Denn sie wissen nicht, was sie wollen

[Desperado]

Wenn der Falke am Himmel rüttelt, will er eine Maus, und niemand käme auf den Gedanken ihn zu fragen, was er denn wolle.

Die Leute aber versuchen einem Desperado unermüdlich beizubiegen, dass er einer von denen sei, die da nicht wüssten was sie wollen. Ihre Vermutung geht zwar knapp aber dennoch gründlich an der Sachlage vorbei. Der Desperado weiß nicht, was er denn wollen sollte, das ist ein feiner aber entscheidender Unterschied.

Wo steht geschrieben, dass einer wissen muss, was er wollen soll?

Es gibt so viele Leute und noch weitaus mehr Möglichkeiten, irgendetwas zu wollen, dass es keine allzu große Rolle spielt, ob da jetzt einer weiß, das und was er nun so im Einzelnen will, da gibt es einen, der genau weiß was er will, nun denn, dann weiß er’s eben, so what und was daran soll von Bedeutung sein für mich oder sonstwen? Und vor allem, was hat er davon, zu wissen was er will, außer dass er es weiß? Schon morgen kann er ganz was andres wollen, das weiß er dann vermutlich ebenso, aber heute weiß er noch nichts davon, daran allein kann man ja schon erkennen, wie beliebig belanglos das Ganze ist.

Bei den entscheidenden Dingen wirst du sowieso weder gefragt ob du dies oder das willst noch ob du es zu wollen weißt, weil du überhaupt nicht gefragt wirst.

Bring einen Brief zum Postamt und du findest es abgebrannt, gib ihn dem Postreiter mit und der wird von Bandidos abgefangen und aufgehangen, den weggeworfenen Brief bläst der Wind zu einem Präriehundbau, ein trächtiges Weibchen nimmt ihn in Empfang und verwertet ihn zum Nestbau für ihre Kleinen, sie fragt weder nach Absender noch nach Empfänger und ob der Schreiber wusste, was er mit seinem Schreiben wollte, der Brief hat seinen Zweck dennoch erfüllt, mag sein auf etwas unvorhergesehene Weise, aber was macht das schon für einen Unterschied?

Ob du ein Nugget in einem Flussbett, einer versteckten Ader oder dem Nest einer Elster findest, ist ohne Bedeutung, und es ist letztlich auch egal, ob du es finden wolltest, du hast es gefunden und das allein zählt. Hättest du es nicht gefunden, wüsstest du nicht einmal, dass es das Ding gibt, und noch viel weniger, ob du wissen wolltest, dass der Klumpen existiert.

Die Apache sehen das genauso, ich hab’s aber dennoch nicht von ihnen gelernt, ich hab’s schon so gesehen, bevor ich mir noch ihre Sprache aneignete, nein, die Wüste denkt so, und wenn du zu einem Teil wirst von ihr, übernimmst du ihr Denken, so einfach ist das. Die Wüste hat sich noch nicht ein einziges Mal gefragt, was sie will, und erst recht nicht, was sie wollen sollte, trotzdem ist sie sehr viel wirklicher, beständiger, stärker und mächtiger als alle Menschenkinder zusammengenommen, die es da zu wissen glauben wollen. Hat sie dich das einmal gelehrt, und das macht sie innerhalb von ein paar wenigen Tagen, fragst du auch nicht mehr danach, was du willst oder ob du was wollen solltest, die wissenwollend sollende Sicht der Dinge hat sich im glühenden Wüstenwind in Nichts aufgelöst.

Aber mach das mal einem Weißauge und Bleichgesicht verständlich.

Fragt mich zum Beispiel der Anführer einer herangerittenen Blaurock-Patrouille, was ich denn hier wolle, weiß ich nicht, wovon er spricht, fragt er mich, was ich denn überhaupt wolle, weiß ich es noch weniger, fragt er mich, ob ich denn wisse was ich wolle, spricht er endgültig in Rätseln. Und dann ereifern sich diese merkwürdigen Ausfrager auch noch darüber, dass ich offenbar nicht verstehen wolle, was sie mich da Einfaches fragen, mich stattdessen weigern würde, ihre klaren Fragen zu beantworten, weil ich ganz offensichtlich etwas zu verbergen hätte.

Bemüh ich mich um des lieben Friedens Willen um eine ehrliche Auskunft und erkläre ihnen, dass ich, so wie es aussieht, grade hier entlangreite, raste oder lagere je nachdem, und da ich es grade tu, könne ich wohl getrost davon ausgehen, dass ich es auch wolle, sonst würd ich’s wohl nicht tun... bellen sie mich an, ob ich sie für blöd verkaufen möchte und dass sie sich selber veräppeln können und schon mit ganz anderenTypen wie mir fertig geworden sind, nehmen mich kurzerhand in die Zange und geleiten mich zu ihrem nächsten Fort.

Wo sie mich dann in die Amtsstube zum nächstbesten ranghöheren Offizier zerren, der mir die selben dämlichen Fragen stellt und die gleichen ehrlichen Antworten erhält, worauf er nicht minder unhöflich und ungehalten reagiert, seine Facon so gut wie völlig verliert und mich erstmal in die Zelle stecken lässt, um mir genügend Zeit zum Nachdenken zu geben, jedenfalls genug davon, bis mir die richtig lautenden Antworten wieder einfallen würden.

Am folgenden Tag will er wieder genau Dasselbe wissen und ich hab ihm erneut nichts anderes zu sagen, das kann sich dann noch ein paar Mal wiederholen und durchaus über eine Woche hinziehen, wenn sie’s für angebracht und nötig halten, bis der Offizier irgendwann resigniert den Befehl erteilt, mich „verrückten Vogel“ laufen zu lassen, weil ich harmlos sei und offenbar nicht wisse was ich wolle.

Die spinnen, die Blauröcke, vom Bein weg.

[Ilka-Maria]

Köstlich - vor allem der Schluß.

[Ex Carina M.]

Klasse

[Desperado]

Many thanks!

[Ex-kipling]

Hi, Desperado, es ist erstaunlich, wie facettenreich Dein literarisches Wirken ist. Curios, curios- laut Buddenbrook. Gruss, kipling

[Desperado]

Naja, kipling, kurios wie das Leben mit allen Facetten eben.
Von Erfahrung abgeleiteter Eklektizismus gewissermaßen...

Lieben Gruß zurück
Desperado