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Alt 19.08.2007, 11:31   #1
Riif-Sa
 
Dabei seit: 11/2004
Beiträge: 253

Standard Alles zu Ihrer Zufriedenheit

„War alles zu Ihrer Zufriedenheit?“ fragt mich die junge Frau an der Kasse vom Kaufland. Ich bin sicher, sie will Sex mit mir.

Ha! Habe ich Sie also geködert. Geben Sie es zu, der Einleitungstext hat Sie neugierig gemacht und ich bin sicher, dass hat mit meinem kongenialen Schachzug zu tun, zwei Ereignisse, die nichts miteinander zu tun haben, in einen Satz zu packen. Eines dieser Ereignisse ist wirklich passiert. Raten Sie, welches!

Ich habe mir schon des Öfteren Gedanken über diese scheinbar einfache Frage nach der Zufriedenheit eines Kunden gemacht und bin dabei jedes Mal ganz woanders angekommen. Vor Allem seit ich diesen heiklen Nebenjob (von dem Sie sicher auch gelesen und sich darüber aufgeregt haben, was der wohl auf der Startseite zu suchen hat. Hierzu die BILD von Übermorgen: „Skandal! Neon User Lars G. gesteht: Ja, ich habe mit der Online Redakteurin Lisa Z. geschlafen. Ich tat es für meine Karriere!“) aufgegeben habe und stattdessen meinen Körper nun in einer viel widerlicheren und anbiedernden Branche verkaufe: In der Gastronomie, soll heißen, ich gehe kellnern. Selbstverständlich muss man als Callboy nicht nach der Zufriedenheit eines Kunden fragen, das Ergebnis seiner Arbeit hat man ja gleich auf der Hand, im Idealfall. Jetzt, als Kellner muss ich diese Frage auch ständig stellen. Nun ist es so, dass ich noch nie eine andere Antwort als „Ja“ bekommen habe, doch als Kellner hat man einen entscheidenden Vorteil: Wer fertig gespeist hat, der ist meistens so vollgefressen und daher viel zu faul um irgendwelche, ohnehin völlig nichtigen Aussagen über die Qualität des Essens zu machen. Das ist gut, denn tatsächlich sind wir dazu angehalten, stets Preisnachlässe zu geben, wenn sich ein Gast einmal beschwert. Wäre also mal einen Versuch wert, aber tun Sie das bitte nur, wenn es Ihnen wirklich nicht geschmeckt hat. Sonst ist das unfair und überhaupt bekommt der Koch dann ja eins auf die Mütze, ändert vermutlich sogar etwas an der Speise und am Ende schmeckt sie dann tatsächlich nicht. Was für ein Dilemma.

Besagten Vorteil haben junge Kassiererinnen im Kaufland natürlich nicht. Im besten Fall können sie noch darauf hoffen, dass die Kunden diese alte, wenngleich auch völlig unsinnige Regel beachten, man solle niemals hungrig einkaufen gehen. Deswegen bin ich geneigt zu denken, dass die Frage nach der Zufriedenheit des Kunden eher rhetorisch gemeint ist oder dass die Kassiererinnen eine Art Ablenkungsstrategie entwickeln. Stets geben sie sich redlich Mühe, mit viel Make Up und riesigen Ohrringen von ihrer Kassiererkluft abzulenken und dabei so zu tun als wären sie eitel, was jedoch den wenigsten gelingt, um dann (natürlich in Gedanken) sagen zu können: „Hey, komm nicht auf die Idee, hier rumzumeckern nur weil ich gefragt habe, ob alles in Ordnung ist. Wir machen hier kein Wünsch-dir-was.“ Eine sehr wirkungsvolle Methode, die aber noch getoppt wird von der, wo sie dich anschauen mit diesem „Lass uns zu mir nach Hause gehen und schmutzige Dinge tun“-Blick nur um gleich danach den „Das habe ich nie wirklich gedacht du Chauvinistensau“-Blick aufzusetzen, wobei letzterer optional ist und in letzter Zeit zur Antiquität mutiert.

Also ist das Antworten auf die Frage, ob alles in Ordnung war, mit einem „Nein“ ungefähr vergleichbar mit dem Drücken auf den berühmten roten Knopf. Man weiß, irgendetwas Schlimmes wird passieren, aber genau vorstellen mag man es sich nicht. Heute hätte ich fast auf diesen Knopf gedrückt. Nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden hatte, kotze mir ein alkoholisierter Obdachloser meine Autotür voll, an der Kasse stellte ich fest, dass meine Einkäufe aussahen, als wäre ich ein typischer Single-Mann, der nicht kochen kann und dann muss ich auch noch einen Betrag von 11,14 € mit einem Hunderteuroschein bezahlen. In diesem Fall von einem zufrieden stellenden Einkauf zu sprechen, hätte an Realitätsverlust gegrenzt, aber dann hinderte ich mich noch in letzter Sekunde daran, mich der Lächerlichkeit preiszugeben. Schließlich konnte diese junge Kassiererin für nichts davon etwas. Das wird auch der Grund sein, warum die meisten Menschen an dieser Stelle nichts sagen, denn das Argument „Dafür kann ich leider nichts!“ ist in fast jedem Fall niederschmetternd und das möchte sich niemand antun.

„Keine Äpfel mehr da.“ – „Kann ich nicht ändern.“
„Erdbeeren verschimmelt.“ – „Das ist Biologie, nicht meine Schuld.“
„Einkaufswagen fällt auseinander.“ – „Hab ich nicht gebaut.“
„Milch und Käse zu teuer.“ – „Beschweren Sie sich bei den Bauern!“
„Kassiererin unfreundlich“ - … Na ja… „Es sind ja noch andere Kassen offen, was kommen Sie auch zu mir, Sie Idiot?“

Natürlich bekommt das Bild vom Kunden als König dadurch Risse, aber der Kunde an sich, das weiß ich mittlerweile auch, ist oftmals wie Mathe – ein Arschloch. So bleibt es wohl auch weiterhin ein Geheimnis, was passiert wenn man den roten Knopf drückt und entsprechend höflich erwähnt, was einem am Einkauf alles nicht gepasst hat. Versuchen Sie es ruhig mal, auch mich würde es interessieren. Kleiner Tipp, falls Ihnen spontan nichts einfällt: Die Frage: „War alles zu Ihrer Zufriedenheit?“ impliziert keine genaue Zeitangabe. Plaudern Sie als fröhlich drauf los und erklären Sie, was Ihnen heute, diese Woche oder schon Ihr ganzes Leben lang auf den Sack geht.
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Alt 19.08.2007, 11:36   #2
apnoe
 
Dabei seit: 01/2007
Beiträge: 785

schon allein für die letzten drei absätze hat sich das lesen gelohnt...
der einkaufswagen fällt auseinder...hab ich nicht gebaut.
lg a
ps. werde deine vorschläge beim nächsten restaurantbesuch beherzigen, hoffentlich arbeitest du dann woanders...
apnoe ist offline   Mit Zitat antworten
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