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Alt 31.08.2006, 18:05   #1
Riif-Sa
 
Dabei seit: 11/2004
Beiträge: 253


Standard Der Himmel rückt nah

Der Himmel verdunkelte sich. Es schien, als ob irgendwo ein Wolkendamm gebrochen wäre und nun ergoss sich eine Flut von Schwarz über den Himmel und verdeckte die Sonne ganz und gar. Verängstigt schauten die Menschen aus ihren Fenstern und hielten sich gegenseitig in den Armen.
„Papa, was ist das?“ fragte der kleiner Junge, er mochte kaum sechs Jahre alt gewesen sein. Sein Gesicht war blass und seine hohe Stirn verschwand hinter seinen schwarzen Haaren wie der Himmel hinter den Gewitterwolken. Der Vater antwortete ihm nicht, sondern zog seinen Sohn und seine Frau in eine Ecke der kleinen Blechhütte. Dort öffnete er eine Falltür und verlange mit Nachdruck von den beiden, sie sollten sich darin verstecken. Der Junge schrie und die Frau flehte ihren Mann an, sie nicht allein zu lassen. Sie war den Tränen nah.
„Schweig!“ zischte er sie an. „Die Sache ist ernst!“
Damit schickte er sie beide in die Dunkelheit und schloss die Tür zu. Meine Familie ist in Sicherheit, dachte er. Sogleich klopfte es an die Tür und er eilte. Barry, ein gedrungener älterer Mann, starrte ihn mit panischen Augen an. Bis auf ein paar vereinzelte graue Haare am Hinterkopf hatte er Glatze. Er trug eine Armeehose und leichte Stiefel, seinen nackten und braunen Oberkörper zierten mehr als ein duzend Narben. Er trat hektisch ein. „Jeffrey!“ Sagte er. “Es sind die verdammten Russen, oder?“ Der jüngere Mann nickte unsicher. „Was sollen wir nur tun? Sie haben seit über zehn Jahren nicht mehr angegriffen. Sue meinte schon, der Krieg sei vielleicht vorbei.“
„Weibergeschwätz!“ gab der alte Mann zurück. Seine Stimme klang, als würde sie vom vielen Teer und Nikotin erdrückt, wenn sie nicht regelmäßig mit Whiskey gespült worden wäre. „Der Krieg wird nie vorbei sein.“
„Funktioniert denn alles noch?“
„Ha!“ Sagte Barry laut und drückte Jeffrey den Zeigefinger auf die Brust. „Natürlich. Ich habe mich all die Jahre um die Maschinen gekümmert, weil ich wusste, dass dieser Tag kommen würde!“
Jeffrey wirkte ein wenig erleichtert. „Prima. Dann rufen wir alle zusammen und…“
„Erst suchen wir meinen Jungen!“
„Mike?“
„Ja. Der Rotzlöffel ist fortgelaufen. Ich wette er ist unten am Wasser und treibt’s mit… ach keine Ahnung wie die Nutte hieß.“ Er tippte ihm wieder auf die Brust, dieses Mal noch stärker. „Du hilfst mir ihn zu finden!“

Aufmerksam beobachtete Miranda, wie Mike mit einem alten Lappen die Rohre der alten 35 mm FLAK Kanone putze. Es sah fast zärtlich aus, wie er mit seinen starken Händen über den Stahl der Waffe strich und sie stellte sich vor, dass er statt der Waffe ihren Körper streichelte. „Sie ist meine.“ Sagte er. „Ich hab sie von einem alten deutschen Panzer abgebaut und jetzt wird sich zeigen, was sie kann.“
„Ich habe Angst um dich.“ Sagte sie und schaute ihn mit großen Augen an.
Er versuchte, sie zu beruhigen. „Keine Sorge. Mein Vater war bei der Army. Er wird wissen, was zu tun ist.“
Gemeinsam starrten sie gen Horizont. Es schien, als würden die verschiedenen Schwarztöne miteinander konkurrieren. Ein unheimlicher Anblick. Miranda glaubte, die Welt würde hinter der letzten Düne enden.
„Mein Vater sagt, das ist eine Einschüchterungstaktik der Russen.“ Sagte Mike und deutete auf den Himmel. „Sie demoralisieren die Bevölkerung. Sie versuchen uns Angst einzujagen.“
„Und wenn es nur eines von diesen Gewittern ist?“ fragte Miranda vorsichtig.
„Ach Unsinn!“ erwiderte Mike. „Du weißt doch gar nicht, wie so ein Gewitter überhaupt aussieht. Hast du schon mal eines erlebt?“
Miranda sah ihm nicht in die Augen. „Nein, aber meine Großmutter hat mir davon erzählt. Sie sagt, es sähe genau so aus.“
„Deine Oma ist doch verrückt. Das hier ist die verdammte Wüste. Hier gibt es keine…“
Ein leises Geräusch unterbrach sie. Sie konnten es nicht bestimmen, doch sie hatten es beide schon einmal gehört, da waren sie sich sicher. Schließlich war es Miranda, die auf das Gras am Ufer des Wassers zeigte. „Es bewegt sich!“ flüsterte sie. „Wind!“
Er stand auf. „Hubschrauber! Sie kommen mit Hubschraubern. Ich hatte Recht!“ Er schwang sich auf den selbstgebauten Stuhl seiner FLAK und suchte den Himmel ab. Das Dunkel des Himmels kam immer näher und der Wind wurde stärker. Miranda spürte, wie er mit ihrem Haar spielte. „Komm schon, das schaffst du nicht alleine.“ Sagte sie.
„Geh und sag meinem Vater bescheid. Ich halte sie solange auf.“
„Aber Mike!“
„Jetzt geh schon, oder willst du, das wir alle sterben?“

Auf halbem Weg zurück in die Siedlung kamen ihr Jeffrey und Barry entgegen.
„Wo… wo ist er?“ fragte Barry, der ganz außer Atem war.
„Am Wasser!“ sagte Miranda. „Er will sie aufhalten, er sagt, sie kommen mit Hubschraubern.“
„Dieser Idiot! Jeff, schaff die Kleine in die Siedlung, ich hole meinen Jungen.“
„Okay.“ Sagte Jeffrey und deutete Miranda, mit ihm zu kommen. „Sei vorsichtig.“
Plötzlich leuchteten am Himmel helle, silbrige Fäden auf und alle drei schreckten zurück. „Was… was war das?“ fragte Miranda. Jeff öffnete den Mund, um zu antworten, da ertönte ein Donnerschlag, der die Erde in ihren Grundfesten erschütterte. Miranda begann zu schreien und Barry blickte in den Himmel.
„Es hat begonnen.“

Als Miranda ihre Hütte betrat, saß ihre Großmutter lächelnd auf dem Schaukelstuhl.
„Oma!“ schrie Miranda entsetzt. „Warum bist du nicht im Keller?“
Riif-Sa ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.08.2006, 18:42   #2
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Du schreibst gut. Hervorragend ist der Spannungsbogen, den du aufbaust und deinen Leser so fesselst. Spannend ist das ganze nämlich definitiv! Mir gefällt auch die Pointe am Ende: Die Großmutter die letztendlich doch Recht hat.
Allerdings ist mir schleierhaft, wo deine Kurzgeschichte spielen soll: Die Russen greifen an, die Namen der Protagonisten sind Englisch, daher könnten es Amerikaner sein, dann noch der deutsche Panzer. OK, das alles erinnert an den Zweiten Weltkrieg. Aber dann der Ort: die Wüste! Hm... spielt das ganze auf einem anderen Planeten? Würde passen, da sich die Amerikaner und die Russen ja im Weltall schon immer einen Wettlauf geliefert haben. Aber wie passt dann der deutsche Panzer mit da rein? Oder geht es um einen Krieg oder einen Konflikt in der Wüste und dann tendiert das ganze in Richtung Ölkrieg? Ich weiß ja nicht... Jedenfalls ist deine Geschichte genau deshalb gut, weil man sich eben die genannte Frage nach dem Lesen stellt!
Habe ich gern gelesen...
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.08.2006, 19:10   #3
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Eine klasse Geschichte! Die gefällt mir richtig gut.

Die Menschen sind vom Krieg schon so sehr vereinnahmt, dass sie an gar nichts anderes mehr denken können und ein Naturschauspiel nur mit Angst und Schrecken erleben und deuten können.

Ein Fehler taucht aber immer wieder auf. Nach der wörtlichen Rede kommt - sofern man nicht einen neuen Satz anfängt - ein Komma und dann geht es klein weiter. Bsp: „Sie ist meine.“, sagte er.

In den ersten beiden Sätzen kommt zweimal "Himmel" vor. Das stört etwas.
Möglichkeiten:
Im ersten Satz "Die Welt verdunkelte sich.", aber vielleicht ist Dir das zu groß.
Oder im zweiten "über das Blau" statt "über den Himmel", was natürlich eine Metapher ist und ich kann nicht beurteilen, ob Du diese in einer Geschichte magst. Vielleicht gibt es noch andere Möglichkeiten.

Dass der genaue Schauplatz nicht weiter erklärt wird, finde ich gut so. Denn es wirkt damit allgemeingültiger, könnte in jeder Wüste zu jeder Zeit geschehen oder geschehen sein.

Ebenfalls gern gelesen!

Struppi
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
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