna, die mit den Nachbarjungs die besten Freunde gefunden hat.
Sie waren einfach nur nette und angenehme Nachbarn. Wir haben uns Bücher, Eier und Mehl geliehen und manchmal einen Plausch über den Gartenzaun gehalten. Wir haben uns geholfen, aber dann auch wieder Abstand gehalten. Für mich hat es einfach gepasst zwischen uns. Wir sahen unsere Kinder gemeinsam groß werden, die Kleinsten wurden erst noch geboren und die Älteren kamen in die Schule und machten den Führerschein.
Die drei großen Nachbarbuben und unser Mädchen haben gespielt und Quatsch gemacht. Ich kann sie richtig vor mir sehen, wie sie im Gebälk unseres noch unvollendeten Carports sitzen und lachen und sich unterhalten!
Es wird leer werden in unserer Straße ohne sie. Bei Wind und Wetter, bei Schnee und Eis waren die “Otto Brothers” - so nennen wir sie manchmal im Spaß - draußen. Es konnte passieren, dass sie im November barfuß liefen oder bei Regen ohne Jacke. Sie sind einfach Naturkinder. Strumpfhosen im Winter sind ihnen ebenso fremd, wie Schuhe im Sommer. Aber krank wurden sie davon nie! Ihre Haare sind zerzaust und die Nasen sommersprossig.
Alle nur erdenklichen Gerätschaften und Fahrzeugen rollten, zogen und fuhren die Kinder in den vergangenen Jahren an unseren Häusern vorbei: Dreiräder, Laufräder, Fahrräder, Traktoren, Bobby Cars, Bollerwagen, Schubkarren und Waveboards. An manchen Tagen tobte ein wildes Fußballspiel in ihrem Garten und wenn mal keiner da war, dann war es leise und langweilig.
Im Winter schaufelten sie dann mit den Erwachsenen gemeinsam Schnee, bauten Rutschbahnen und Schneeburgen. Die Fahrzeuge wurden durch Schlitten, Bobs, Ski und Snowboards ersetzt.
Jeder durfte immer mitspielen, die Großen und die Kleinen. Die Buben und die Mädchen.
Wenn die Kinder über die Blumwiese rannten um sich danach den Hügel vor unserem Haus herunter kullern zu lassen oder sie Drachen steigen ließen, dann dachte ich immer: Das ist so schön, das ist wirklich wie im Paradies. Wie schön sie es haben! Da bleiben Erinnerungen.
Die “Otto Brothers” sind ganz feine Menschen. Sie sind wild, schlagfertig, lebhaft und frech. Auf der anderen Seite sind sie hilfsbereit, verständig, rücksichtsvoll und sehr gut erzogen. Sie sind offen und zurückhaltend. Sie betteln nicht um Süßigkeiten und sind auch mit Wasser zufrieden. Sie betreten erst nach mehrmaliger Einladung anderer Leute Haus und Grundstück. Sie sind natürlich und unkompliziert. Selbst ein “Ey Mann Alter, das war voll geil!” klingt nett aus ihrem Mund, weil sie es zwar so übertrieben wie ein “Gangsta” sagen, aber in Wirklichkeit ja ganz anders sind. Diese Jungs sind keine Computerfreaks und Fernsehglotzer - man merkt es: Sie sind einfach sie selbst!
Solche Freunde wünsche ich mir für Anna und ich bin froh und dankbar, dass es sie gibt. Aber ihr Umzug macht uns sehr traurig und lässt uns oft an sie denken. Ich hatte mir mal vorgestellt, wie sie alle zusammen Teenager werden und mir schon ausgemalt, wie sie sich für Samstag Abend verabreden um gemeinsam in die Disco zu fahren.

Mittwoch, 07. August 2013:
Jetzt sind sie weg, heute ist der erste Tag und es ist sehr ruhig bei uns. Alle schleichen mit hängendem Kopf umher. Die Fenster ihres Hauses sind kahl. Der Garten ist wie leergefegt. Es ist fast so, als hätte der Sturm heute Nacht alles mitgenommen.

[Thing]

Hallo, schwarzfärber -

das gefällt mir, das gefällt mir gut.
Du hast ein ausgesprochenes prosaisches Talent.
Es macht einfach Freude, diese Erinnerung zu lesen und mitzuerleben.

Ich freue mich auf mehr.


Freundlichen Gruß
v.
Thing