Ode an den Mist

[Ottilie]

O Mist, der du bist:
ekle Mischung aus einstmals
duftendem Heu, blondgelbem Stroh und
Rindviechs stinkender Scheiße, scharfem Urin:
Wohnstatt für Myriaden von Maden, Larven, Würmern
und Bakterien,
Verkannter, Verachteter, Mistbrauchter:
dir und deinem
im Ammoniakgase auffahrenden Geist
des Gestanks
singe ich mein Lied.

Denn du bist, o Mist,
nicht nur der eine! Nein, du bist, o Mist
doch auch und ganz
geheimnisvoll-doppelwert‘ge Substanz:
Stehst wie kein zweiter für
Tod, Verwesung, Ende, Schluss,
doch auch für
Frühling, Blüte, Liebe, Kuss!

O Mist, gemahnest uns
an des Osiris Schicksal,
an die Fetzen seines Leibs,
von Seth auf dunklen Halden
illegal verstreut.

Stinkend und gärend, schmierend und ätzend,
ziehst Abscheu du aus dem Hades
auf des Bauern Mondgesicht.
Und zauberst zeitgleich doch auch
ein stolzes Lächeln in die erstarrten Züge
seiner melancholischen Gesichtsruine.

O Mist, du treibst,
ganz mit Scheiß,
die Traurigkeit
vom Gesichtsfeld
des Landbewohners und
die Bodenwertzahl in die Höh!


Ich hab n Hänger
voller Mist
am Wochenende
zu Oma geschafft.
Sah sie strahlen
isisgleich.
Der Frühling kann kommen
in alter Kraft.

[gryzz]

Ich bin ganz ehrlich, so hab ich noch nie über Mist gedacht.
Vielen Dank für das öffnen der Augen würde ich Mal sagen. Das Thema auch sehr schön umgesetzt.

Und ein sehr toller Beweis dafür, dass die Welt eben nicht nur schwarz und weiß ist :)

[Ottilie]

Hallo Gryzz,

wenn der Mist vergoren ist, haben wir im besten Fall Humus. Das ist die Grundlage unserer Landwirtschaft, also unserer Nahrungsmittelproduktion, eigentlich die Grundlage von allem...

Danke für Deinen Kommentar, liebe Grüße

Ottilie

[Heinz]

Liebe Ottilie,
dass mich Dein Gedicht an Villons Lästerzungen erinnert, bitte ich als ausgesprochenes Lob zu interpretieren.
Liebe Grüße,
Heinz